Christine Heuer: Die Vereinten Nationen, Europa und auch Deutschland denken gerade nach über eine neue Friedenstruppe an der israelisch-libanesischen Grenze. Nicht ausgeschlossen, dass an einer solchen Mission, sollte sie denn kommen, auch wieder deutsche Soldaten beteiligt wären. Dabei sind deren Einsätze in Afghanistan und im Kongo von Gewalt überschattet, schlecht gestaltet, oder beides, je nachdem, wie weit die Mission gediehen ist, sagen Kritiker. Zu deren Entschiedensten gehört, jedenfalls was den Kongo angeht, der Chef des Deutschen Bundeswehr-Verbandes, Oberst Bernhard Gertz. Er sieht sich gerade vor Ort an, was die Bundeswehrsoldaten im Kongo leisten sollen und was sie dort leisten können. Mein Kollege Wolfgang Labuhn begleitet Bernhard Gertz, und er hat für uns ein Interview mit ihm geführt.
Labuhn: Herr Gertz, Sie hatten in Kinshasa Gelegenheit, sich vor Ort über den Start der EUFOR-RD-Kongo-Mission zu unterrichten, soweit das deutsche Kontingent betroffen ist. Welche Eindrücke haben Sie bisher sammeln können?
Bernhard Gertz: Unsere Soldaten arbeiten professionell daran, die Rahmenbedingungen für den Einsatz herzustellen, der ja offiziell erst am 30. Juli beginnt. Aber es gibt eine ganze Reihe von Widrigkeiten, die den Soldaten nicht gefallen und die auch, nach meiner Meinung, vermeidbar gewesen wären.
Labuhn: Zum Beispiel?
Gertz: Ja zum Beispiel ist, weil es sich angeblich bislang nur um ein Vorkommando handelt, keine Feldpostversorgung da. Es ist keine Marketenderversorgung da. Es ist für Betreuungsmaßnahmen nichts gemacht worden bisher. Die Unterkünfte sind noch nicht fertig, weil man einen spanischen Kontraktor damit beauftragt hat, Verpflegung und Unterkünfte bereitzustellen. Die Zelte stehen zwar, aber sie sind nicht klimatisiert. Die Klimaanlagen sind da, aber die Verbindungskabel fehlen. Verpflegung kann immer noch nicht ausgereicht werden. Und das ist etwas, was die Stimmung der Truppe natürlich beeinträchtigt.
Labuhn: Herr Gertz, während einer politischen Demonstration in Kinshasa im Zusammenhang mit dem Wahlkampf ist ein Fahrzeug der UNO-Truppe MONUC angezündet worden. Die EUFOR-Truppe soll mit deutscher Beteiligung ab dem Wahltag allein durch ihre Präsenz dazu beitragen, abschreckend zu wirken auf potenzielle Störer des Wahlprozesses und gegebenenfalls auch gefährdete Personen in Sicherheit bringen. Wie gefährlich ist nach Ihren bisherigen Beobachtungen eigentlich der Einsatz für die beteiligten Bundeswehrsoldaten hier?
Gertz: Es gibt von verschiedenen Gesprächspartnern in Kinshasa sehr unterschiedliche Bewertungen der Sicherheitssituation. Alle wissen, dass die Lage jederzeit explodieren kann, wenn einer der ehemaligen Milizenführer in der Übergangsregierung seine Milizen tatsächlich aktiviert. Und alle beobachten sehr aufmerksam, dass zum Beispiel ein Flugzeug aus Angola hier gelandet ist mit 400 Zivilisten an Bord, die dann im Gleichschritt das Flugzeug verlassen haben und von denen unsere Soldaten glauben, es sei die Prügelgarde von Präsident Kabila. Dass das nicht dazu beiträgt, dass ihr Sicherheitsgefühl steigt, kann ich nachvollziehen.
Labuhn: Rechnen Sie vor diesem Hintergrund damit, dass es bei dem Vier-Monate-Mandat für die EUFOR-Truppe bleibt?
Gertz: Ich habe das immer für eine äußerst optimistische Annahme gehalten, dass wir vier Monate nach dem ersten Wahltermin wieder zu Hause sind. Das hängt ja schließlich nicht zuletzt davon ab, ob die Wahltermine, die verschiedenen Wahlgänge, auch wirklich zeitgerecht durchgeführt werden können. Und es läuft nur, wenn sie störungsfrei sind. Also ich denke, theoretisch ist es nicht völlig ausgeschlossen, aber ich halte es für eine eher unwahrscheinliche Option.
Labuhn: Die EUFOR-RD-Kongo-Mission ist die erste große Operation in Afrika einer multinationalen EU-Truppe. Wie gut funktioniert nach Ihren Informationen hier die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen nationalen Kontingenten?
Gertz: Also wir haben ja eigentlich als NATO-Mitgliedsstaat große Erfahrung in der Zusammenarbeit mit Partnern, nicht nur in der EU, auch in der NATO. Aber es hängt dann auch davon ab, ob alle die Unternehmensphilosophie in gleicher Weise verkörpern. Die Unternehmensphilosophie für den EUFOR-Einsatz lautet offiziell und politisch korrekt: Wir sind neutral. Das heißt, wir sorgen für Sicherheit, aber unterstützen niemanden. Meine Gesprächspartner unter den Soldaten haben den Eindruck, dass unsere französischen Freunde das etwas abweichend sehen.
Labuhn: Können Sie das präzisieren?
Gertz: Also um es präziser zu formulieren: Jeder weiß, dass die Franzosen im Vorfeld Kabila unterstützt haben. Jeder weiß, dass die Franzosen auch durchaus Interessen in der Demokratischen Republik Kongo haben. Nicht zuletzt sind wir uns ja der Gefahr bewusst, dass EUFOR für die Präsidentengarde von Herrn Kabila gehalten werden könnte, und genau diesen Eindruck wollten wir eigentlich vermeiden. Wenn aber nur ein Teil der Truppe den Eindruck vermeiden will und ein anderer das mehr als Lippenbekenntnis pflegt, aber nicht inhaltlich, dann ist das eine gefährliche Situation.
Labuhn: Wie ist überhaupt die Stimmung unter den Soldaten? Sie haben ja mit vielen gesprochen. Wie beurteilt man den Sinn dieses Einsatzes, jetzt nachdem die Aufbauphase fast abgeschlossen ist?
Gertz: Unsere Soldaten sind Profis, die denken über das Ob eines Einsatzes nicht vertieft nach, wenn der Bundestag das Mandat erteilt hat und die Regierung sie ins Land geschickt hat. Dann geht es um das Wie, um die Durchführung und darum, das Ganze möglichst ohne Opfer gut zu Ende zu bringen. Aber wenn man dann mit ihnen bei einer Tasse Bier zusammensitzt, dann kommt schon heraus, dass sie genauso wenig von der Sinnhaftigkeit überzeugt sind wie die Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland.
Labuhn: Wie sollte sich die Bundesrepublik Deutschland verhalten, falls nun auch eine Anfrage kommen sollte, Truppen unter UNO-Mandat in die sudanesische Unruheprovinz Darfur zu entsenden?
Gertz: Also bevor die Bundesregierung sich noch einmal entschließen sollte, ein Commitment gegenüber wem auch immer abzugeben, sollte sie ihr Marketing entscheidend verbessern und entweder die Bevölkerung hinter sich bringen und die Soldaten auch, oder aber die Finger von der Teilnahme an einer solche Operation lassen.
Heuer: Oberst Bernhard Gertz, der Chef des Deutschen Bundeswehr-Verbandes, im Interview mit meinem Kollegen Wolfgang Labuhn.
Labuhn: Herr Gertz, Sie hatten in Kinshasa Gelegenheit, sich vor Ort über den Start der EUFOR-RD-Kongo-Mission zu unterrichten, soweit das deutsche Kontingent betroffen ist. Welche Eindrücke haben Sie bisher sammeln können?
Bernhard Gertz: Unsere Soldaten arbeiten professionell daran, die Rahmenbedingungen für den Einsatz herzustellen, der ja offiziell erst am 30. Juli beginnt. Aber es gibt eine ganze Reihe von Widrigkeiten, die den Soldaten nicht gefallen und die auch, nach meiner Meinung, vermeidbar gewesen wären.
Labuhn: Zum Beispiel?
Gertz: Ja zum Beispiel ist, weil es sich angeblich bislang nur um ein Vorkommando handelt, keine Feldpostversorgung da. Es ist keine Marketenderversorgung da. Es ist für Betreuungsmaßnahmen nichts gemacht worden bisher. Die Unterkünfte sind noch nicht fertig, weil man einen spanischen Kontraktor damit beauftragt hat, Verpflegung und Unterkünfte bereitzustellen. Die Zelte stehen zwar, aber sie sind nicht klimatisiert. Die Klimaanlagen sind da, aber die Verbindungskabel fehlen. Verpflegung kann immer noch nicht ausgereicht werden. Und das ist etwas, was die Stimmung der Truppe natürlich beeinträchtigt.
Labuhn: Herr Gertz, während einer politischen Demonstration in Kinshasa im Zusammenhang mit dem Wahlkampf ist ein Fahrzeug der UNO-Truppe MONUC angezündet worden. Die EUFOR-Truppe soll mit deutscher Beteiligung ab dem Wahltag allein durch ihre Präsenz dazu beitragen, abschreckend zu wirken auf potenzielle Störer des Wahlprozesses und gegebenenfalls auch gefährdete Personen in Sicherheit bringen. Wie gefährlich ist nach Ihren bisherigen Beobachtungen eigentlich der Einsatz für die beteiligten Bundeswehrsoldaten hier?
Gertz: Es gibt von verschiedenen Gesprächspartnern in Kinshasa sehr unterschiedliche Bewertungen der Sicherheitssituation. Alle wissen, dass die Lage jederzeit explodieren kann, wenn einer der ehemaligen Milizenführer in der Übergangsregierung seine Milizen tatsächlich aktiviert. Und alle beobachten sehr aufmerksam, dass zum Beispiel ein Flugzeug aus Angola hier gelandet ist mit 400 Zivilisten an Bord, die dann im Gleichschritt das Flugzeug verlassen haben und von denen unsere Soldaten glauben, es sei die Prügelgarde von Präsident Kabila. Dass das nicht dazu beiträgt, dass ihr Sicherheitsgefühl steigt, kann ich nachvollziehen.
Labuhn: Rechnen Sie vor diesem Hintergrund damit, dass es bei dem Vier-Monate-Mandat für die EUFOR-Truppe bleibt?
Gertz: Ich habe das immer für eine äußerst optimistische Annahme gehalten, dass wir vier Monate nach dem ersten Wahltermin wieder zu Hause sind. Das hängt ja schließlich nicht zuletzt davon ab, ob die Wahltermine, die verschiedenen Wahlgänge, auch wirklich zeitgerecht durchgeführt werden können. Und es läuft nur, wenn sie störungsfrei sind. Also ich denke, theoretisch ist es nicht völlig ausgeschlossen, aber ich halte es für eine eher unwahrscheinliche Option.
Labuhn: Die EUFOR-RD-Kongo-Mission ist die erste große Operation in Afrika einer multinationalen EU-Truppe. Wie gut funktioniert nach Ihren Informationen hier die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen nationalen Kontingenten?
Gertz: Also wir haben ja eigentlich als NATO-Mitgliedsstaat große Erfahrung in der Zusammenarbeit mit Partnern, nicht nur in der EU, auch in der NATO. Aber es hängt dann auch davon ab, ob alle die Unternehmensphilosophie in gleicher Weise verkörpern. Die Unternehmensphilosophie für den EUFOR-Einsatz lautet offiziell und politisch korrekt: Wir sind neutral. Das heißt, wir sorgen für Sicherheit, aber unterstützen niemanden. Meine Gesprächspartner unter den Soldaten haben den Eindruck, dass unsere französischen Freunde das etwas abweichend sehen.
Labuhn: Können Sie das präzisieren?
Gertz: Also um es präziser zu formulieren: Jeder weiß, dass die Franzosen im Vorfeld Kabila unterstützt haben. Jeder weiß, dass die Franzosen auch durchaus Interessen in der Demokratischen Republik Kongo haben. Nicht zuletzt sind wir uns ja der Gefahr bewusst, dass EUFOR für die Präsidentengarde von Herrn Kabila gehalten werden könnte, und genau diesen Eindruck wollten wir eigentlich vermeiden. Wenn aber nur ein Teil der Truppe den Eindruck vermeiden will und ein anderer das mehr als Lippenbekenntnis pflegt, aber nicht inhaltlich, dann ist das eine gefährliche Situation.
Labuhn: Wie ist überhaupt die Stimmung unter den Soldaten? Sie haben ja mit vielen gesprochen. Wie beurteilt man den Sinn dieses Einsatzes, jetzt nachdem die Aufbauphase fast abgeschlossen ist?
Gertz: Unsere Soldaten sind Profis, die denken über das Ob eines Einsatzes nicht vertieft nach, wenn der Bundestag das Mandat erteilt hat und die Regierung sie ins Land geschickt hat. Dann geht es um das Wie, um die Durchführung und darum, das Ganze möglichst ohne Opfer gut zu Ende zu bringen. Aber wenn man dann mit ihnen bei einer Tasse Bier zusammensitzt, dann kommt schon heraus, dass sie genauso wenig von der Sinnhaftigkeit überzeugt sind wie die Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland.
Labuhn: Wie sollte sich die Bundesrepublik Deutschland verhalten, falls nun auch eine Anfrage kommen sollte, Truppen unter UNO-Mandat in die sudanesische Unruheprovinz Darfur zu entsenden?
Gertz: Also bevor die Bundesregierung sich noch einmal entschließen sollte, ein Commitment gegenüber wem auch immer abzugeben, sollte sie ihr Marketing entscheidend verbessern und entweder die Bevölkerung hinter sich bringen und die Soldaten auch, oder aber die Finger von der Teilnahme an einer solche Operation lassen.
Heuer: Oberst Bernhard Gertz, der Chef des Deutschen Bundeswehr-Verbandes, im Interview mit meinem Kollegen Wolfgang Labuhn.