Samstag, 27. April 2024

Archiv

Bundestag
SPD und Union wollen härter gegen Korruption vorgehen

Zehn Jahre lang haben es die Abgeordneten des Deutschen Bundestages nicht geschafft, sich in Sachen Korruption strengere Regeln zu geben. Das soll sich jetzt laut Koalitionsvertrag ändern.

Von Gudula Geuther | 05.12.2013
    "Wir haben in diesem Jahr zehn Jahre der UN-Konvention gegen Korruption, das heißt zehn Jahre hat Deutschland diese Konvention nicht ratifiziert,"
    … beklagt Edda Müller, die Vorsitzende der Deutschen Sektion von Transparency International. Das soll sich ändern, so steht es zumindest im Entwurf des Koalitionsvertrags. Bitter nötig, glaubt Edda Müller, denn Deutschland befindet sich derzeit in Gesellschaft von Ländern wie Syrien, Nordkorea oder dem Sudan. Und das nicht etwa, weil böse deutsche Wirtschaftsbosse darauf bestünden, sich den Weg zu öffentlichen Aufträgen zu schmieren, im Gegenteil.
    "Es ist – und vor allem haben das die Spitzen der deutschen Wirtschaft immer wieder betont – in vielen Ländern dieser Welt nicht verständlich, dass Deutschland diese Konvention nicht umgesetzt hat."
    Der Grund ist ein anderer: Zehn Jahre lang haben sich ausgerechnet die Abgeordneten des Deutschen Bundestages nicht darauf einigen können, sich selbst strengere Regeln zu geben. Weil sie sich bestechen lassen wollen? Natürlich nicht, sagt SPD-Fraktionsvize Christine Lambrecht, sondern:
    "Es muss weiterhin möglich sein, dass ich mich beispielsweise mit Gewerkschaften austausche, mit Unternehmensverbänden austausche über deren Interesse. Das muss weiterhin möglich sein, dass ich dabei eine Tasse Kaffee trinke oder auch ein gemeinsames Essen einnehme. Was ich dann damit mache, mit der Information, die ich dabei gewinne, ist etwas anderes."
    Das deutsche Strafrecht genügt der UN-Konvention nicht. Und das obwohl es seit 1994 den Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung gibt. Der allerdings ahndet nur den regelrechten Kauf einer Stimme. Das bringt in zweifacher Hinsicht nicht viel – zum einen kommt diese wohl plumpeste Form der Bestechung glücklicherweise offenbar tatsächlich nicht oft vor – in fast 20 Jahren gab es eine einzige Verurteilung. Zum anderen ist, wenn der Abgeordnete die Hand hebt, die eigentliche Diskussion und Einflussnahme schon vorbei. Zehn Jahre lang rangen Parlamentarier um eine Strafrechtsverschärfung, erfolglos. Jetzt soll der Durchbruch kommen.
    Erstmals steht jetzt im – sollte es dazu kommen - Koalitionsvertrag:
    "Wir werden die Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung neu regeln."
    Die Sozialdemokratin Christine Lambrecht ist zuversichtlich, dass es schnell gehen kann, verschiedene Gesetzentwürfe liegen auf dem Tisch, auch Parlamentspräsident Norbert Lammert hat sich schon beteiligt. Unions-Fraktionsvize Günter Krings setzt sich ebenfalls für die Neuregelung ein. Er aber warnt vor Eile. Denn was soll strafbar sein? Die UN-Konvention verlangt Sanktionen für die Einflussnahme auf Amtsträger. Nur: Sind Abgeordnete Amtsträger? Da, glaubt Krings, zeigt sich das Problem:
    "Beim Amtsträger hab ich einen klaren Pflichtenkreis. Der Beamte in der Dienststelle XY in der Kommunalverwaltung. Wenn er aus dem ausbricht, etwas macht, was er nicht mehr darf, hat er nicht nur disziplinarrechtliche, sondern auch, wenn er sich dafür Geld geben lässt, strafrechtliche Sanktionen zu befürchten. Beim Abgeordneten fehlt dieser klare Pflichtenkreis bislang, und den kann man nicht eins zu eins mit dem Beamten vergleichen. Aus gutem Grund nicht. Ich finde, wer da beamtenrechtliche Regelungen immer auf die Abgeordneten überstülpen will, der bekommt nachher auch beamtenähnlich denkende Abgeordnete. Das wollen wir vielleicht auch nicht."
    Ein Abgeordneter darf sich also einseitig für den Tierschutz oder die Automobilwirtschaft einsetzen, vielleicht ist er sogar genau deshalb gewählt worden. Hinter so einer Argumentation steckt ein Bild des freien Mandats. Traditionell verstand man darunter auch: Die Motive eines Abgeordneten, für das eine oder andere zu sein, sind seine Sache. Das freie Mandat umfasst nicht die Freiheit, sich bestechen zu lassen, ätzt dagegen Edda Müller. Darum geht es nicht, sagt Günter Krings.
    "Wir müssen aufpassen, dass wir die wirklich notwendige Tätigkeit und das Engagement, sich für eine Sache einzusetzen – meinetwegen für seinen Wahlkreis einzusetzen, nicht verunmöglichen."
    Und der Christdemokrat verdeutlicht das mit einem für viele wohl irritierenden Beispiel: Auch in Zukunft müsse ein Abgeordneter für seine Partei Spenden von den Unternehmen im Wahlkreis einwerben können, für die er sich in Berlin einsetzt. Für viele wäre das wohl der Paradefall der unzulässigen Nähe von Abgeordneten und Wirtschaft. Selbst Edda Müller von Transparency sagt aber: Abgeordnetenbestechung ist das nicht. Auch in Zukunft, da sind sich die Sozialdemokratin Lambrecht und der Christdemokrat Krings einig, soll nur die konkrete Unrechtsvereinbarung strafbar sein: Ich gebe Dir Geld, wenn Du Dich für mich einsetzt, möglichst noch: gegen Deine Überzeugung. Und all das muss dann auch noch beweisbar sein. In der Praxis ist das wenig anderes als jetzt schon gilt. Allerdings würde das neue Recht wohl nicht erst greifen, wenn der Abgeordnete ganz am Schluss im Plenum für oder gegen ein Gesetz die Hand hebt, sondern früher.
    "Das heißt, zu versuchen, Verbündete zu finden für ein bestimmtes Thema, andere Abgeordnete zu gewinnen. Wenn ich anfange, Briefe zu schreiben, zu telefonieren, mich für eine Sache einzusetzen, das wäre eben das Neue, dass das auch strafbewehrt wäre."
    Was also ändert sich? Im Strafrecht – wenig. Am Bild des Abgeordneten – ein bisschen. Und – Deutschland kann endlich die UN-Konvention gegen Korruption ratifizieren.
    "Ich kann, glaube ich, für die absolute Mehrheit der Kolleginnen und Kollegen die Hand ins Feuer legen: Es geht nicht darum, derzeit bestehende Missstände zu regeln, sondern es geht darum, auch im Interesse von politischer Hygiene, aufzuzeigen: Wenn so etwas wäre, dann wäre es strafbar. Auch in Deutschland."
    Um politische Hygiene also geht es. Auch darüber kann man sich zehn Jahre lang streiten.