Archiv


Busch fordert neue Konzepte zur Lösung des Tarifstreits

    Meurer: Auch zwei Tage vor den Verhandlungen in der ostdeutschen Metall- und Elektroindustrie setzt die IG Metall heute ihre Streiks im Osten fort. Aber als Zeichen ihres guten Willens hat sie den Streik im ZF-Getriebewerk Brandenburg ausgesetzt. Hier werden Teile für BMW zum Beispiel hergestellt und der Ausstand hat deswegen die Produktion in einigen BMW-Werken im Westen lahmgelegt. Übermorgen also wird wieder verhandelt. In Berlin kommen die jeweiligen Regionalverbände zusammen. Am Telefon begrüße ich nun Hans Werner Busch. Er ist Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall. Guten Morgen Herr Busch!

    Busch: Guten Morgen Herr Meurer.

    Meurer: Wie gut glauben Sie sind die Chancen für den Freitag, sich zu einigen?

    Busch: Das ist zum heutigen Zeitpunkt noch sehr schwer abzusehen. Wir sind der Bitte der IG Metall gefolgt und stellen uns den Verhandlungen. Wir haben allerdings auch gesagt, dass es keine Aussicht hat, etwa auf der Basis des Stahlabschlusses, also eines Drei-Stufen-Planes, zu einem Ergebnis zu kommen.

    Meurer: Aus welchem Grund kommt es für Sie nicht in Frage, einen Stufenplan, der ja auch Hintertüren offen lässt, wenn es wirtschaftlich nicht so gut läuft, dann eben die Arbeitszeitverkürzung doch nicht durchzusetzen?

    Busch: Die Erfahrung mit Stufenplänen ist durchgängig schlecht und zwar allein deshalb, weil es nicht vorhersehbar ist, wie die Situation beispielsweise in sechs oder sieben Jahren ist. Die wirtschaftlichen Verhältnisse sind meist anders als zu dem Zeitpunkt, als man bei Abschluss gedacht hat. Das ist das eine. Das andere: die Situation in der Metall- und Elektroindustrie in Ostdeutschland ist so sehr unterschiedlich, auch die Spreizung zwischen sehr guten und schlechten Unternehmen ist so enorm, dass wir damit nicht diese Unternehmen überziehen können.

    Meurer: Herr Busch bedeutet das, dass sich die Arbeitgeber keinen Millimeter bewegen?

    Busch: Wir haben gesagt: wenn wir uns zusammensetzen, dann müssen wir völlig neu nachdenken. Wir müssen uns ganz andere Konzepte einfallen lassen, um zu einer Lösung zu kommen. Das haben wir der IG Metall mitgeteilt und sie hat dies ja nicht abgelehnt. Insofern sehe ich durchaus Ansatzpunkte zu einem vernünftigen Verhandlungsverlauf.

    Meurer: Ein solcher Ansatzpunkt könnte ja sein, was wohl IG Metall-Chef Klaus Zwickel sich hat einfallen lassen. Was halten Sie also von der Idee der IG Metall, aus den drei Stunden Mehrarbeit eine sogenannte Qualifizierungszeit zu machen? Die Mitarbeiter bilden sich dann eben in diesen drei Stunden weiter.

    Busch: Dieser Vorschlag von Herrn Zwickel zeigt, dass wir tatsächlich über verschiedene neue Elemente nachdenken müssen, die wir in solch ein neues Arbeitszeitmodell hineinbringen. Das ist sicherlich eine mögliche Idee, aber es gibt gewiss noch andere Möglichkeiten. Wir müssen darüber reden und werden darüber reden, aber das ist wie gesagt nur ein einziges mögliches Element eines Gesamtlösungsansatzes.

    Meurer: Was käme sonst noch in Frage?

    Busch: Das werden wir zunächst mal erörtern müssen mit der IG Metall in einem Sondierungsgespräch, um dann die richtigen Weichenstellungen für die eigentlichen Verhandlungen zu haben.

    Meurer: Nun gibt es ja am Freitag das Treffen auf regionaler Ebene. Wird es auch zu einem Spitzentermin kommen, also auf der einen Seite Sie und Ihr Präsident Kannegiesser, auf der anderen Seite das IG Metall-Duo Zwickel und Peters?

    Busch: Wir werden vorab sondieren, welche Elemente wir in die Verhandlungen einbringen können. Das ist aber zunächst mal, so wie Sie es gesagt haben, eine regionale Angelegenheit, natürlich von bundesrepublikanischer Bedeutung, wenn man so will. Unsere fünf Verbände setzen sich zusammen mit den zuständigen Bezirksleitern der IG Metall und verhandeln so, wie wir es vor gut vier Wochen in Potsdam gemacht haben. Wir werden natürlich die Verhandlungen unterstützen, wir werden sie begleiten, aber zunächst einmal ist es in der Tat die Verantwortung der zuständigen Verbände.

    Meurer: Wäre es aus Ihrer Sicht schon ein Erfolg, wenn am Freitag die Schlichtung beschlossen wird?

    Busch: Über Schlichtung redet man gerne, aber das ist tatsächlich viel zu früh. Die Verhandlungspartner setzen sich ja an den Verhandlungstisch, um selbst zu einem Ergebnis zu kommen. Es ist natürlich nie auszuschließen, dass am Ende ein Dritter, ob Moderator oder Schlichter, dort helfen kann, einen letzten Kick zu finden, aber wir müssen das erst selbst versuchen und ich bin ziemlich sicher, dass der Freitag für so etwas viel zu früh wäre.

    Meurer: Am Freitag könnte es auch schon eine Einigung geben, oder ist das zu optimistisch?

    Busch: Wir reden und verhandeln seit Monaten über die Arbeitszeitangleichung zwischen Ost und West in der Metall- und Elektroindustrie. Damit ist das offensichtlich ein kompliziertes Thema und deshalb halte ich es für nicht sehr wahrscheinlich, dass wir am Freitag zu einem Ergebnis kommen.

    Meurer: Wie sehen Sie denn die Entwicklung, Herr Busch, dass es in den neuen Ländern zuletzt gerade im Zuge der Streiks und der Tarifauseinandersetzungen zu immer mehr sogenannten Haustarifverträgen gekommen ist, dass also die Unternehmen individuell Abschlüsse mit der Gewerkschaft gemacht haben?

    Busch: Dies zeigt einmal, dass die Bindekraft des Flächentarifvertrages in den neuen Bundesländern offensichtlich sehr schwach ist oder gegenüber dem Westen wesentlich schwächer ist, so dass einzelne Unternehmen selbst das ganze in die Hand nehmen und das mit der Gewerkschaft, sofern überhaupt erforderlich, betreiben. Auf der anderen Seite müssen wir auch sagen, dass dadurch die Gewerkschaft, wenn sie auf solches dringt, natürlich die Bindekraft des Flächentarifvertrages weiter schwächt. Über die Konsequenz muss sie sich klar sein. Nur diese Haustarifverträge haben keine unmittelbare Wirkung auf die Gestaltung eines von uns abzuschließenden oder eventuell abzuschließenden Flächentarifvertrages.

    Meurer: Aber haben sie vielleicht eine langfristige Wirkung auch insofern, dass damit natürlich Mitglieder aus Ihren Reihen ausscheren?

    Busch: Ja, die sind schon in der letzten Zeit reihenweise ausgeschert. Wir haben uns aber darauf auch schon verbandspolitisch seit langem eingestellt. Sie sind ja dann nicht aus dem Verband generell weg, sondern sie sind dann in einem Verband, der eben nicht mehr Tarifträgerverband ist. Sie nehmen den Service des Verbandes weiterhin in Anspruch.

    Meurer: Eine Frage stellen sich natürlich viele in Ostdeutschland, und dann sind wir wieder beim Kern der Sache. Warum sollen in Ost und West nicht gleiche Bedingungen herrschen?

    Busch: Es herrschen weder gleiche Bedingungen zwischen sagen wir mal Ostfriesland und München noch zwischen Ost und West.

    Meurer: Aber da gelten gleiche Arbeitszeiten?

    Busch: Nein. Das sind aber sehr unterschiedliche Rahmenbedingungen. Die 35-Stunden-Woche wird nach einer Studie der IG Metall nur gerade von 20 Prozent der Arbeitnehmer selbst im Westen Deutschlands in Anspruch genommen. Das heißt also wir haben eine Bandbreite von 35 bis 40 Stunden auch jetzt schon und diese Differenzierung müssen wir uns einfach erlauben. Dieser Begriff der gleichen Arbeitsbedingungen ist sehr mechanistisch angelegt. Wir müssen gerade im Osten zusehen, dass noch mehr industrielle Arbeitsplätze entstehen, aber durch solche Forderungen, die Arbeit verteuern, kriegen wir das nicht hin, im Gegenteil.

    Meurer: Werden Sie umgekehrt im Westen die 35-Stunden-Woche wieder attackieren, wie die Gewerkschaften befürchten?

    Busch: Nein, werden wir nicht. Das ist kein Ziel dieser Auseinandersetzung, die 35-Stunden-Woche zu attackieren. Nur zeigt die Debatte jetzt, dass offensichtlich dieses Ziel 35-Stunden-Woche bisher ausschließlich ein Ziel der IG Metall gewesen ist, denn alle anderen Gewerkschaften, gucken Sie sich die chemische Industrie an, die kennen die 35-Stunden-Woche nicht, die arbeiten länger.

    Meurer: Das war Hans Werner Busch, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall. - Herr Busch, ich danke Ihnen herzlich und auf Wiederhören!

    Link: Interview als RealAudio