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Bundestags-Debatte zur Deutschen Einheit
Dulig: "Viele Ostdeutsche fühlen sich unfair behandelt"

Der Bundestag debattierte heute den Bericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit. Die Diskussion verlief zum Teil hitzig. Vor allem mit Blick auf die AfD.

Von Mathias von Lieben |
    Einen Tag, nachdem der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Christian Hirte, CDU, den Jahresbericht zum Stand der Deutschen Einheit vorgelegt hat, hat im Bundestag die Aussprache darüber stattgefunden - und zugleich ein Kampf um die Deutungshoheit über die Ergebnisse. Erster Redner im Plenum war Enrico Komning von der AfD:
    "Von gleichartigen Lebensverhältnissen kann hier nicht die Rede sein, Herr Hirte. Der Angleichungsprozess stagniert seit Jahren."
    Einer der wenigen Sätze des AfD-Abgeordneten, die so auch bei den anderen Parteien zu vernehmen war. Denn: Die Lohnunterschiede im Osten sind mit rund 15 Prozent weniger als im Westen noch immer sehr groß. Die generelle Wirtschaftskraft des Ostens stagnierte 2017 je Einwohner bei 73 Prozent des Westens. Auch Martin Dulig, stellvertretender sächsischer Ministerpräsident und zugleich Ostbeauftragter der SPD, wies auf diesen Rückstand hin, nahm zuerst jedoch Bezug auf seinen Vorredner:
    "Schlimmer sind diejenigen, die Ostdeutschland in Besitz nehmen wollen. Und zwar für ihre Ideen, eines völkisch-nationalistischen deutschen Reiches. Die Ostdeutschen sind für sie Versuchskaninchen für ihre Umsturzfantasien."
    "Es gibt viele Ostdeutsche, die sich unfair behandelt fühlen"
    Dieser Kritik in Richtung AfD schloss sich auch Markt Hauptmann von der CDU an. Dass die AfD Ostdeutschland instrumentalisiere und den Schulterschluss u.a. mit Pegida-Mitbegründer Lutz Bachmann:
    "Das schürt Ängste in unserem Land, das polarisiert. Das führt aber unsere Gesellschaft nicht zusammen."
    Dann kehrte er zur eigentlichen Debatte zurück:
    "Wir haben die Deutsche Einheit auf wirtschaftliche Kennzahlen reduziert. Man spricht dann über herausgeputzte Städte über neue Straßen. Man spricht aber nie über Mentalitäten. Es gibt viele Ostdeutsche, die sich unfair behandelt fühlen."
    Dieser Meinung schloss auch Katrin Göring-Eckart, Fraktionsvorsitzende der Grünen, an. Es seien Millionen in den Osten geflossen und vieles sehe wahnsinnig schön aus. Das reiche aber nicht. Dann machte sie auf ein Problem aufmerksam, dass auch der Bericht des Ostbeauftragten Hirte anprangert:
    "Kein Dax-Unternehmen hat seinen Sitz in Ostdeutschland. Kaum ein Wirtschaftsboss kommt aus dem Osten."
    "Wir sind nicht die Zugezogenen in dieser Republik"
    Das würde die Entwicklungsmöglichkeiten in der Region stark beschränken. Im Bericht zum Stand der Deutschen Einheit ist aber auch die Rede von einer flächendeckenden Strukturschwäche Ostdeutschlands, unter der besonders ländliche Regionen leiden. Das würden die Ostdeutschen aber nicht ständig gesagt bekommen wollen, sagte Göring-Eckart:
    "Wir sind nicht die Zugezogenen in dieser Republik, die sieben Generationen brauchen, sondern wir gehören hier zusammen meine Damen und Herren."
    Matthias Höhn, Ostbeauftragter der Fraktion Die Linke, dessen Partei zugleich einen Entschließungsantrag zur Abstimmung in den Bundestag eingebracht hat, in dem u.a. die sofortige Rentenangleichung Ost- an Westdeutschlands gefordert wird, appellierte ebenfalls dafür, auf ostdeutsche Wende-Biografien stärker einzugehen:
    "Die Ostdeutschen haben die Demokratie gewählt und erkämpft und die Treuhand bekommen. Da war schon wieder Schluss mit der Mitbestimmung, um die es eigentlich ging. Im Osten ist kein Stein auf dem anderen geblieben. Und all dies gehört aufgearbeitet, liebe Kolleginnen und Kollegen!"
    Aufarbeiten will die Bundesregierung das unter anderem in der Kommission "Gleichwertige Lebensverhältnisse" mit Vertretern aus Bund, Ländern und Kommunen, die gestern zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammengekommen ist und neue Förderprogramme entwickeln soll. Der Tenor der heutigen Debatte zum Stand der Deutschen Einheit: Die Angleichung der Lebensverhältnisse funktioniert nur in Teilen, vieles muss noch aufgearbeitet werden und es bedarf eines Dialogs zwischen West- und Ostdeutschland auf Augenhöhe.