Dirk Müller: Es ist ein Mammutprojekt und zugleich eine Zäsur in der Geschichte der Bundeswehr. Karl Theodor zu Guttenberg soll die Truppe kleiner machen, zugleich aber auch besser, schlagkräftiger. Er soll in den kommenden Jahren die Truppe moderner ausrüsten, zugleich aber Milliarden einsparen. Eine schwierige Reform, die nun etwas konkreter geworden ist in diesen Tagen. Da ist die Rede von finanziellen Anreizen für Neueinsteiger, von familienfreundlicheren Arbeitszeiten für die Soldaten und von Ausländern, die künftig in der Bundeswehr dienen sollen. Der Streit darüber ist voll entbrannt, auch innerhalb der Koalition.
Bei uns am Telefon ist nun Oberst Ulrich Kirsch, Chef des Bundeswehrverbandes, der die Interessen der Soldaten vertritt. Guten Morgen!
Ulrich Kirsch: Guten Morgen, Herr Müller!
Müller: Herr Kirsch, ist das Söldnerthema damit vom Tisch?
Kirsch: Ja, das Söldnerthema ist vom Tisch, denke ich, denn alle Beteiligten haben gemerkt, dass es ja nun doch eine Menge Menschen gibt, die sich auch darüber Gedanken machen, wie es denn mit dem Nachwuchs ausschaut, mit der Personalgewinnung. Und ich kann nur eines sagen: Wenn wir ein gegenseitiges Treueverhältnis haben wollen zwischen den Soldaten und dem Staat Bundesrepublik Deutschland, dann kann das nur entstehen mit einem Menschen, der auch die deutsche Staatsbürgerschaft hat.
Müller: Das geht also nicht mit Deutsch-Türken aus Ihrer Sicht, die keine Staatsbürgerschaft haben?
Kirsch: Aus meiner Sicht geht das nicht, denn die Bindung gegenüber dem Staat auch durch die Tatsache, dass ja jemand einen Eid ableistet auf die Verfassung, auf die Bundesrepublik Deutschland, der muss doch auch eine innere Bindung dazu haben, das geht doch nur über die deutsche Staatsbürgerschaft.
Müller: Die Franzosen würden sagen, ist alles kein Problem.
Kirsch: Ja, die Franzosen haben da eine andere Tradition. Aber wir werden uns insbesondere bei diesen Veränderungen auch die Gedanken machen müssen, wie sieht es denn mit dem geistigen Überbau der Streitkräfte aus, und das kommt mir im Moment ein wenig zu kurz. Das ist auch der Grund, warum wir über unser Bildungswerk, die Karl-Theodor-Molinari-Stiftung, eine Koblenzer Erklärung herausgegeben haben durch das Kuratorium unter Leitung des ehemaligen Generalinspekteurs von Kirchbach, die ich am Montag dem Bundespräsidenten überreicht habe. Diese Koblenzer Erklärung mahnt an, dass wir uns insbesondere den Kämpfer mal anschauen, den wir künftig haben, und wie der in die Werteüberlegungen unserer Verfassung, in die Werteüberlegung von der Bundesrepublik Deutschland denn künftig eingebunden sein soll. Und ich bin der festen Überzeugung, dass hier eine gesellschaftliche Debatte erforderlich ist, und vielleicht reizt ja gerade dieses Thema, das wir gerade haben, dazu an, diese Debatte zu führen.
Müller: Wenn Sie auf Ausländer verzichten wollen, wie viele andere in der Politik auch, wer soll es dann richten?
Kirsch: Es müssen letztendlich junge Frauen und Männer sein, die die deutsche Staatsbürgerschaft haben, wie wir gerade festgestellt haben, die die Streitkräfte so attraktiv finden, dass man dort hingeht. Das muss doch der Punkt sein und mein Berufsverband hat ja deswegen eine Attraktivitätsagenda entwickelt und hat auch Forderungen zur Begleitung des Reformprozesses definiert. Das muss umgesetzt werden, das kostet aber nun einfach mal Geld, und wenn dieses Geld nicht zur Verfügung gestellt wird, dann sieht es allerdings schlecht aus. Aber dann werden wir diese Armee, die wir brauchen, um auch eben international die Anerkennung zu erfahren, die Armee, die wir brauchen, um wirklich unsere Aufgaben zu lösen – als 80 Millionen Volk haben wir da eine Verantwortung auch international -, wenn wir diese Finanzausstattung nicht haben, dann wird es die Armee nicht geben und dann werden wir uns international ganz schön blamieren.
Müller: Viele von außen, Herr Kirsch, haben ja sich ein wenig darüber gewundert, als diese lange Liste jetzt in Teilen jedenfalls bekannt geworden ist. Da geht es auch um familienfreundlichere Arbeitsplätze für die Bundeswehr. Wollen Sie so eine Art Gleitzeit haben?
Kirsch: Nein! Es geht einfach darum, dass Schluss ist mit dem uneingeschränkten Zugriff auf die Arbeitszeit jeder einzelnen Soldatin und jedes einzelnen Soldaten, sondern das muss geregelt werden. Und wir brauchen einfach Arbeitserleichterungen und wir brauchen – das ist ganz zentral – vor allen Dingen aber Rahmenbedingungen, in denen die Lebensmodelle junger Familien zugelassen sind, denn die werden sonst eben nicht kommen. Und ich plädiere sehr dafür, dass wir als Bundeswehr, als Streitkräfte besonders familienfreundlich sind. Wer verbietet uns das, das zu tun. Und wenn man sich mal überlegt, in welch schwieriger Situation Frauen und Männer in den Streitkräften sind, die in die Einsätze gehen, wo Familien zu Hause sind, dann muss man doch da ganz besonders etwas tun im Vergleich zu anderen Betrieben, zu anderen Unternehmen.
Müller: Herr Kirsch, dennoch: familienfreundlichere Arbeitszeiten hört sich so an, als sei die Bundeswehr ein ganz normales Unternehmen, eine ganz normale Behörde.
Kirsch: Nein, die Bundeswehr ist überhaupt keine normale Behörde. Der Soldatenberuf ist eben kein Beruf wie jeder andere, und deswegen müssen die Spezifika des Berufes berücksichtigt werden, wenn ich denn die Familienfreundlichkeit gewährleisten will, und dazu gehört – ich nenne mal ein simples Beispiel – zum Beispiel die Wahlfreiheit für denjenigen, der versetzt wird, ob er dann umzieht, oder ob er pendelt. Aber nicht mal das ist bisher durchgesetzt worden, weil es am Innenministerium hängt, um ein ganz konkretes Beispiel zu nehmen, wo sich die Administration letztendlich schwer tut, das umzusetzen, aus mir vollkommen unerfindlichen Gründen. Da muss Führung bewiesen werden, dann müssen die Minister, die hier Zuständigkeiten haben, anweisen, dass diese Dinge umgesetzt werden, sonst wird es nicht funktionieren. Und ich kann nur anmahnen, dass es nun inzwischen auch mal ein paar Erfolge geben muss, sonst werden die Menschen nicht mitgenommen werden bei dieser Reform. Die Erfolge bleiben im Moment alle noch aus. Das einzige, was bisher geklappt hat, war die Fortsetzung der Halbierung unseres Weihnachtsgeldes, und das kann es nicht sein.
Müller: Dann sind Sie auch für die Förderung der Frauenquote in Spitzenpositionen der Bundeswehr?
Kirsch: Natürlich! Wir haben gute Erfahrungen mit unseren Soldatinnen. Dass es natürlich auch Grenzen gibt, weil einfach Frauen nicht alles körperlich so leisten können, wie das bei Männern der Fall ist, das ist aber auch nichts Neues, das haben wir gerade in schwierigen Bereichen – ich nehme mal die Pioniere, wo es darum geht, besonders schwere Lasten auch persönlich zu tragen und zu heben. Da gibt es dann natürlich Bereiche, wo man gucken muss. Aber ansonsten sind wir doch auf die jungen Frauen nicht nur angewiesen, sondern sie bereichern unseren täglichen Dienst, und nur Frauen und Männer gemeinsam können in diesem Berufsleben auch bei der Bundeswehr bestehen.
Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk Oberst Ulrich Kirsch, Chef des Bundeswehrverbandes. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.
Kirsch: Gerne, Herr Müller!
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Bei uns am Telefon ist nun Oberst Ulrich Kirsch, Chef des Bundeswehrverbandes, der die Interessen der Soldaten vertritt. Guten Morgen!
Ulrich Kirsch: Guten Morgen, Herr Müller!
Müller: Herr Kirsch, ist das Söldnerthema damit vom Tisch?
Kirsch: Ja, das Söldnerthema ist vom Tisch, denke ich, denn alle Beteiligten haben gemerkt, dass es ja nun doch eine Menge Menschen gibt, die sich auch darüber Gedanken machen, wie es denn mit dem Nachwuchs ausschaut, mit der Personalgewinnung. Und ich kann nur eines sagen: Wenn wir ein gegenseitiges Treueverhältnis haben wollen zwischen den Soldaten und dem Staat Bundesrepublik Deutschland, dann kann das nur entstehen mit einem Menschen, der auch die deutsche Staatsbürgerschaft hat.
Müller: Das geht also nicht mit Deutsch-Türken aus Ihrer Sicht, die keine Staatsbürgerschaft haben?
Kirsch: Aus meiner Sicht geht das nicht, denn die Bindung gegenüber dem Staat auch durch die Tatsache, dass ja jemand einen Eid ableistet auf die Verfassung, auf die Bundesrepublik Deutschland, der muss doch auch eine innere Bindung dazu haben, das geht doch nur über die deutsche Staatsbürgerschaft.
Müller: Die Franzosen würden sagen, ist alles kein Problem.
Kirsch: Ja, die Franzosen haben da eine andere Tradition. Aber wir werden uns insbesondere bei diesen Veränderungen auch die Gedanken machen müssen, wie sieht es denn mit dem geistigen Überbau der Streitkräfte aus, und das kommt mir im Moment ein wenig zu kurz. Das ist auch der Grund, warum wir über unser Bildungswerk, die Karl-Theodor-Molinari-Stiftung, eine Koblenzer Erklärung herausgegeben haben durch das Kuratorium unter Leitung des ehemaligen Generalinspekteurs von Kirchbach, die ich am Montag dem Bundespräsidenten überreicht habe. Diese Koblenzer Erklärung mahnt an, dass wir uns insbesondere den Kämpfer mal anschauen, den wir künftig haben, und wie der in die Werteüberlegungen unserer Verfassung, in die Werteüberlegung von der Bundesrepublik Deutschland denn künftig eingebunden sein soll. Und ich bin der festen Überzeugung, dass hier eine gesellschaftliche Debatte erforderlich ist, und vielleicht reizt ja gerade dieses Thema, das wir gerade haben, dazu an, diese Debatte zu führen.
Müller: Wenn Sie auf Ausländer verzichten wollen, wie viele andere in der Politik auch, wer soll es dann richten?
Kirsch: Es müssen letztendlich junge Frauen und Männer sein, die die deutsche Staatsbürgerschaft haben, wie wir gerade festgestellt haben, die die Streitkräfte so attraktiv finden, dass man dort hingeht. Das muss doch der Punkt sein und mein Berufsverband hat ja deswegen eine Attraktivitätsagenda entwickelt und hat auch Forderungen zur Begleitung des Reformprozesses definiert. Das muss umgesetzt werden, das kostet aber nun einfach mal Geld, und wenn dieses Geld nicht zur Verfügung gestellt wird, dann sieht es allerdings schlecht aus. Aber dann werden wir diese Armee, die wir brauchen, um auch eben international die Anerkennung zu erfahren, die Armee, die wir brauchen, um wirklich unsere Aufgaben zu lösen – als 80 Millionen Volk haben wir da eine Verantwortung auch international -, wenn wir diese Finanzausstattung nicht haben, dann wird es die Armee nicht geben und dann werden wir uns international ganz schön blamieren.
Müller: Viele von außen, Herr Kirsch, haben ja sich ein wenig darüber gewundert, als diese lange Liste jetzt in Teilen jedenfalls bekannt geworden ist. Da geht es auch um familienfreundlichere Arbeitsplätze für die Bundeswehr. Wollen Sie so eine Art Gleitzeit haben?
Kirsch: Nein! Es geht einfach darum, dass Schluss ist mit dem uneingeschränkten Zugriff auf die Arbeitszeit jeder einzelnen Soldatin und jedes einzelnen Soldaten, sondern das muss geregelt werden. Und wir brauchen einfach Arbeitserleichterungen und wir brauchen – das ist ganz zentral – vor allen Dingen aber Rahmenbedingungen, in denen die Lebensmodelle junger Familien zugelassen sind, denn die werden sonst eben nicht kommen. Und ich plädiere sehr dafür, dass wir als Bundeswehr, als Streitkräfte besonders familienfreundlich sind. Wer verbietet uns das, das zu tun. Und wenn man sich mal überlegt, in welch schwieriger Situation Frauen und Männer in den Streitkräften sind, die in die Einsätze gehen, wo Familien zu Hause sind, dann muss man doch da ganz besonders etwas tun im Vergleich zu anderen Betrieben, zu anderen Unternehmen.
Müller: Herr Kirsch, dennoch: familienfreundlichere Arbeitszeiten hört sich so an, als sei die Bundeswehr ein ganz normales Unternehmen, eine ganz normale Behörde.
Kirsch: Nein, die Bundeswehr ist überhaupt keine normale Behörde. Der Soldatenberuf ist eben kein Beruf wie jeder andere, und deswegen müssen die Spezifika des Berufes berücksichtigt werden, wenn ich denn die Familienfreundlichkeit gewährleisten will, und dazu gehört – ich nenne mal ein simples Beispiel – zum Beispiel die Wahlfreiheit für denjenigen, der versetzt wird, ob er dann umzieht, oder ob er pendelt. Aber nicht mal das ist bisher durchgesetzt worden, weil es am Innenministerium hängt, um ein ganz konkretes Beispiel zu nehmen, wo sich die Administration letztendlich schwer tut, das umzusetzen, aus mir vollkommen unerfindlichen Gründen. Da muss Führung bewiesen werden, dann müssen die Minister, die hier Zuständigkeiten haben, anweisen, dass diese Dinge umgesetzt werden, sonst wird es nicht funktionieren. Und ich kann nur anmahnen, dass es nun inzwischen auch mal ein paar Erfolge geben muss, sonst werden die Menschen nicht mitgenommen werden bei dieser Reform. Die Erfolge bleiben im Moment alle noch aus. Das einzige, was bisher geklappt hat, war die Fortsetzung der Halbierung unseres Weihnachtsgeldes, und das kann es nicht sein.
Müller: Dann sind Sie auch für die Förderung der Frauenquote in Spitzenpositionen der Bundeswehr?
Kirsch: Natürlich! Wir haben gute Erfahrungen mit unseren Soldatinnen. Dass es natürlich auch Grenzen gibt, weil einfach Frauen nicht alles körperlich so leisten können, wie das bei Männern der Fall ist, das ist aber auch nichts Neues, das haben wir gerade in schwierigen Bereichen – ich nehme mal die Pioniere, wo es darum geht, besonders schwere Lasten auch persönlich zu tragen und zu heben. Da gibt es dann natürlich Bereiche, wo man gucken muss. Aber ansonsten sind wir doch auf die jungen Frauen nicht nur angewiesen, sondern sie bereichern unseren täglichen Dienst, und nur Frauen und Männer gemeinsam können in diesem Berufsleben auch bei der Bundeswehr bestehen.
Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk Oberst Ulrich Kirsch, Chef des Bundeswehrverbandes. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.
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