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Bundestagswahl 2017
Angst vor Fake News, Lügen und Verleumdungen

Die US-Präsidentenwahl soll Russland mit Hackerangriffen beeinflusst haben, auch aus Frankreich, wo Wahlen anstehen, kamen jüngst derartige Anschuldigungen. Da wächst in Deutschland die Sorge, dass auch die Bundestagswahl Ende September Ziel von Störmanövern aus Moskau werden könnte.

Von Sabine Adler | 02.03.2017
    Computerbildschirm
    Auf einem Computerbildschirm ist die Intranetseite des Bundestags zu sehen. (dpa/picture-alliance/Maurizio Gambarini)
    Sie waren nicht viele, aber laut genug zu hören, ihre Parole für deutsche Verhältnisse roh:
    "Merkel muss weg, Merkel muss weg!"
    An jenem 23. Januar 2016 hatten sich nicht ausdrücklich Pegida-Demonstranten vor dem Bundeskanzleramt in Berlin aufgebaut, sondern Russlanddeutsche, zu denen ihr Landsmann, der Vorsitzende des so genannten "Internationalen Konvents der Russlanddeutschen", Heinrich Groth, sprach.
    "Uns alle hat hier zusammen gebracht der brutale Fall mit der Berliner Schülerin Lisa. 13jähriges Kind, die hier vergewaltigt war vor kurzer Zeit. (Pfiffe, Pfui-Rufe)
    Verleumdungen, Lüge und Verunglimpfung
    Aus Groth, der in Kasachstan geboren wurde und Anfang der 1990er Jahre als Aussiedler den Kreml noch harsch kritisierte, wurde ein Bote Moskaus. Er wendete sich vor allem an die Russlanddeutschen, denen, die bis heute kaum Deutsch sprechen, den Anschluss an die Gesellschaft nicht schafften und sich hauptsächlich im russischen Staatsfernsehen informieren. Das mit enormem Eifer über die angeblich verfehlte Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel berichtet. Einschlägige Internetseiten sind voll von negativer Stimmungsmache, hat die Russland-Expertin Stefanie Schiffer beobachtet.
    Hunderte Russlanddeutschen demonstrieren in Villingen-Schwenningen gegen Gewalt und für mehr Sicherheit in Deutschland.
    Hunderte Russlanddeutschen demonstrieren in Villingen-Schwenningen gegen Gewalt und für mehr Sicherheit in Deutschland. (dpa / Marc Eich)
    "Wenn man da mal reinguckt, was ich ab und zu mache, das macht keinen Spaß, dann sieht man haarsträubende Dinge. Das ist Verleumdung, das ist wirklich Lüge, das ist Verunglimpfung, die zum Teil direkt aus der russischen Pressewelt übernommen werden. Und dass da inzwischen eine Verbindung besteht, zwischen der Schwarzen Presse, der schwarzen PR, die in Russland gemacht wird für die russische Bevölkerung, um in diesem autoritären Staat eine gefolgsame und ruhige Bevölkerung zu haben, dass diese Beziehung jetzt auch aufgebaut wird zur russischsprachigen Bevölkerung in Deutschland oder zu russlandfreundlichen Bürgerinnen und Bürgern hier. Das ist offensichtlich."
    Mitte Februar dieses Jahres machte ein ähnlicher Fall wie "Lisa" die Runde. In Litauen stationierte deutsche Soldaten sollen angeblich ein minderjähriges litauisches Mädchen vergewaltigt haben. Die litauischen Behörden konnten weder Opfer noch Täter finden. Die Falschmeldung sollte vermutlich die Bundeswehr diskreditieren.
    Hackergruppen des russischen Geheimdienstes
    Hinter der ausführlichen, ausschließlich negativen Deutschland-Berichterstattung steht vermutlich der Ärger von Russlands Präsident Putin über Bundeskanzlerin Merkel. Macht sie doch keinerlei Anstalten, die Krimannexion zu akzeptieren oder Russland aus der Verantwortung für den Krieg in der Ostukraine zu entlassen. Stattdessen versammelt sie die EU-Länder ein ums andere Mal hinter sich, die Sanktionen gegen Russland zu verlängern.
    Dem Fall Lisa gingen die Täuschungsmanöver mit den sogenannten grünen Männchen auf der Krim voraus, die in Wirklichkeit russische Armee-Angehörige waren, die Verwirrstrategie um den Abschuss des Passagierflugzeuges MH 17 über der Ostukraine durch eine russische BUG-Rakete, wie internationale Experten nachwiesen. Außerdem wohl der Hackerangriff auf den Deutschen Bundestag, von dem die grüne Abgeordnete Beck konkret betroffen war.
    Hände tippen auf einer Computertastatur.
    Es wird vermutet, dass russische Hacker für den Angriff 2015 auf den Deutschen Bundestag verantwortlich waren. (imago/STPP)
    "In meinem Büro ist im Frühjahr 2014 ein Trojaner in meinen Rechner eingeschleust worden. Das ist auch durch das Bundesinstitut der Sicherheit der Informationsdienste bemerkt worden. Damit war das Thema erledigt. Und es ist schon sehr erstaunlich, wenn man zweieinhalb Jahre später von einem amerikanischen Nachrichtensender damit konfrontiert wird, dass dieser Trojaner, der damals Mini-Duke hieß, genau derselben Hackergruppe entstammt, die die Kampagne von Hillary Clinton gehackt hat, dass diese Trojaner inzwischen auch einen Namen haben und die Hackergruppen APT 28 und 29 zum FSB und zum GRU gehören, also zum russischen Inlands- und Auslandsgeheimdienst. Das ist schon erstaunlich, dass so eine Nachricht hier im Haus keine Unruhe hervorruft."
    Kehrtwende des russischen Präsidenten vor zehn Jahren
    Es sind jeweils Putin-Kritiker, die ins Visier der russischen Angreifer geraten. So auch Frankreichs derzeit aussichtsreichster Präsidentschaftskandidat Emmanuel Macron. Während die rechtsextreme Kandidatin Marine Le Pen von Russland sowohl Kredite erhält als auch mit wohlwollender Berichterstattung bedacht wird, hat Macron eine Hetzkampagne erlebt, deren Urheber in Russland vermutet werden.
    Der Kampf gegen Angela Merkel ist weniger persönlicher Natur, sondern politischer ausgelegt. Stefan Meister von der Gesellschaft für Auswärtige Politik nennt die wichtigste Stoßrichtung:
    "Also vor allem ihre Flüchtlingspolitik zu thematisieren. Und dann geht’s natürlich darum, eben nicht über Russland zu berichten, sondern es geht darum, die Schwächen, die hier da sind in der Gesellschaft, in der EU-Politik, in der deutschen Politik darzustellen und den Parteien und Gruppierungen eine Plattform zu geben, die dieses System kritisieren. Also sei es jetzt die AFD, sei es in Teilen auch die Linkspartei, seien es rechts- und linkspopulistische Gruppen, "Pegida" zum Beispiel, die auch in den russischen Auslandsmedien sehr stark eine Plattform bekommen."
    Putins Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2007, vor genau zehn Jahren, gilt als Beginn der Kehrtwende des russischen Präsidenten. Hatte seit dem Zerfall der Sowjetunion mancher sogar schon von einer NATO-Mitgliedschaft Russlands geträumt, gab es nun ein schrilles Erwachen. Die Töne gegen die westliche Demokratie wurden stetig schärfer. Alexander Rahr, Politologe und Berater für den russischen Erdgas-Lieferanten Gazprom, erklärt, was seiner Meinung nach Grund für die Abkehr Russlands vom Westen ist.
    Der russische Präsident Wladimir Putin und US-Verteidigungsminister Robert Gates auf der Sicherheitskonferenz in München
    Der russische Präsident Wladimir Putin und US-Verteidigungsminister Robert Gates auf der Sicherheitskonferenz 2007 in München. (AP)
    "Also ich glaube, dass ein Auslöser des Konflikts der Wertestreit ist und nicht Geopolitik. Der Westen, der versucht hat, nach dem Sieg im Kalten Krieg ein liberales Modell nicht nur in Europa, sondern auch außerhalb der transatlantischen Gemeinschaft zu errichten, jedenfalls zu unterstützen. Das Problem war in der Tat die Ukraine. Wenn die Ukraine zurück nach Russland fällt, kann Russland wieder ein Imperium werden. Wenn die Ukraine aus Russland herausgerissen wird, wird Russland immer schwächer."
    Kremlpropagandisten und Rechtspopulisten Hand in Hand
    Dass die Ukraine nur gewaltsam an Russlands Seite gehalten werden könnte, nimmt Moskau wie früher die Sowjetunion in Kauf. Mit einem eigenen attraktiven Gesellschaftsentwurf kann der Kreml nicht aufwarten. Seine Offerte lautet: Autokratie. Gleichzeitig wird die westliche Demokratie diffamiert. Aus Überzeugung oder Naivität finden sich dafür in Deutschland zahlreiche Unterstützer.
    Kremlpropagandisten und Rechtspopulisten arbeiten Hand in Hand, woraus eine Win-win-Situation für beide entsteht. Auch so mancher deutsche Linke hat längst seinen Kompass verloren und springt auf diesen Moskau-Zug auf. Zum Beispiel die Aktivisten der Montagsdemonstrationen, die den deutschen Ex-Außenminister Steinmeier als Kriegstreiber beschimpften. Marieluise Beck musste sich ähnliche Vorwürfe gefallen lassen.
    "Die Montagsdemos sind aber bereits lange hops genommen worden durch rechte Kräfte. Ein grüner Landesverband, der sich als links empfindet und nicht durchschaut, dass hier Montagsdemo links längst durch rechts abgelöst worden ist, bekommt Sorge, dass seine Wählermilieus, die auch links sind, sich abwenden könnten, wenn eine solche inkriminierte Person, die als Kriegstreiberin dort denunziert wird, ihre Kandidatin sein könnte und trommelt, dass man diese Kandidatin lieber zurückziehen möge, um nicht eine offene Flanke nach links zu haben."
    Nicht nur, aber auch die Bremer Grünen haben ihre Orientierung verloren. Für sie saß die profilierte osteuropapolitische Sprecherin Marieluise Beck Jahrzehnte lang im Bundestag. Bei der kommenden Wahl im September wurde sie nicht mehr aufgestellt. Ideologen unterschiedlicher Couleur haben immer noch nicht erkannt, dass die Gräben längst nicht mehr zwischen Links und Rechts verlaufen, sondern zwischen Liberalen und Autokratie-Anhängern. Dass die Verwirrstrategie aufgeht, zeigt der Fall der Grünen Beck:
    "Wenn diese entsprechende Kandidatin oder Kandidat dann rausgekegelt worden ist, kann man im Kreml einen kleinen Strich an die Wand machen."
    Institut eines Putin-Vertrauten in Berlin
    Die russische Führung lässt sich den Einsatz der sogenannten Softpower etwas kostet, scheut weder Mittel noch Wege, beobachtet Stefan Meister von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, DGAP.
    "Wir sehen auch, dass mehr Geld nach Deutschland fließt, dass sowohl die Auslandsmedien hier auch massiv aufgebaut worden sind, aber auch bestimmte Netzwerke, Stiftungen, die Gorschakow-Stiftung, Russki Mir, verstärkt hier auch kooperieren. Also wir sehen die Aktivitäten russischer Institutionen, die auch staatliche Gelder bekommen, sind massiv gewachsen in Deutschland und man hat eben auch inzwischen ausprobiert, was so funktioniert in den einzelnen Ländern, sowohl in den USA als auch in den EU-Ländern."
    Eine Limousine kommt vor dem Bundesaußenministerium an.
    Das Auswärtige Amt in Berlin. (picture alliance / dpa / Kay Nietfeld)
    Mit Argwohn wird die Tätigkeit eines neuen Forschungsinstituts in Berlin beobachtet, das vor allem von dem Putin-Vertrauten Wladimir Jakunin finanziert wird. Headhunter versuchten, deutsche Osteuropa-Experten anzuwerben, aber keiner heuerte an, weil alle um ihre Reputation fürchteten. Geleitet wird das Research Institute "Dialogue of Civilizations" seit Kurzem von einem Inder, Pooran Chandra Pandey. Der Unternehmensberater war überrascht, auf welches Misstrauen der von den russischen Geldgebern ausgehaltene Think Tank in Deutschland trifft, weil Experten ihn für einen verlängerten Arm Moskaus halten.
    "Wenn wir eine Russland-Agenda hätten, hätte man kaum mich, einen Inder, für die Leitung dieses Think Tanks in Berlin ausgewählt. Das heißt, dass das Management und Eigentümer voneinander getrennt agieren. Wir werden uns sehr um Partnerschaft, Zusammenarbeit, Verlässlichkeit, Transparenz und Offenheit bemühen."
    Einmischung sollte Konsequenzen haben
    Selbst der Russland-Beauftragte der Bundesregierung Gernot Erler von der SPD reagierte vielmehr skeptisch als erfreut auf das Institut, das schon im Namen eine Kampfansage enthält.
    "'Dialogue of Civilizations' ist schon eine politische Botschaft, weil es gibt nicht eine Zivilisation mit allgemein verbindlichen Werten und Prinzipien, sondern es gibt halt verschiedene. Die differieren, von dem, was in Westeuropa vielleicht gültig sein mag. Es gibt eben verschiedene Zivilisationen."
    Die Osteuropa-Expertin Stefanie Schiffer hat mehrere Nichtregierungsorganisationen gegründet, die in Russland und in der Ukraine demokratische Kräfte unterstützen. Die russische Regierung knebelt die eigene Zivilbevölkerung seit den Massenprotesten gegen die gefälschte Parlamentswahl 2011. Russische Institutionen in Deutschland und Europa können dagegen ihre Botschaften ungehindert platzieren. Die NGO-Aktivistin Schiffer mahnt Folgen an, sollte Russland den Bundestagswahlkampf stören.
    "Wenn das doch der Fall sein wird, dann müssen politische Konsequenzen gezogen werden, die sicher nicht zu einer Verbesserung des deutsch-russischen Verhältnisses führen würden. Das wäre sehr bedauerlich. Deswegen muss man hoffen, dass die russische Führung sich zurückhält und nicht interferiert und nicht eingreift in den deutschen Bundestagswahlkampf, was ja auch rechtswidrig wäre, und andererseits natürlich, dass es auch Selbstschutzmaßnahmen gibt, die jetzt ergriffen werden müssen."
    Russland nicht zu ernst nehmen
    Stefan Meister, Osteuropa-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, verweist auf Schweden, Finnland und die baltischen Länder, die sich seiner Meinung nach inzwischen gegen die russische Einflussnahme besser wappnen, indem sämtliche Sicherheitsorgane ihre Tätigkeiten koordinieren. Das sei in Deutschland noch nicht der Fall.
    "Das Außenministerium, der Verfassungsschutz, der BND, das Kanzleramt, die beschäftigen sich jetzt alle mit Desinformation und Propaganda und diesen Themen. Es fehlt eine Koordination, was läuft alles. Weil wir haben momentan etwas die Tendenz. Während wir bis zum Lisa-Fall unterschätzt haben, was da läuft, glaube ich, überschätzen wir jetzt eigentlich, was Russland alles macht und kann. Und wir kommen in so eine Panikspirale, auch in so eine Angstspirale, was da alles manipuliert werden könnte. Und das ist für mich fast erfolgreicher sozusagen von russischer Seite, als das, was wirklich eigentlich gemacht wird. Also dass man wirklich Angst verbreitet. In den USA hat das ja auch funktioniert, ja. Wir haben im Prinzip alle Mittel hier in der Gesellschaft, in den Medien, um darauf adäquat zu reagieren. Wir müssen es nur ernst genug nehmen, wir dürfen es nicht zu ernst nehmen."
    Ein Mitarbeiter arbeitet an einem Computermonitor, auf dem ein Quellcode angezeigt wird.
    Die Sorge vor einer Wahlmanipulation durch erfundene Meldungen im Internet wächst in der Politik. (dpa)
    Deutschland sei alles andere als ausgeliefert, sondern könne sich wappnen, stimmt Stefanie Schiffer zu und nennt Möglichkeiten.
    "Im Bereich Cybersecurity, aber auch im Bereich Aufklärung, im Bereich Kommunikation. Ich denke auch, dass zum Beispiel der Bundestag mehr darauf achten muss, auf Lobbytätigkeit von Abgeordneten, auf Transparenz von Parteispenden. Das sind alles Dinge, wo wir und unsere Institutionen uns einfach besser schützen können."
    Gegen gezielte Fake News hilft nur Aufklärung
    Wie gegen Hillary Clinton könnte es auch gegen kremlkritische deutsche Politiker sogenannte Kompromate, kompromittierendes Material, geben. Der Kreml hat eine Menge Giftpfeile im Köcher, ist die Bundestagsabgeordnete Beck überzeugt.
    "Warum sind eigentlich die Daten, die hier durch den großen Hackerangriff auf den Deutschen Bundestag abgeflossen sind, von denen niemand weiß, was und wie viel es war, warum sind diese Daten noch nicht in der Öffentlichkeit erschienen? Man kann mutmaßen, dass die tröpfchenweise gegen genau diejenigen, die man hier rausschießen möchte, zur rechten Zeit vor der Wahl aufgetischt werden."
    Neben Wachsamkeit gegenüber gezielten Fake News hilft nur Aufklärung, ist man sich in Berlin einig. Doch Faktenchecks, die Entlarvung von Lügen kommt einem Hase-und-Igel-Wettlauf gleich. Auf dem EU-Gipfel im März 2015 wurde eine Arbeitsgruppe beschlossen, die seit September vergangenen Jahres Falschmeldungen aus Russland sammelt und widerlegt. Wöchentlich gibt diese Taskforce eine "Disinformation Review" in 18 Sprachen heraus. Bislang hat sie sich über 2.500 russische Falschmeldungen vorgenommen.
    Verringerung der Osteuropa-Forschung war ein Fehler
    Die Bundesregierung hat soeben ein neues "Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien", gegründet, kurz ZOIS. Geleitet wird es von der Politologin Gwendolyn Sasse.
    "Ich will den Begriff Propaganda, Gegenpropaganda nicht verwenden. Mir ist klar, dass Regierungen oder auch die EU, die da gerade weitere Mittel da hineinsetzt, auch gezielt Aussagen, Falschaussagen dementieren muss, und ihre Politik erklären muss. Im Endeffekt wird das immer nur ein kleiner Teil sein, der eine Auswirkung auf die Verbreitung dieser Falschnachrichten und Propaganda hat. Aber das Gute ist an uns, dass wir, soweit wir unsere Forschungsarbeit vertreten können und damit in die Öffentlichkeit treten, ist das eine andere Art von sozusagen Verteidigung unserer Fakten oder unserer Interpretation von Fakten."
    Der Russland-Beauftragte der Bundesregierung Gernot Erler (SPD) steht am 06.12.2016 in Hamburg im Rathaus.
    Gernot Erler (SPD), Russland-Beauftragter der Bundesregierung, hier im Hamburger Rathaus (pa / dpa / Daniel Bockwoldt)
    Der SPD-Russlandexperte Erler sieht in dem neuen Institut, das vom Auswärtigen Amt finanziert wird, eine überfällige Kurskorrektur. Nach dem Ende des Kalten Krieges die Osteuropa-Forschung zurückzufahren, sei ein großer Fehler gewesen.
    "Das war ja ein ganz weit verbreitetes Gefühl damals, dass jetzt die Friedensdividende kommt, und man hat damals das BIOST dann aufgelöst, man hat Expertise zusammengefasst, aber auch reduziert, was Osteuropa und was die Nachfolgestaaten der Sowjetunion angeht. Und dann hat sich herausgestellt, dass diese Reduktion nicht angemessen war, weil sich aus einem Land wie der Sowjetunion, 15 verschiedene Länder wurden. Was also auch den Bedarf an Beratung deutlich erhöht hat, weil die alten Spezialisten nicht automatisch auch – für was weiß ich - für Kasachstan oder Tadschikistan ausreichende Kenntnisse hatten. Und dann kam dazu, dass so sehr friedlich sich das nicht weiterentwickelt hat, sodass der Bedarf nach Expertise dadurch noch gewachsen ist."
    Die Wahl Trumps hat die Gemengelage komplizierter gemacht
    Das politische Berlin macht sich auch auf Überraschungen im russisch-amerikanischen Verhältnis unter dem neuen Präsidenten Donald Trump gefasst. Auch auf die Auswirkungen für Europa. Einen Vorgeschmack gaben Trumps Äußerungen zu einer möglichen Lockerung der Sanktionen. Die ließ er zwar über seine UN-Botschafterin wieder zurücknehmen, doch längst stellten Experten Überlegungen an, ob Trump Putin die Krim, gar die Ukraine überlässt, wenn sich denn Russland am Kampf gegen die Terrororganisation IS beteiligt. Der Politologe Stefan Meister von der DGPA hält das für wenig wahrscheinlich.
    "Was kann Russland eigentlich Trump bieten? Putin könnte den IS mitbekämpfen, aber wir sehen jetzt schon, dass Russland sehr sehr vorsichtig ist, sich stärker in den Kampf gegen den IS hineinziehen zu lassen, sowohl aus innenpolitischen Gründen, also weil das auch nach Russland reinspielen kann mit den muslimischen Minderheiten, aber auch eine Ressourcenfrage für Moskau ist."
    Die Wahl Trumps hat die Gemengelage nicht übersichtlicher, sondern komplizierter gemacht. Viele verlieren die Orientierung. Selbst die Einteilung, wer Freund und wer Feind ist, ist nicht leichter geworden.
    "Wir selber sehen Russland nicht als Feind. Ich würde eher sagen, dass wir in einem umfassenden Konflikt sind, dass es auch eine Gefahr von militärischen Auseinandersetzungen gibt, dass eine Gefahr auch von Unfällen gibt. Ja, und dass es letztlich für die russische Führung, die wir im Moment haben, keine roten Linien gibt. Und wir müssen diese roten Linien definieren und wir müssen auch klar machen, dass wir zu dieser roten Linie stehen. Also, dass es auch wehtut sozusagen, wenn man diese roten Linien überschreitet."
    Eine russische Einmischung in den Bundeswahlkampf hätte wohl Folgen. Weitere Sanktionen nicht ausgeschlossen.