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Bundestagsmitarbeiter auf Stellensuche

Nach jeder Wahl müssen die ausgeschiedenen Abgeordneten und ihre Mitarbeiter neue Anstellungen finden. Dass eine komplette Fraktion Arbeit sucht, so wie derzeit die FDP, ist selten. Die Arbeitsagentur Berlin-Mitte ist jedoch der Ansicht, dass die meisten sich keine Sorgen machen müssen.

Von Falk Steiner |
    Ein neuer Bundestag, das heißt auch immer: ausscheidende Abgeordnete und Mitarbeiter, die sich nach neuen Anstellungen umsehen müssen. Fünf Abgeordnete weniger stellen die Grünen, 12 Abgeordnete weniger die Linkspartei – und alle 93 Abgeordneten der FDP verlassen den Bundestag.

    Der Bundestag ist ein besonderer Arbeitgeber: Wer bei Abgeordneten und Fraktionen angestellt ist, dessen Arbeitsverträge enden automatisch mit dem Ende der Legislaturperiode. Doch wirklich arbeitslos werden sie nun nicht alle – und wenn, dann nicht für längere Zeit, erwartet Andreas Ebeling von der Arbeitsagentur Berlin-Mitte. Er unterscheidet:

    "Einmal die Damen und Herren mit dem Hochschulabschluss, die in der Regel auf der wissenschaftlichen, auf der Referentenebene gearbeitet haben, die erfahrungsgemäß ein sehr, sehr großes Netzwerk haben, die sich schon auch rechtzeitig im Vorfeld mühen um andere Positionen."

    Die zweite Gruppe ist die der Sachbearbeiter, der Sekretäre. Politisch heikel, aber in diesen Tagen in den Gängen von Jakob-Kaiser- und Paul-Löbe-Haus vorstellbare Variante ist die Übernahme einzelner Mitarbeiter durch Abgeordnete der Unionsfraktion. Denn die ist mit 311 Abgeordneten um 72 Mandate gewachsen, viel mehr, als sich die Union erhoffen konnte. Viele der überraschend neu einziehenden Parlamentarier sind vollkommen unerfahren im Umgang mit dem Parlament, benötigen weniger politische als praktische Alltagshilfe: Wie funktioniert der Bundestag tatsächlich?

    Vor allem Sekretäre dürften bei der CDU Unterschlupf finden, aber auch einzelne Referenten könnten hier unterkommen – solange ihnen nicht zu viel FDP anhaftet. Denn manche der Fachleute, die in Bundestagsbüros und Fraktionen arbeiten, haben einen deutlichen politischen Stallgeruch. Für einige von ihnen sollte die Arbeit bei einem Bundestagsabgeordneten auch Sprungbrett für die eigene politische Karriere werden – die nun vorerst warten muss. Doch Andreas Ebeling von der Arbeitsagentur sieht auch für diese Fälle wenig Probleme:

    "Sicherlich ist der eine oder andere Mitarbeiter parteipolitisch interessiert, und es wird vielleicht etwas schwieriger sein, den FDP-Referenten bei einem CDU-Abgeordneten unterzubringen, aber sie sind wirklich sehr, sehr gut vernetzt."

    Viele Bundestags-Mitarbeiter, unabhängig von ihrer Fraktionsfarbe, nutzen das Ende einer Wahlperiode zum Absprung aus dem Parlamentsbetrieb, bei vielen der nun Betroffenen war erwartbar, dass sie nicht mehr im Bundestag unterkommen – auch und gerade für die FDP-Mitarbeiter: Das fulminante Wahlergebnis von 2009 erneut zu erzielen wäre unrealistisch gewesen.

    Nie war die Gelegenheit zum Absprung so gut wie heute: Die Akademikerarbeitslosigkeit liegt offiziell bei 2,4 Prozentpunkten – das gilt als Vollbeschäftigung. Auf Unterstützung von ihren früheren Chefs können dabei viele von ihnen bauen. Lars Lindemann, bislang für die FDP im Bundestag beschreibt die Situation so:

    "Ich hab das meinen Mitarbeitern frühzeitig gegenüber gesagt, dass ich mich für sie verwenden werde, aber dass das Thema nach der Wahl ist."

    Sein Referent Christoph Dietrich will nun wieder mehr in seinem eigentlichen Beruf arbeiten: Er ist Arzt. Dietrich berichtet:

    "Ich hab das bei mehreren Abgeordneten jetzt erlebt, die wesentlich mehr damit beschäftigt sind, ihre arbeitslosen Mitarbeiter zu versorgen, als sich selber, und für sich selber noch gar nichts ... das ist eigentlich gelebte Solidarität, was da gerade stattfindet."

    Solidarität, das klingt ungewöhnlich in Verbindung mit der FDP. Doch in Existenznot wird wohl kaum ein Mitarbeiter geraten. Die Arbeitsagentur berät zwar nun die Betroffenen - aber Stellen werden sich die meisten davon selbst suchen. Höchstens zweistellig werde in einem halben Jahr die Zahl derjenigen sein, die noch auf Stellensuche sind, erwarten die Experten der Arbeitsagentur.