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Bundestag
Orientierungsdebatte zum Thema Organspende

Die Fronten sind verhärtet in der Diskussion um neue Wege bei der Organspende, das zeigt sich auch kurz vor der Debatte im Bundestag. Jens Spahn hat klargemacht, dass er eine Widerspruchslösung will. Seine Gegner werfen ihm eine Verletzung von Freiheitsrechten vor. Der Redebedarf ist groß.

Von Frank Capellan | 28.11.2018
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    Der Organspende-Ausweis - nur wenige Menschen besitzen ihn (Julian Stratenschulte/dpa)
    Jens Spahn wirbt für seinen Vorschlag. "Die Widerspruchslösung ist kein Zwang zur Spende, sondern ein Zwang, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen!", erklärt der Gesundheitsminister vor der Debatte im Bundestag. Alarmiert durch weiter sinkende Spenderzahlen hatte der Christdemokrat die Debatte im Spätsommer angeheizt. Künftig soll jeder Bürger Organspender sein, es sei denn, er widerspricht ausdrücklich.
    "Eine Widerspruchslösung wäre ein ziemlicher Eingriff in die Freiheit des Einzelnen, ja, wenn der Staat sagt, Du bist grundsätzlich Organspender. Aber ich denke, es ist einfach nötig!"
    Widerstand gegen Spahn aus allen Partein
    Tatsächlich ist das Problem akut. Auf eine Million Einwohner kommen in Deutschland nicht einmal zehn Spender. In Spanien – dort greift die Widerspruchslösung – sind es mehr als 40. Bis Mitte November fanden sich 2018 in Deutschland gerade mal 832 Organspender, die Zahl ist rückläufig, 2010 waren es noch etwa 1300 Spender. Trotzdem stößt der Minister mit seinem Vorstoß seit Wochen auf Widerstand - parteiübergreifend. Hilde Matheis etwa, Fachpolitikerin der SPD, hält nichts davon, einfach die gesamte Bevölkerung zu Organspendern zu machen:
    "Dann muss die Bevölkerung aktiv sagen, nein, ich möchte nicht. Das ist ein ziemlicher Eingriff in das Persönlichkeitsrecht!"
    Ähnlich der Vorsitzende der Freien Demokraten. Das Selbstbestimmungsrecht der Menschen ist uns heilig, das soll so bleiben, betont Christian Lindner:
    "So eine Existenzfrage, wie die Verfügung über Organe, die muss nach meiner Auffassung bewusst und auch selbst getroffen werden!"
    Auch Kompromisse liegen auf dem Tisch
    Wer nichts sagt, darf nicht einfach zum Spender erklärt werden, meint auch der CSU-Bundestagsabgeordnete Stephan Pilsinger. Er ist Mitinitiator eines fraktionsübergreifenden Gegenantrags. Die Idee: Wer einen Personalausweis verlängert oder einen Führerschein beantragt, könnte bei dieser Gelegenheit gefragt werden, wie sie oder er es mit der Organspende hält.
    "Wir wollen, dass jeder bei der Verlängerung seines Personalausweises ein Infopaket bekommt, dass jeder regelmäßig vom Hausarzt über das Thema informiert wird und das jeder dazu ermutigt wird, sich zu entscheiden!"
    "10.000 Menschen warten jeden Tag"
    Am Mittag wird im Parlament erst einmal über die Problematik debattiert. Mit einer schnellen Entscheidung ist im Bundestag ohnehin nicht zu rechnen – Orientierungsdebatte ist der heutige Tagesordnungspunkt überschrieben. Eine solch weitreichende Gewissensentscheidung macht eine umfassende Diskussion im Bundestag erforderlich, meint auch der Gesundheitsminister. "Uns eint das Ziel, die zahl der Organspenden zu steigern, aber wir streiten über den Weg!", betont Spahn. Aber es müsse etwas passieren
    "84 Prozent der Deutschen sagen, sie finden Organspende eine gute, eine richtige Sache. Aber viel, viel weniger haben einen Organspenderausweis, und wir müssen das schon konkret machen. Die abstrakte Bereitschaft hilft uns nicht und hilft auch nicht den 10.000 Menschen, die eben konkret jeden Tag auf ein Organ warten."
    Spahn hat zudem Eckpunkte für eine Gesetzesreform vorgelegt, mit der Krankenhäuser die Organentnahme besser organisieren könnten. Auch hier ist Spanien Vorreiter: Während es dort nur knapp 200 Entnahmekliniken gibt, sind es in Deutschland über 1000. Kritiker beklagen: "Wenn es in den meisten der deutschen Kliniken nur alle paar Jahre zu einer Transplantation kommt, mangelt es einfach an Erfahrung."