Arnold: Schönen guten Morgen.
Meurer: Gestern Abend haben Sie sich ja mit den anderen Obleuten des Ausschusses und mit Peter Struck, dem Verteidigungsminister getroffen. Sind Sie unzufrieden, dass Sie noch nicht die Namen der Standorte genannt bekamen?
Arnold: Nein, ich bin nicht unzufrieden, weil ich großes Verständnis dafür habe, dass der Minister sagt: "Die Truppe soll nicht aus der Zeitung erfahren, wo geschlossen wird." Sondern heute früh zu dieser Stunde haben die örtlichen Kommandeure den Auftrag, ihre Soldatinnen und Soldaten über Standortschließungen zu informieren und ich glaube, dass ist ein korrektes Verfahren. Vielleicht war es nicht ganz glücklich, am Abend vorher die Obleute zum Gespräch einzuladen.
Meurer: Über was haben Sie dann überhaupt gestern Abend gesprochen?
Arnold: Wir haben über strukturelle Fragen gesprochen, also wie viel Bataillone werden es weniger in den einzelnen Teilbereichen von Heer und Luftwaffe. Wir haben über die Frage der Sportförderung, wie kann sie weiter gesichert werden, gesprochen. Also eher über grundsätzliche Strukturen, nicht über Standortgenaue Details.
Meurer: Müssen es wirklich über 100 Standorte sein, die der Streichliste zum Opfer fallen?
Arnold: Man muss ja sehen, von diesen 100 Standorten ist über die Hälfte gar nicht relevant. Es sind sehr kleine Standorte, die eigentlich gar nicht zu der Bezeichnung "Standort" passen. Das sind Verwaltungsstellen. Und insofern sind es noch fünfzig, die in hohem Umfang tangiert sind. Davon sind auch viele bei vier- bis fünfhundert Soldaten, das schmerzt schon, und es ist ein richtiges Dutzend, die über 1000 Soldaten haben, was natürlich für eine Kommune strukturell eine sehr schwierige Situation sein wird.
Meurer: Wird wirklich nach rein militärischen Kriterien entschieden?
Arnold: Zunächst mal zählt die militärische Anforderung, es zählt aber natürlich auch die Wirtschaftlichkeit, die Betriebswirtschaft. Aber gleichzeitig hat man natürlich auch ein Auge darauf, dass die Bundeswehr in der Region schon noch verteilt sein muss. Das hat was mit Vorsorge für Katastrophen zu tun, das hat aber auch was mit Nachwuchsgewinnung zu tun. Wir wissen ja, die jungen Soldatinnen und Soldaten kommen aus erster Linie aus diesen Gegenden, wo die Bundeswehr präsent ist.
Meurer: Da befürchten ja gerade die Sachsen zum Beispiel, dass die Bundeswehr eben nicht mehr in der Fläche sein wird, um bei Katastrophen zu helfen, also bei einer neuen Flutkatastrophe beispielsweise.
Arnold: Ja, aber die Befürchtungen sind unberechtigt, wie sich heute herausstellen wird.
Meurer: Und welche sind berechtigt?
Arnold: Die Befürchtungen, die Sachsen hatte, also dass es diesen ganz, ganz gravierenden Einschnitt gibt. Ich denke, der Minister hat sicherlich was entschieden, was Sachsen doch ein gutes Stück entgegen kommt. Man muss sehen, die Militärs haben in erster Linie nach militärischen Anforderungen ihre Vorlage gemacht und dann gab es ja am vergangenen Wochenende diese Leitungstagung im Ministerium und ich gehe davon aus, dass der Verteidigungsminister natürlich auch einen Blick für die strukturpolitischen Erfordernisse in Sachsen hatte.
Meurer: Er behauptet aber, er ist nicht der Struktur- und Infrastrukturminister.
Arnold: Das ist er sicher nicht, aber im eigenen Interesse der Bundeswehr muss man schon darauf achten, dass die Truppe noch präsent ist in den Regionen, weil es - ich sagte es schon - in hohem Maße mit der Nachwuchsgewinnung zu tun hat.
Meurer: Denken Sie, die 105 Namen, die heute Mittag genannt werden, dass das das letzte Wort des Ministers ist?
Arnold: Wir haben eine Reform der Bundeswehr auf den Weg gebracht, die im Jahr 2010 eingenommen wird und mit der Perspektive dieser Reform ist es das letzte Wort. Das schließt nicht aus, dass bei der Nachjustierung das eine oder andere Kleine sicherlich immer mal wieder gerüttelt wird. Das heißt im Klartext: So lange die sicherheitspolitische Bewertung so ist, wie wir sie im Augenblick analysieren, mit der Notwendigkeit der Bundeswehr, Krisenbewältigung im ganzen Spektrum zu können, hat diese Reform auch Bestand. Aber wer von uns weiß, wie die Welt in zehn bis 15 Jahren aussieht?
Meurer: Wenn so viele Standorte geschlossen werden und man nicht weiß, wie diese Welt in 15 Jahren aussieht, wird die territoriale Verteidigungsfähigkeit Deutschlands geschwächt?
Arnold: Ich sehe das überhaupt nicht so, weil die Verteidigungsfähigkeit im Lande auf gar keinen Fall mehr selbst im Lande ausgeführt wird. Wir haben im Osten neue Nato-Partner und natürlich wird man nicht warten, bis Risiken bei uns an der Grenze stehen. Man wird ihnen dort begegnen, wo sie entstehen. Deshalb ist dieses klassische Denken der Landesverteidigung nicht mehr notwendig. Was aber weiterhin sein muss ist, die Bundeswehr muss im Rahmen der geltenden Verfassung im Katastrophenfall natürlich im Inneren helfen können. Dies kann sie aus meiner Sicht aber auch.
Meurer: Wie sollte der Bund ihrer Meinung nach, Herr Arnold, den betroffenen Regionen helfen, wenn jetzt Arbeitsplätze verloren gehen?
Arnold: Zunächst mal muss man daran erinnern, dass der Verteidigungsminister Rühe 1993 Ländern zwei Prozent höheren Mehrwertsteueranteil gegeben hat als Konversionsmaßnahmen. Dieser Anteil wurde fortgeschrieben und insofern können die Länder auch jetzt dieses Geld den Gemeinden zur Verfügung stellen.
Meurer: Also vom Bund kommt nichts mehr?
Arnold: Nein. Aber dann hat der Bund natürlich auch die Möglichkeit, im Bereich der Städtebauförderung über das Wohnungsbauministerium mitzuhelfen und dann hat der Bund vor allem eine koordinierende Funktion, Kommunen, Finanzministerium, Verteidigungsministerium an den Tisch zu bringen und natürlich kann der Bund hier und da auch durch sehr faire Grundstückspreise den örtlichen Politikern helfen.
Meurer: Was könnte der Bund sonst noch tun? Könnte es direkte Hilfszahlungen geben in dreistelliger Millionenhöhe wie es aus der Opposition heißt?
Arnold: Nein, das macht überhaupt keinen Sinn, wenn man hier falsche Erwartungen weckt. Die Bundeskassen sind leer, insofern hat es keinen Sinn, Versprechungen zu machen. Es ist auch nicht die Aufgabe des Bundes, den Kommunen Geld zu geben. Hier sind die Länder gefordert und der Bund kann mit einigen Dingen durchaus helfen. Ich nenne mal ein Beispiel: Dort, wo Kommunen entwicklungsfähig sind, kann natürlich die Gesellschaft bei Entwicklung, Beschäftigung und Betrieb der Bundeswehr mithelfen, auch Finanziers an den Tisch zu holen. Der Bund kann mithelfen dort, wo Altlasten sind, diese zu beseitigen und vieles andere mehr. Aber direkte Zuwendungen sind im Bundeshaushalt nicht machbar.
Meurer: Wie wahrscheinlich ist es Ihrer Meinung nach, dass es bei den Standortschließungen bei der betroffenen Region bergab geht?
Arnold: Also ich habe in Baden-Württemberg manche Regionen ja sehr genau beobachtet und gesehen, dass nach diesem ersten Schock auch neues, kreatives Potenzial in den Gemeinden frei gesetzt wurde. Neuhausen Op Eck, strukturschwach, im Süden Württembergs: Dort haben sie es mit Hilfe der Landesregierung, mit Hilfe auch von einer verbesserten Verkehrsinfrastruktur geschafft, ein interessantes Gewerbegebiet zu machen. Bei der letzten Standortschließung Münzingen sind mittendrin und haben hervorragende Ideen, was man sowohl aus dem Standort selbst, als auch aus dem Truppenübungsplatz machen kann. Ich gebe aber zu, es gibt aber auch Gegenden, wo dies ungleich schwieriger wird als in Baden-Württemberg. Ideen sind gefragt und die Welt geht weiter in diesen Kommunen, dies war meine Beobachtung in den letzten Jahren.
Meurer: Herr Arnold, ich bedanke mich für das Gespräch. Auf Wiederhören!
Arnold: Ich bedanke mich auch, schönen Tag noch.
Meurer: Gestern Abend haben Sie sich ja mit den anderen Obleuten des Ausschusses und mit Peter Struck, dem Verteidigungsminister getroffen. Sind Sie unzufrieden, dass Sie noch nicht die Namen der Standorte genannt bekamen?
Arnold: Nein, ich bin nicht unzufrieden, weil ich großes Verständnis dafür habe, dass der Minister sagt: "Die Truppe soll nicht aus der Zeitung erfahren, wo geschlossen wird." Sondern heute früh zu dieser Stunde haben die örtlichen Kommandeure den Auftrag, ihre Soldatinnen und Soldaten über Standortschließungen zu informieren und ich glaube, dass ist ein korrektes Verfahren. Vielleicht war es nicht ganz glücklich, am Abend vorher die Obleute zum Gespräch einzuladen.
Meurer: Über was haben Sie dann überhaupt gestern Abend gesprochen?
Arnold: Wir haben über strukturelle Fragen gesprochen, also wie viel Bataillone werden es weniger in den einzelnen Teilbereichen von Heer und Luftwaffe. Wir haben über die Frage der Sportförderung, wie kann sie weiter gesichert werden, gesprochen. Also eher über grundsätzliche Strukturen, nicht über Standortgenaue Details.
Meurer: Müssen es wirklich über 100 Standorte sein, die der Streichliste zum Opfer fallen?
Arnold: Man muss ja sehen, von diesen 100 Standorten ist über die Hälfte gar nicht relevant. Es sind sehr kleine Standorte, die eigentlich gar nicht zu der Bezeichnung "Standort" passen. Das sind Verwaltungsstellen. Und insofern sind es noch fünfzig, die in hohem Umfang tangiert sind. Davon sind auch viele bei vier- bis fünfhundert Soldaten, das schmerzt schon, und es ist ein richtiges Dutzend, die über 1000 Soldaten haben, was natürlich für eine Kommune strukturell eine sehr schwierige Situation sein wird.
Meurer: Wird wirklich nach rein militärischen Kriterien entschieden?
Arnold: Zunächst mal zählt die militärische Anforderung, es zählt aber natürlich auch die Wirtschaftlichkeit, die Betriebswirtschaft. Aber gleichzeitig hat man natürlich auch ein Auge darauf, dass die Bundeswehr in der Region schon noch verteilt sein muss. Das hat was mit Vorsorge für Katastrophen zu tun, das hat aber auch was mit Nachwuchsgewinnung zu tun. Wir wissen ja, die jungen Soldatinnen und Soldaten kommen aus erster Linie aus diesen Gegenden, wo die Bundeswehr präsent ist.
Meurer: Da befürchten ja gerade die Sachsen zum Beispiel, dass die Bundeswehr eben nicht mehr in der Fläche sein wird, um bei Katastrophen zu helfen, also bei einer neuen Flutkatastrophe beispielsweise.
Arnold: Ja, aber die Befürchtungen sind unberechtigt, wie sich heute herausstellen wird.
Meurer: Und welche sind berechtigt?
Arnold: Die Befürchtungen, die Sachsen hatte, also dass es diesen ganz, ganz gravierenden Einschnitt gibt. Ich denke, der Minister hat sicherlich was entschieden, was Sachsen doch ein gutes Stück entgegen kommt. Man muss sehen, die Militärs haben in erster Linie nach militärischen Anforderungen ihre Vorlage gemacht und dann gab es ja am vergangenen Wochenende diese Leitungstagung im Ministerium und ich gehe davon aus, dass der Verteidigungsminister natürlich auch einen Blick für die strukturpolitischen Erfordernisse in Sachsen hatte.
Meurer: Er behauptet aber, er ist nicht der Struktur- und Infrastrukturminister.
Arnold: Das ist er sicher nicht, aber im eigenen Interesse der Bundeswehr muss man schon darauf achten, dass die Truppe noch präsent ist in den Regionen, weil es - ich sagte es schon - in hohem Maße mit der Nachwuchsgewinnung zu tun hat.
Meurer: Denken Sie, die 105 Namen, die heute Mittag genannt werden, dass das das letzte Wort des Ministers ist?
Arnold: Wir haben eine Reform der Bundeswehr auf den Weg gebracht, die im Jahr 2010 eingenommen wird und mit der Perspektive dieser Reform ist es das letzte Wort. Das schließt nicht aus, dass bei der Nachjustierung das eine oder andere Kleine sicherlich immer mal wieder gerüttelt wird. Das heißt im Klartext: So lange die sicherheitspolitische Bewertung so ist, wie wir sie im Augenblick analysieren, mit der Notwendigkeit der Bundeswehr, Krisenbewältigung im ganzen Spektrum zu können, hat diese Reform auch Bestand. Aber wer von uns weiß, wie die Welt in zehn bis 15 Jahren aussieht?
Meurer: Wenn so viele Standorte geschlossen werden und man nicht weiß, wie diese Welt in 15 Jahren aussieht, wird die territoriale Verteidigungsfähigkeit Deutschlands geschwächt?
Arnold: Ich sehe das überhaupt nicht so, weil die Verteidigungsfähigkeit im Lande auf gar keinen Fall mehr selbst im Lande ausgeführt wird. Wir haben im Osten neue Nato-Partner und natürlich wird man nicht warten, bis Risiken bei uns an der Grenze stehen. Man wird ihnen dort begegnen, wo sie entstehen. Deshalb ist dieses klassische Denken der Landesverteidigung nicht mehr notwendig. Was aber weiterhin sein muss ist, die Bundeswehr muss im Rahmen der geltenden Verfassung im Katastrophenfall natürlich im Inneren helfen können. Dies kann sie aus meiner Sicht aber auch.
Meurer: Wie sollte der Bund ihrer Meinung nach, Herr Arnold, den betroffenen Regionen helfen, wenn jetzt Arbeitsplätze verloren gehen?
Arnold: Zunächst mal muss man daran erinnern, dass der Verteidigungsminister Rühe 1993 Ländern zwei Prozent höheren Mehrwertsteueranteil gegeben hat als Konversionsmaßnahmen. Dieser Anteil wurde fortgeschrieben und insofern können die Länder auch jetzt dieses Geld den Gemeinden zur Verfügung stellen.
Meurer: Also vom Bund kommt nichts mehr?
Arnold: Nein. Aber dann hat der Bund natürlich auch die Möglichkeit, im Bereich der Städtebauförderung über das Wohnungsbauministerium mitzuhelfen und dann hat der Bund vor allem eine koordinierende Funktion, Kommunen, Finanzministerium, Verteidigungsministerium an den Tisch zu bringen und natürlich kann der Bund hier und da auch durch sehr faire Grundstückspreise den örtlichen Politikern helfen.
Meurer: Was könnte der Bund sonst noch tun? Könnte es direkte Hilfszahlungen geben in dreistelliger Millionenhöhe wie es aus der Opposition heißt?
Arnold: Nein, das macht überhaupt keinen Sinn, wenn man hier falsche Erwartungen weckt. Die Bundeskassen sind leer, insofern hat es keinen Sinn, Versprechungen zu machen. Es ist auch nicht die Aufgabe des Bundes, den Kommunen Geld zu geben. Hier sind die Länder gefordert und der Bund kann mit einigen Dingen durchaus helfen. Ich nenne mal ein Beispiel: Dort, wo Kommunen entwicklungsfähig sind, kann natürlich die Gesellschaft bei Entwicklung, Beschäftigung und Betrieb der Bundeswehr mithelfen, auch Finanziers an den Tisch zu holen. Der Bund kann mithelfen dort, wo Altlasten sind, diese zu beseitigen und vieles andere mehr. Aber direkte Zuwendungen sind im Bundeshaushalt nicht machbar.
Meurer: Wie wahrscheinlich ist es Ihrer Meinung nach, dass es bei den Standortschließungen bei der betroffenen Region bergab geht?
Arnold: Also ich habe in Baden-Württemberg manche Regionen ja sehr genau beobachtet und gesehen, dass nach diesem ersten Schock auch neues, kreatives Potenzial in den Gemeinden frei gesetzt wurde. Neuhausen Op Eck, strukturschwach, im Süden Württembergs: Dort haben sie es mit Hilfe der Landesregierung, mit Hilfe auch von einer verbesserten Verkehrsinfrastruktur geschafft, ein interessantes Gewerbegebiet zu machen. Bei der letzten Standortschließung Münzingen sind mittendrin und haben hervorragende Ideen, was man sowohl aus dem Standort selbst, als auch aus dem Truppenübungsplatz machen kann. Ich gebe aber zu, es gibt aber auch Gegenden, wo dies ungleich schwieriger wird als in Baden-Württemberg. Ideen sind gefragt und die Welt geht weiter in diesen Kommunen, dies war meine Beobachtung in den letzten Jahren.
Meurer: Herr Arnold, ich bedanke mich für das Gespräch. Auf Wiederhören!
Arnold: Ich bedanke mich auch, schönen Tag noch.