Archiv


Bundesweite Schülerproteste gegen Stillstand bei Bildungsreformen

Im ganzen Land lassen Schüler heute den Unterricht ausfallen und gehen auf die Straße. Sie klagen über übervolle Klassen, langweiligen Unterricht. Sie fordern mehr Chancengerechtigkeit und mehr Geld für die Bildung. Fabian Dennewitz von der Schülerinitiative München fordert weniger Reden und mehr Handeln von der Regierung.

Fabian Dennewitz im Gespräch mit Jasper Barenberg |
    Jasper Barenberg: Vor der Sendung hatte ich Gelegenheit, mit Fabian Dennewitz zu sprechen. Der 19jährige ist Sprecher der Schülerinitiative in München und er ist mit dem Verlauf der Aktionen von heute mehr als zufrieden.

    Fabian Dennewitz: Wahnsinnig zufrieden! Es sind jetzt ungefähr 2.000 Teilnehmer hier. Wir haben 1.000 angemeldete. Das ist natürlich fantastisch. Am Anfang sah es so aus, als würden die Leute wegen dem Regen und der angedrohten Repressionen gar nicht kommen, aber das ist Gott sei Dank jetzt ganz anders geworden.

    Barenberg: Von welchen Repressionen reden Sie?

    Dennewitz: Das Kultusministerium hat ja die Streiks für nicht schulkonform erklärt und die Schulleiter haben mit Verweisen und Ähnlichem gedroht.

    Barenberg: Wie groß ist denn die Resonanz beispielsweise an Ihrer Schule?

    Dennewitz: In meiner Schule ist sie extrem hoch. Das liegt einfach daran, dass die Politiker zwar immer wieder darüber reden, aber nichts passiert. Man kann sich etwa den Bildungsgipfel von der Kanzlerin anschauen.

    Barenberg: Was wollen Sie denn erreichen?

    Dennewitz: Wir wollen erreichen, dass die Schüler wieder Gehör finden, dass die Leute wieder wegen ihrer Interessen auf die Straße gehen, und wir haben eine Menge Forderungen für dieses Bildungssystem und die müssen unbedingt durchgesetzt werden.

    Barenberg: Was sind denn die wichtigsten Forderungen?

    Dennewitz: Die wichtigsten Forderungen sind die Überwindung des dreigliedrigen Schulsystems, weil es sozial ungerecht ist, so früh zu selektieren. Dann brauchen wir vor allem sehr viel mehr Geld in die Bildung. Es gibt zu wenig Lehrer, es gibt zu große Klassen, veraltete Räume. Das muss behoben werden, um einen reibungslosen Unterricht und eine konstruktive Lernatmosphäre aufbauen zu können.

    Barenberg: Sind das denn Forderungen, die in allen Städten, in denen heute Aktionen stattfinden, gleichermaßen vorgetragen werden, oder gibt es da Unterschiede?

    Dennewitz: Hauptsächlich sind es die gleichen Forderungen. Es gibt natürlich auch bundeslandspezifische Forderungen. In Bayern sind es gerade zum Beispiel die massiv hohen Studiengebühren. Es gab aber eine Konferenz und die Hauptforderungen sind überall die gleichen.

    Barenberg: Sie haben den Bildungsgipfel der Bundeskanzlerin angesprochen. Warum haben Sie eigentlich nicht damals gestreikt, sondern streiken heute? Warum nicht vor dem Gipfel?

    Dennewitz: Es gab einen Alternativgipfel zu dem Bildungsgipfel der Kanzlerin, aber der Termin war schon länger geplant, einfach von der Gesamtbewegung in Deutschland, und dem haben wir uns natürlich angeschlossen als Schülerinitiative München.

    Barenberg: Die Bundesregierung hat ja das Ziel ausgegeben, Deutschland zu einer Bildungsrepublik zu machen. Was halten Sie von dieser Ankündigung?

    Dennewitz: Ich begrüße natürlich die Ankündigung einerseits, wenn man der wirklich Glauben schenken könnte. Es heißt, Bildung wird als wichtigstes Ziel angegeben, aber es ist so schwer, wirklich schon was zu erreichen für die Bildung. Das lässt uns schon staunen, wie man das verkünden kann, aber dann beim Bildungsgipfel über die Finanzierung sich nur streitet und nicht klar werden kann. Deswegen sind wir ja hier auch auf der Straße, damit endlich was passiert.

    Barenberg: Wieso haben Sie denn Zweifel an den Zielen, die formuliert worden sind?

    Dennewitz: Es geht ja schon sehr lange so in der Politik. Bildung ist meistens oder in sehr vielen Parteien immer das wichtigste Thema. Es wird am häufigsten angesprochen. Es ist aber nun mal so, dass seit Jahren es angesprochen wird und nichts passiert. Wir haben jetzt immer noch massive Probleme im Bildungssystem.

    Barenberg: Wie soll es denn jetzt weitergehen nach Ihrer Vorstellung, wenn die Veranstaltungen heute zu Ende gehen?

    Dennewitz: Wir werden jetzt noch eine Abschlusskundgebung haben. Da werden wir auch schauen, ob wir dem Kultusminister eine Resolution übergeben können. Dann hoffen wir natürlich auf große Reaktionen in Politik. Vor allem in den Medien haben wir sie schon. Dort ist das Echo wirklich sehr groß. Und dann wird es weitere Vernetzungsgespräche geben zwischen den einzelnen Schülerinitiativen, damit es dann weiter zu einem gesamtdeutschen Widerstand gegen Bildungsblockaden, gegen diesen Bildungsabbau in der BRD kommt.

    Barenberg: Fabian Dennewitz, Sprecher der Schülerinitiative in München, über die Proteste heute. Wir haben ihn vorhin am Mobiltelefon erreicht.