Burkhard Birke: Vermeldet wurde die Festnahme Radko Mladic schon gleich mehrfach dieser Tage, allein die Bestätigung fehlte. Noch ist also der unter anderem wegen der Ermordung von 8000 Bosniern in Srebrenica als Kriegsverbrecher gesuchte bosnisch-serbische General auf freiem Fuß. Aber der Druck auf Belgrad, auf die serbische Regierung wächst. In den Informationen am Morgen im Deutschlandfunk begrüße ich nun Erhard Busek, der frühere Vizekanzler Österreichs ist momentan Koordinator für den Südosteuropastabilitätspakt. Einen schönen guten Morgen Herr Busek.
Erhard Busek: Guten Morgen.
Birke: Herr Busek, pokert die serbische Regierung?
Busek: Ich glaube nicht. Es ist die Notwendigkeit auf ihrer Seite erkannt worden, Radko Mladic auszuliefern. Es gibt verschiedene Analysen, warum das Ganze überhaupt passiert ist. Die einen meinen, dass es ja Verhandlungen angeblich gäbe, um Mladic oder seine Familie finanziell abzusichern und die Verteidigung hier klarzustellen, die anderen wieder sagen, dass dieses Sache aufgekommen ist, weil man die Regierung destabilisieren möchte. Ich kann nicht feststellen, was hier das Richtige ist, aber Tatsache ist, dass es bis jetzt erfolglos war, Mladic nach Den Haag zu bringen.
Birke: Nun gibt es Informationen, dass Mladic den Schutz der serbischen Autorität über lange Jahre formell genossen hat. Kann oder will denn die Regierung in Belgrad, oder konnte sie oder wollte sie Mladic nicht ausliefern?
Busek: Es gab einen gewissen Punkt, nach den Informationen die mir zugängig sind, wo es durchaus möglich gewesen wäre. Das war nach der Auslieferung von Milosevic, der Absetzung des Generalstabchefs und ein paar andere Punkte noch. Aber da hat es intern am politischen Willen gefehlt. Man wollte ja damals das Ganze quasi verschieben, später und auch der serbischen Öffentlichkeit mundgerecht machen. Das hat aber sicher dazu geführt, dass Mladic selbst dafür gesorgt hat, dass er weniger leicht zugänglich ist.
Birke: Sie haben gesagt, es hat am politischen Willen im Inneren Serbiens gefehlt. Sollte man jetzt diesem Willen etwas nachhelfen, indem man wie etwa Erweiterungskommissar Olli Rehn es tut, mit der Unterbrechung der Verhandlung über ein Assoziierungs- und Stabilisierungsabkommen droht?
Busek: Ich glaube, dass gar nichts anderes übrig bleibt, als solche Wege zu begehen, denn das ist ja eine der auflösenden Bedingungen, die hier existieren und zwar nicht nur für dieses Abkommen, sondern auch für eine Reihe von näheren Maßnahmen wie etwa die Teilnahme von Serbien an der Partnership for Peace. Die Amerikaner sind in dieser Frage auch sehr deutlich gewesen, so dass, glaube ich, inzwischen der serbischen Regierung klar ist, dass es eine relativ alternativlose Situation ist.
Birke: Ist das auch Ihr Eindruck als Koordinator des Stabilitätspaktes? Sie haben ja viel mit den Serben auch zu tun.
Busek: Den Eindruck habe ich. Es ist ja klarer geworden, dass man da nicht drum herum kommt. Ich glaube auch, dass sich die Stimmung in der Öffentlichkeit durchaus geändert hat. Es scheint die Mehrheit der Serben inzwischen der Meinung zu sein, dass Radko Mladic quasi die weitere Entwicklung des Landes in einem hohen Ausmaß blockiert.
Birke: Kann es nur bei Mladic bleiben, oder muss nicht auch der Führer der bosnischen Serben, Karadzic, dann auch ausgeliefert werden?
Busek: Da gibt es keine Diskussion darüber. Der Zugang zu Mladic ist in Folge der Verflechtung der serbischen Armee mit dieser Situation quasi eher garantiert. Im Fall Karadzic ist es wohl etwas schwieriger.
Birke: Es gibt ja noch die Befürchtung, dass die serbischen Nationalisten wieder Aufwind bekommen könnten, wenn jetzt der der Druck auf die Regierung in Belgrad wächst, denn heute haben die serbischen Nationalisten ja auch eine Protestkundgebung vor dem Parlament in Belgrad anberaumt, gegen die - wie es heißt - Tyrannei des Haager Tribunals. Spielt das denn nun wirklich in die Hände der Nationalisten, wenn die EU den Druck verstärkt, wie es etwa der serbische Außenminister Vuk Draskovic befürchtet?
Busek: Das ist zunächst einmal vordergründig richtig und kurzfristig, aber eigentlich muss auch den Radikalen klar sein, dass kein Weg an einer konstruktiven Zusammenarbeit mit der Europäischen Union und damit natürlich auch mit Den Haag vorbeiführt. Es ist ein Versuch natürlich, politisches Kleingeld daraus zu machen. Es bleibt abzuwarten, wie stark solche Aufrufe wirken.
Birke: Welche anderen Druckmittel hat die EU?
Busek: Im Moment ist es vorwiegend in diesem Bereich. Es gibt sicher noch ein paar andere Möglichkeiten für diverse Hilfen. Aber prinzipiell ist sicher die Blockade des Weges des Landes zur Europäischen Union das wirksamste Mittel.
Birke: Blicken wir doch mal auf die konkreten Aufgaben, die es ja allgemein im Kontext der Balkankonfliktlösung zu lösen gilt: Bosnien muss stabilisiert, der Status des Kosovo geklärt und die Zukunft Montenegros entschieden werden. Sehen Sie eine Möglichkeit der Quadratur dieses schwierigen Kreises?
Busek: Ich glaube, dass das die richtige Tagesordnung ist. Inzwischen scheint den Verantwortlichen in Belgrad klar geworden zu sein, dass ohne die genannten Wege und ohne Lösungen eigentlich die Dinge selber nicht weiter führen. Ich glaube, dass mehr und mehr begriffen wird, dass das Land selber nichts davon hat, wenn es bei allem und jedem de facto blockiert ist.
Birke: Erwartet denn ihrer Meinung nach Belgrad im Gegenzug für eine gezielte Kooperation mit dem Haager Kriegsverbrechertribunal den Erhalt der territorialen Integrität, was ja insbesondere mit Blick auf das Kosovo relevant wäre?
Busek: Also hinsichtlich der Aussagen, die in der Frage getroffen werden, glaube ich nicht. Es geht wahrscheinlich mehr darum, eine Lösung zu finden, die irgendwo gesichtswahrend ist, oder auch den Serben aus der von ihnen allerdings selbst verschuldeten Situation heraus hilft. Ich glaube nicht, dass sie quasi Mladic abtauschen können und sagen, Kosovo ist damit bleibend ein Teil Serbiens.
Birke: Was wäre denn gesichtswahrend Ihrer Meinung nach?
Busek: Zunächst einmal sicher der Weg zur Europäischen Union, beziehungsweise bestimmte Hilfen wirtschaftlicher und sozialer Art und die zunehmende Integration Serbiens in die gesamte Entwicklung der Region. Ich glaube, dass es hier Überlegungen gibt, auf der Seite der Europäer und der Amerikaner, quasi ein Paket zu schnüren, das hier hilft. Es geht hier, glaube ich, nicht um ein Geschäft oder etwas abzutauschen, sondern de facto wirklich um die Stabilisierung der Region.
Birke: Ein Paket schnüren, heißt das, Sie plädieren praktisch auch für eine Neulage, eine Veränderung dieses Südosteuropastabilitätspaktes, den Sie ja koordinieren?
Busek: Das hat damit nur indirekt zu tun. Die Frage, was geschieht Richtung Montenegro, Richtung Kosovo und so weiter, ist eine spezifische Frage, die zwar Auswirkungen auf den Stabilitätspakt hat, aber ihn selber in der Aufgabenstellung nicht verhindert, im Gegenteil: Unsere Aufgabe ist es ja, Stabilität, Frieden, Demokratie und Sicherheit in der Region zu bringen.
Birke: In Haag findet in den nächsten Tagen noch ein anderer Prozess statt, der Bosniens gegen Serbien-Montenegro wegen Entschädigung nach den Kriegsverbrechen. Welche Bedeutung messen Sie denn diesem Verfahren im gesamten Kontext der Konfliktlösung bei?
Busek: Hier gibt es eine ganze Kette von offenen Fragen. Das ist natürlich im Falle einer solchen Auseinandersetzung durch die Veränderung der Landkarte im Wege von kriegerischen Handlungen durchaus gegeben. Ich glaube, dass das nur der Beginn solcher Fragen selber ist. Wir werden noch eine Zeit lang damit beschäftigt sein.
Birke: Jetzt abschließend noch Ihre Prognose: Wann wird Belgrad Mladic und eventuell auch Karadzic ausliefern?
Busek: Ich würde mir wünschen, dass das so bald als möglich geschieht. Mir ist nicht ganz klar, wie genau man nun weiß, wo Mladic - und wahrscheinlich etwas komplizierter noch - wo Karadzic wirklich ist.
Erhard Busek: Guten Morgen.
Birke: Herr Busek, pokert die serbische Regierung?
Busek: Ich glaube nicht. Es ist die Notwendigkeit auf ihrer Seite erkannt worden, Radko Mladic auszuliefern. Es gibt verschiedene Analysen, warum das Ganze überhaupt passiert ist. Die einen meinen, dass es ja Verhandlungen angeblich gäbe, um Mladic oder seine Familie finanziell abzusichern und die Verteidigung hier klarzustellen, die anderen wieder sagen, dass dieses Sache aufgekommen ist, weil man die Regierung destabilisieren möchte. Ich kann nicht feststellen, was hier das Richtige ist, aber Tatsache ist, dass es bis jetzt erfolglos war, Mladic nach Den Haag zu bringen.
Birke: Nun gibt es Informationen, dass Mladic den Schutz der serbischen Autorität über lange Jahre formell genossen hat. Kann oder will denn die Regierung in Belgrad, oder konnte sie oder wollte sie Mladic nicht ausliefern?
Busek: Es gab einen gewissen Punkt, nach den Informationen die mir zugängig sind, wo es durchaus möglich gewesen wäre. Das war nach der Auslieferung von Milosevic, der Absetzung des Generalstabchefs und ein paar andere Punkte noch. Aber da hat es intern am politischen Willen gefehlt. Man wollte ja damals das Ganze quasi verschieben, später und auch der serbischen Öffentlichkeit mundgerecht machen. Das hat aber sicher dazu geführt, dass Mladic selbst dafür gesorgt hat, dass er weniger leicht zugänglich ist.
Birke: Sie haben gesagt, es hat am politischen Willen im Inneren Serbiens gefehlt. Sollte man jetzt diesem Willen etwas nachhelfen, indem man wie etwa Erweiterungskommissar Olli Rehn es tut, mit der Unterbrechung der Verhandlung über ein Assoziierungs- und Stabilisierungsabkommen droht?
Busek: Ich glaube, dass gar nichts anderes übrig bleibt, als solche Wege zu begehen, denn das ist ja eine der auflösenden Bedingungen, die hier existieren und zwar nicht nur für dieses Abkommen, sondern auch für eine Reihe von näheren Maßnahmen wie etwa die Teilnahme von Serbien an der Partnership for Peace. Die Amerikaner sind in dieser Frage auch sehr deutlich gewesen, so dass, glaube ich, inzwischen der serbischen Regierung klar ist, dass es eine relativ alternativlose Situation ist.
Birke: Ist das auch Ihr Eindruck als Koordinator des Stabilitätspaktes? Sie haben ja viel mit den Serben auch zu tun.
Busek: Den Eindruck habe ich. Es ist ja klarer geworden, dass man da nicht drum herum kommt. Ich glaube auch, dass sich die Stimmung in der Öffentlichkeit durchaus geändert hat. Es scheint die Mehrheit der Serben inzwischen der Meinung zu sein, dass Radko Mladic quasi die weitere Entwicklung des Landes in einem hohen Ausmaß blockiert.
Birke: Kann es nur bei Mladic bleiben, oder muss nicht auch der Führer der bosnischen Serben, Karadzic, dann auch ausgeliefert werden?
Busek: Da gibt es keine Diskussion darüber. Der Zugang zu Mladic ist in Folge der Verflechtung der serbischen Armee mit dieser Situation quasi eher garantiert. Im Fall Karadzic ist es wohl etwas schwieriger.
Birke: Es gibt ja noch die Befürchtung, dass die serbischen Nationalisten wieder Aufwind bekommen könnten, wenn jetzt der der Druck auf die Regierung in Belgrad wächst, denn heute haben die serbischen Nationalisten ja auch eine Protestkundgebung vor dem Parlament in Belgrad anberaumt, gegen die - wie es heißt - Tyrannei des Haager Tribunals. Spielt das denn nun wirklich in die Hände der Nationalisten, wenn die EU den Druck verstärkt, wie es etwa der serbische Außenminister Vuk Draskovic befürchtet?
Busek: Das ist zunächst einmal vordergründig richtig und kurzfristig, aber eigentlich muss auch den Radikalen klar sein, dass kein Weg an einer konstruktiven Zusammenarbeit mit der Europäischen Union und damit natürlich auch mit Den Haag vorbeiführt. Es ist ein Versuch natürlich, politisches Kleingeld daraus zu machen. Es bleibt abzuwarten, wie stark solche Aufrufe wirken.
Birke: Welche anderen Druckmittel hat die EU?
Busek: Im Moment ist es vorwiegend in diesem Bereich. Es gibt sicher noch ein paar andere Möglichkeiten für diverse Hilfen. Aber prinzipiell ist sicher die Blockade des Weges des Landes zur Europäischen Union das wirksamste Mittel.
Birke: Blicken wir doch mal auf die konkreten Aufgaben, die es ja allgemein im Kontext der Balkankonfliktlösung zu lösen gilt: Bosnien muss stabilisiert, der Status des Kosovo geklärt und die Zukunft Montenegros entschieden werden. Sehen Sie eine Möglichkeit der Quadratur dieses schwierigen Kreises?
Busek: Ich glaube, dass das die richtige Tagesordnung ist. Inzwischen scheint den Verantwortlichen in Belgrad klar geworden zu sein, dass ohne die genannten Wege und ohne Lösungen eigentlich die Dinge selber nicht weiter führen. Ich glaube, dass mehr und mehr begriffen wird, dass das Land selber nichts davon hat, wenn es bei allem und jedem de facto blockiert ist.
Birke: Erwartet denn ihrer Meinung nach Belgrad im Gegenzug für eine gezielte Kooperation mit dem Haager Kriegsverbrechertribunal den Erhalt der territorialen Integrität, was ja insbesondere mit Blick auf das Kosovo relevant wäre?
Busek: Also hinsichtlich der Aussagen, die in der Frage getroffen werden, glaube ich nicht. Es geht wahrscheinlich mehr darum, eine Lösung zu finden, die irgendwo gesichtswahrend ist, oder auch den Serben aus der von ihnen allerdings selbst verschuldeten Situation heraus hilft. Ich glaube nicht, dass sie quasi Mladic abtauschen können und sagen, Kosovo ist damit bleibend ein Teil Serbiens.
Birke: Was wäre denn gesichtswahrend Ihrer Meinung nach?
Busek: Zunächst einmal sicher der Weg zur Europäischen Union, beziehungsweise bestimmte Hilfen wirtschaftlicher und sozialer Art und die zunehmende Integration Serbiens in die gesamte Entwicklung der Region. Ich glaube, dass es hier Überlegungen gibt, auf der Seite der Europäer und der Amerikaner, quasi ein Paket zu schnüren, das hier hilft. Es geht hier, glaube ich, nicht um ein Geschäft oder etwas abzutauschen, sondern de facto wirklich um die Stabilisierung der Region.
Birke: Ein Paket schnüren, heißt das, Sie plädieren praktisch auch für eine Neulage, eine Veränderung dieses Südosteuropastabilitätspaktes, den Sie ja koordinieren?
Busek: Das hat damit nur indirekt zu tun. Die Frage, was geschieht Richtung Montenegro, Richtung Kosovo und so weiter, ist eine spezifische Frage, die zwar Auswirkungen auf den Stabilitätspakt hat, aber ihn selber in der Aufgabenstellung nicht verhindert, im Gegenteil: Unsere Aufgabe ist es ja, Stabilität, Frieden, Demokratie und Sicherheit in der Region zu bringen.
Birke: In Haag findet in den nächsten Tagen noch ein anderer Prozess statt, der Bosniens gegen Serbien-Montenegro wegen Entschädigung nach den Kriegsverbrechen. Welche Bedeutung messen Sie denn diesem Verfahren im gesamten Kontext der Konfliktlösung bei?
Busek: Hier gibt es eine ganze Kette von offenen Fragen. Das ist natürlich im Falle einer solchen Auseinandersetzung durch die Veränderung der Landkarte im Wege von kriegerischen Handlungen durchaus gegeben. Ich glaube, dass das nur der Beginn solcher Fragen selber ist. Wir werden noch eine Zeit lang damit beschäftigt sein.
Birke: Jetzt abschließend noch Ihre Prognose: Wann wird Belgrad Mladic und eventuell auch Karadzic ausliefern?
Busek: Ich würde mir wünschen, dass das so bald als möglich geschieht. Mir ist nicht ganz klar, wie genau man nun weiß, wo Mladic - und wahrscheinlich etwas komplizierter noch - wo Karadzic wirklich ist.