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Bye bye Netzneutralität

Netzneutralität beinhaltet die Gleichbehandlung von allen Datenübertragungen im Internet. Diese Neutralität könnte jetzt wackeln, denn die EU-Kommission soll planen, dass Kommunikationsfirmen Inhalte im Internet gegen Bezahlung schneller oder in besserer Qualität transportieren dürfen.

Von Stephanie Rohde | 17.07.2013
    "Blocken und drosseln von Internetdiensten schadet uns allen. Bitte unterstützt mich, um das alles zu stoppen."

    Das twitterte Neelie Kroes, die EU-Kommissarin für die Digitale Agenda noch Ende Mai. Jetzt scheint sie eine Kehrtwende beim Thema Netzneutralität vollzogen zu haben: Einem Bericht des "Handelsblatts" zufolge plant die Kommission jetzt, dass Kommunikationsfirmen Inhalte im Internet gegen Bezahlung schneller oder in besserer Qualität transportieren dürfen.

    Konkret geht es um den folgenden Satz in dem geleakten Dokument: "Inhalteanbieter und Telekommunikationsprovider sind frei, miteinander Vereinbarungen zum Umgang mit Volumentarifen der Kunden und der Übertragung von Daten unterschiedlicher Qualitätsklassen zu schließen." Das widerspricht jedoch der Gleichbehandlung aller Inhalte im Internet, der sogenannten Netzneutralität. Kirsten Fiedler von der internationalen Bürgerrechtsvereinigung European Digital Rights in Brüssel kritisiert die Kommissarin für ihre Vorschläge:

    "Sie will das genaue Gegenteil von Netzneutralität festschreiben lassen, das heißt, sie will ausdrücklich erlauben, dass Kommunikationsunternehmen Deals eingehen können mit Inhalteanbietern. Dadurch kommt es zu positiver Diskriminierung und andere kleine Start-ups hätten nicht die gleichen Chancen auf dem Markt wie größere Anbieter, die es sich leisten können, Vereinbarungen einzugehen."

    Wie viele Kritiker warnt Fiedler vor einem Zwei-Klassen-Internet. Der EU-Plan könnte dazu führen, dass das Internet nicht mehr allen Nutzern in der gleichen Weise offensteht.

    "Für uns ist es klar ein Verstoß gegen Artikel elf der Grundrechtecharta, das heißt: Das nimmt Bürgern die Freiheit, ohne Eingriffe Informationen zu senden oder zu empfangen."

    Die EU-Kommissarin Neelie Kroes, die den Plan entworfen hat, bestreitet diese Vorwürfe vehement. Die geleakten Dokumente seien veraltet und damit hinfällig. Ihr Sprecher Ryan Heath weist darauf hin, dass die Netzneutralität derzeit weder in Deutschland noch in den meisten anderen europäischen Ländern gewährleistet sei.

    "Im Moment weiß ein Nutzer nicht, welche Geschwindigkeit er bekommt, wenn er einen Vertrag unterschreibt. Und es ist sehr schwer herauszufinden, ob man die richtige Geschwindigkeit geliefert bekommt.
    Wir geben den Nutzern das Recht, diese Informationen zu erhalten und den Vertrag zu kündigen. Und das ist entscheidend, um Netzneutralität zu gewährleisten."

    Den Vorwürfen, große Internetprovider würden durch die Pläne der Kommissarin Kroes bevorzugt, begegnet ihr Sprecher offensiv:

    "Wir wollen sicherstellen, dass jedes kleine Unternehmen und jeder mit einer Geschäftsidee die Möglichkeit hat, im Internet zu sein und jedem seine Dienstleistungen zu verkaufen. Momentan können diese Dienste blockiert werden oder man kann gezwungen werden, eine Plattform wie Apple zu nutzen. Wir wollen nicht, dass Leute so eingesperrt werden, wir wollen ihnen mehr Freiheiten geben."

    Die Internetprovider reagierten positiv auf den vorab bekannt gewordenen Plan der Kommissarin Kroes. Ihnen ist daran gelegen, dass die Kommission nicht bereits im Vorhinein Geschäftsmodelle verbietet.