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BVB-Attentat
Versuchte Aktienkurs-Manipulation "komplett sinnlos"

Der vermeintliche Attentäter des Anschlags auf die BVB-Mannschaft soll versucht haben, mit der Tat den Wert der BVB-Börsenaktie in die Höhe zu treiben - aus Habgier. Ein Finanzexperte beurteilt den Versuch als "komplett sinnlos". Wirksame Kontrollmechanismen stünden dem entgegen.

Von Brigitte Scholtes | 21.04.2017
    Eine Hausdurchsuchung in Rottenburg im Zusammenhang mit dem Anschlag auf den Bus von Borussia Dortmund vor dem Champions-League-Spiel gegen AS Monaco am 11.04.2017 in Dortmund.
    Eine Hausdurchsuchung im Zusammenhang mit dem Anschlag auf den Bus von Borussia Dortmund vor dem Champions-League-Spiel gegen AS Monaco am 11.04.2017 in Dortmund. (imago /Ulmer)
    Börsenkurse zu manipulieren – das gehört fast zum täglichen Geschäft. Immer wieder gibt es Versuche, die Kurse in die ein oder andere Richtung zu drehen. Einen Fall wie diesen, bei dem offenbar der Tod vieler Menschen in Kauf genommen wurde, den habe es bisher noch nicht gegeben, sagt Sebastian deSchmidt, bei der Finanzaufsicht Bafin Referatsleiter Insiderhandel:
    "Soweit es um die Zuständigkeiten der BaFin geht, würden wir das nach momentanem Stand als Insiderhandel einordnen. Weil davon auszugehen ist, dass der Täter hier einen Wissensvorsprung dahingehend hatte, dass natürlich er wusste, dass der Anschlag bevorsteht und diesen Wissensvorsprung genutzt hat, um sich vorher – so der Verdacht – zu positionieren. Also auf fallende Kurse zu spekulieren, und somit dann nach dem Anschlag seinen Wissensvorsprung zu Geld machen zu können."
    In der Finanzkrise hätten Gerüchte gereicht, um Kurse zu manipulieren
    Es wäre um viel Geld gegangenen, weil die Optionen auf einen stark fallenden Kurs zu einem kleinen Preis, für ein paar Cent wohl, zu kaufen waren. Um Kurse zu manipulieren, hätten in der Zeit der Finanzkrise schon Gerüchte gereicht, meint Robert Halver, Aktienstratege der Baader-Bank:
    "In einer angeschlagenen Situation hat man das Gerücht auch 'gefressen', wie man in der Börsensprache sagt. Und dann sind die Kurse dramatisch abgestürzt und man hat viel Geld verdient. Das ist heute ausgeschlossen, weil heute die Handelsüberwachungsstellen ganz genau schauen, wer da Gerüchte verbreitet, wer da mit welchen Volumina versucht, diese Wette zu platzieren, das wird genau untersucht."
    Die Tatbestände, was eine Marktmanipulation ist, sind etwa erst im vergangenen Juli verschärft worden. Das war nicht immer so, erinnert sich Stefan Müller, der lange als Händler gearbeitet hat und heute Geschäftsführer der DGWA, der Deutschen Gesellschaft für Wertpapieranalyse ist:
    "Früher, wo die Damen und Herren noch zur Börse gegangen sind, sind dann stellenweise vermeintlich vertrauliche Papiere zufälligerweise in Kneipen liegen gelassen worden und so was. Dass Leute irgendwelche Gerüchte verbreiten, ist auch Kursmanipulation. Dass Leute versuchen, das Management bloßzustellen, die Bilanzen in Frage stellen, da gab’s in der Vergangenheit in Deutschland z.B. den Wirecard-Fall, wo immer wieder das Geschäftsmodell in Frage gestellt wird mit vermeintlichen Beweisen. WCM gab’s auch mal, es gab die großen Hedgefonds von Bernie Maddox in der Krise 2008 oder auch Florian Homm hier in Deutschland. Der ist ja auch relativ bekannt, dass er die Kurse in seinem Fonds manipuliert und künstlich oben hält."
    "Das lassen wir nicht mehr zu"
    Doch spätestens seit der Finanzkrise sei den Aufsichtsbehörden klar geworden, welche Folgen Kursmanipulationen hätten, sagt Robert Halver von der Baader Bank:
    "Er ist schon größer geworden nach der Immobilienkrise, wo man gemerkt hat, dass man mit haltlosen Wetten – ich habe nichts gegen Wetten, aber gegen Wetten, wo man ein gesamtes Finanzgefüge in die Bredouille bringt –, dass man da heute viel genauer aufpasst und sagt, das lassen wir nicht mehr zu."
    Der Fall des vermutlichen BVB-Attentäters wird natürlich auch an der Börse heiß diskutiert. Doch Erfolg hätte der Täter wahrscheinlich nicht gehabt, vermutet Stefan Müller von der DGWA:
    "Die Mechanismen, die sowas aufdecken, sind inzwischen so schnell und greifen sofort, sodass die Banken innerhalb der zwei Tage, die er hätte warten müssen, bis das Geld auf seinem Konto ist, wahrscheinlich das Geld gesperrt hätten bzw. die Ermittlungsbehörden sowieso zugegriffen hätten. Von daher ist der Versuch rein aus handelstechnischen Hintergründen komplett sinnlos gewesen."
    Ein Profi-Betrüger, so vermuten Börsianer, könne der Verdächtige deshalb wohl nicht gewesen sein. Doch sie sind entsetzt – so wie Robert Halver:
    "Das mit dem BVB ist natürlich eine absolut asoziale, widerwärtige Tat, wo man wissentlich auch den Tod von Spielern in Kauf nimmt, um damit den Aktienkurs des BVB zum Fallen zu bringen. Also, das ist eine neue Dimension in Deutschland."