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"Bußgeld tut dem Verkehrssünder am wenigsten weh"

Volker Lempp vom Automobilclub Europa (ACE) hält die angekündigte Erhöhung des Bußgeldrahmens im Straßenverkehr für nicht ausreichend begründet. Wenn es tatsächlich - wie von Minister Tiefensee vorgebracht - um mehr Verkehrssicherheit gehe, müsste man nicht unbedingt bei den Bußgeldern ansetzen. Für viele Autofahrer wäre ein Führerscheinentzug oder Punkte in Flensburg abschreckender.

    Breker: Raser im Straßenverkehr müssen künftig mit härteren Strafen rechnen. Das gilt auch für Autofahrer unter Alkohol- oder Drogeneinfluss. So zumindest Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee zu Beginn der Beratung mit seinen Länderministerkollegen in Berlin. Der Bußgeldrahmen für Alkoholsünder am Steuer soll auf 3.000 Euro und für Raser oder Drängler auf 2.000 Euro verdoppelt werden. - Am Telefon bin ich nun verbunden mit Volker Lempp vom Automobilclub Europa, abgekürzt ACE. Guten Tag Herr Lempp!

    Lempp: Guten Tag!

    Breker: Herr Lempp, das Motto "Es muss weh tun, damit es wirkt". Das hat auch für Autofahrer Gültigkeit?

    Lempp: Die Frage ist, was tut denn weh. Was tut dem Autofahrer weh? Wenn Sie einen Rechtsanwalt oder Verkehrsexperten fragen, der wird gleich sagen, die Punkte in Flensburg tun ihm weh, ihm tut das Fahrverbot weh, und um das zu vermeiden ist er - ich sage es jetzt mal übertrieben -, bereit jeden Preis zu zahlen. Das Bußgeld ist eigentlich das - da sind sich glaube ich die Experten einig -, was dem Verkehrssünder am wenigsten weh tut. Deswegen fragen wir uns schon, wenn es hier um die Verkehrssicherheit geht, wieso wird bei den Bußgeldern angesetzt und nicht woanders.

    Breker: Sie meinen 3.000 Euro, das würde für den einen oder anderen kein Problem darstellen?

    Lempp: Er muss jetzt ja nicht 3.000 Euro bezahlen. Wir reden ja hier von einer Anhebung des Bußgelderrahmens, die Raum schafft für höhere Bußgelder im Einzelfall. Das müsste ja dann noch ausgefüllt werden und da würden wir auch gerne wissen, an welche Delikte hier konkret gedacht ist. Ich meine die gravierenden Geschichten, Alkohol, Drogen etc., da haben wir ja ganz scharfe Strafgesetze im Strafgesetzbuch. Da gibt es hohe Geldstrafen, sogar Freiheitsstrafen. Es gibt Führerscheinentzug. Ich meine diese schweren Delikte, die auch die anderen Verkehrsteilnehmer extrem gefährden, sind ja schon im strafrechtlichen Bereich weitgehend abgedeckt.

    Wir reden hier von Verkehrsordnungswidrigkeiten, also Bußgeldtatbeständen, und wenn da jemand sagt, hier sind die bisherigen Bußgelder nicht ausreichend, vor dem Hintergrund, dass es eben auch Punkte, dass es Fahrverbote bis zu drei Monaten gibt, dann will ich da schon mal nachfragen.

    Nur ein Beispiel aus dem aktuellen Bußgeldkatalog. Wer über 70 KM/h zu schnell fährt, hat zwar nur 375 Euro Bußgeld zu gewärtigen, aber er bekommt vier Punkte und drei Monate Fahrverbot. Wie wollen sie einen solchen Raser noch zusätzlich abschrecken, wenn sie einfach das Bußgeld heraufsetzen? Die Frage muss schon erlaubt sein.

    Breker: Sie meinen, bei dem Bußgeld könnte es dann am Ende darauf hinauslaufen, dass die Reichen in diesem Lande sagen okay, was soll's, das kann ich mir leisten, und die eigentlich Betroffenen, die weniger begüterten in diesem Lande, wären so ähnlich wie bei der Mehrwertsteuer dran?

    Lempp: Das ist ein Aspekt unter vielen, den man sicher auch mit berücksichtigen muss. Aber auch das Fahrverbot trifft die Leute ja nun sehr unterschiedlich. Ich will jetzt nicht von Vornherein sagen, eine Bußgelderhöhung ist abzulehnen, aber man muss hier wirklich konkret werden, nicht einfach jetzt hier so eine öffentlichkeitswirksame Geste streuen, sondern wir wollen wissen, weshalb welche Ordnungswidrigkeiten stärker mit Bußgeld belegt werden sollen und weshalb der Verkehrsminister dazu kommt, aufgrund welcher Erkenntnisse, dass das im Sinne einer erhöhten Abschreckung funktioniert. Das ist mir also nach wie vor nicht ganz klar.

    Breker: Im Zusammenhang mit diesen neuen Bußgeldvorstellungen des Bundesverkehrsministers kam auch schon das Wort von der Abzocke, und zwar aus den Reihen der Landesverkehrsminister.

    Lempp: Gut, das ist ein gewisser Verdacht, den man haben kann. Wenn der Verkehrsminister es nicht fertig bringt, die angeblichen Sicherheitserwägungen seiner Vorschläge überzeugend darzutun, dann fragt man sich schon, was steckt eigentlich dahinter. Wenn es die Verkehrssicherheit nicht ist, dann ist es vielleicht doch der Hintergedanke, wir holen mehr Geld in die Kasse, und das wäre ja nun auch nicht von Vornherein illegitim. Aber dann müssten diese Mehreinnahmen entsprechenden Zwecken dann auch zugeführt werden, sprich Straßenausbau, Verkehrssicherheit etc.

    Breker: Herr Lempp, wir haben ja derzeit überhaupt keine allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzung. Solange wie es die nicht gibt, was ist da eine Erhöhung der Strafen für Geschwindigkeitsübertretungen?

    Lempp: Noch mal: wir haben es hier mit einem Bußgeldrahmen zu tun. Wie hier gerade die Geschwindigkeitsüberschreitungen künftig stärker geahndet werden sollen, das vermag ich nicht vorauszusagen.

    Breker: Ich meinte das als Frage der Glaubwürdigkeit, wenn man einerseits keine allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzung hat, aber innerhalb der Städte, wenn einer statt 50 mit 60 fährt, dann drastisch zuschlagen möchte. Wie glaubhaft ist eine solche Verkehrssicherheitspolitik?

    Lempp: Ich will jetzt nicht unbedingt juristisch argumentieren, aber ich lege ja zunächst mal die Regeln fest, an die sich jeder halten soll, und dann kommt die Ahndung, wenn einer dagegen verstößt. Ob ich jetzt ein allgemeines Limit habe oder differenzierte Limits, macht für mich in dem Zusammenhang keinen Unterschied.

    Breker: Nun sagen ja auch Kritiker, statt ständig die Strafen zu erhöhen wäre es sinnvoller, man würde schlichtweg besser kontrollieren.

    Lempp: Das ist ein bisschen ein wohlfeiles Argument angesichts der Tatsache, dass wir ja in Deutschland verglichen mit Europa schon eine sehr hohe Kontrolldichte haben. Ich glaube da muss man einfach ehrlich sein und sagen, da ist nicht so arg viel mehr drin. Das wäre sicherlich kein Mittel, jetzt die Verkehrssicherheit kurzfristig anzuheben. Wir haben einfach nicht mehr Personal!

    Breker: Herr Lempp, Sie haben Europa angesprochen. Wenn denn dieser Bußgeldkatalog Wirklichkeit werden sollte, den Wolfgang Tiefensee heute vorstellen will und mit seinen Länderministern diskutieren will, wenn es Wirklichkeit werden würde, wie stünde dann Deutschland im europäischen Vergleich da?

    Lempp: Wir haben ja mal beim ACE vom Bußgeldparadies gesprochen. Wir haben ja im europäischen Vergleich relativ niedrige Bußgelder, was gerade auch mit der hohen Kontrolldichte zusammenhängt. Da ist ein Zusammenhang. Je höher die Kontrolldichte, desto weniger muss ich bei den Bußgeldsätzen hoch ansetzen. In den nordischen Staaten, wo relativ wenig kontrolliert wird, haben sie exorbitante Bußgeldbeträge zur Abschreckung. Da ist sicherlich Spielraum, wenn man sich auf europäischer Ebene verständigt und eine einheitliche Lösung findet. Dann müssen vielleicht auch in Deutschland die Bußgelder hoch, aber dann muss auch immer wieder das ganze System mit betrachtet werden. Wir haben eben nicht nur die Bußgelder; wir haben die Punkte, wir haben die Fahrverbote. Das ist in anderen Ländern auch wieder ganz anders. Wir dürfen hier also nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Niedrige Bußgelder in Deutschland heißt noch nicht, dass Verkehrssünder in Deutschland generell besser weg kommen als im Ausland.

    Breker: Ich darf Sie zusammenfassen, Herr Lempp. Sie wären dafür, dass man, wenn es denn den Autofahrern, den Sündern unter den Autofahrern so richtig weh tun soll, eher in Richtung Fahrverbote strenger wird denn in Richtung Bußgeld?

    Lempp: Das sollte man sich genau überlegen. Ich wage da noch keine Prognose. Aber jetzt einfach Gelder rauf, das ist mir zu einfach. Ich will einfach eine Begründung haben, weshalb und was es bewirken soll, und die fehlt uns im Moment noch.

    Breker: Vom Automobilclub Europa war das Volker Lempp. Herr Lempp, danke für dieses Gespräch!

    Lempp: Okay. Danke!