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Caffier: Alle demokratischen Kräfte müssen hier zusammenrücken

Lorenz Caffier, Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern, hat seine Forderung nach einem Verbot der NPD bekräftigt. Es sei offensichtlich, dass die Partei und Vertreter aus den sogenannten Kameradschaften immer aggressiver agieren würden. Bei einem neuen Anlauf müssten Fehler aus dem ersten Verbotsverfahren unbedingt ausgeschlossen werden.

Lorenz Caffier im Gespräch mit Jochen Spengler |
    O-Ton: Klar ist, die NPD ist verfassungswidrig und wir müssen noch mal alles überprüfen, ob wir nicht doch zu einem Verbotsverfahren erfolgreich kommen könnten.

    O-Ton: Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass das Material, was gegen die NPD vorliegt, den eindeutigen verfassungsfeindlichen Charakter nachweist und dass es auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen würde, eine solche Partei zu verbieten.

    O-Ton: Kein Zweifel besteht, dass die NPD verfassungsfeindlich ist, aber wir müssen auch darauf hinweisen, dass aus der Verfassungsfeindlichkeit nicht automatisch das Verbot folgt.

    Jochen Spengler: Das waren Stimmen der Innenminister der Länder zu einem möglichen NPD-Verbot, die Stimmen der Innenminister aus Niedersachsen, aus Bayern, aus Berlin und aus Hessen. Ein erster Versuch, die Partei verbieten zu lassen, war vor fünf Jahren gescheitert. Das Bundesverfassungsgericht hatte moniert, dass die NPD mit V-Leuten des Verfassungsschutzes durchsetzt sei. SPD-Politiker fordern einen neuen Anlauf schon lange und nach dem Mordversuch an Passaus Polizeichef Alois Mannichl schwenken auch Unionspolitiker um - Bayerns Ministerpräsident Seehofer etwa oder die Regierungschefs von Sachsen-Anhalt und Thüringen. Der einzige Innenminister der CDU, der ein NPD-Verbot schon lange fordert, amtiert in Mecklenburg-Vorpommern, wo ihm im Landtag die NPD gegenübersitzt. Er heißt Lorenz Caffier und er ist jetzt am Telefon. Guten Morgen, Herr Caffier.

    Lorenz Caffier: Schönen guten Morgen.

    Spengler: Herr Caffier, hätte ein NPD-Verbot ein Attentat wie das von Passau verhindert?

    Caffier: Das kann man so pauschal nicht beurteilen, aber auf jeden Fall stellen wir fest, dass die Aggressivität zunimmt, mit der insbesondere Vertreter aus den Kameradschaften, die ja sehr eng mit der NPD verbunden sind, immer offensiver und aggressiver auftreten, und zumindest solche Verknüpfungen von NPD und Kameradschaften wären natürlich durch ein Verbot auch auszuschließen.

    Spengler: Warum wollen Sie überhaupt ein Verbot?

    Caffier: Ich bin der festen Auffassung, das nicht erst seit gestern, dass die NPD nicht auf den freiheitlich-demokratischen Grundwerten des Rechtsstaates der Bundesrepublik Deutschland steht und mit ihrem aggressiv kämpferischen Auftreten, was nun in der Tat nicht zu leugnen ist, versucht, eine andere Gesellschaftsform aufzubauen, und versucht, in die Mitte der Gesellschaft zu rücken.

    Spengler: Das heißt, Sie sagen, die NPD ist verfassungsfeindlich?

    Caffier: Das ist korrekt.

    Spengler: Nun sagen ja viele Ihrer Kollegen, die noch skeptisch gegenüber einem NPD-Verbot sind, nicht, dass die NPD nicht verfassungsfeindlich sei - da teilen sie ja Ihre Meinung -, sondern sie sagen, man werde ein Verbot vor Gericht nicht durchsetzen können. Die Bundeskanzlerin hat jetzt gesagt, das Schlimmste wäre es, wenn man zum zweiten Mal scheiterte. Wäre das auch für Sie das schlimmste Szenario?

    Caffier: Für mich wäre das Szenario eines Scheiterns genauso schlimm wie für alle anderen. Deswegen müssen, wenn man eines durchführen will, zwei Kriterien auf jeden Fall erfüllt sein. Ich meine, die Länder und der Bund müssten sich einig sein, dass sie ein Verbotsverfahren wollen, das sie mit der dementsprechenden Akribie vorbereiten und die Fehler, die beim ersten Mal gemacht worden sind, die ja letztendlich gar nicht in der Hauptverhandlung geendet sind, sondern die schon an Formalien gescheitert waren, von Vornherein ausschließen. Deswegen haben wir uns eben ausschließlich auf Materialien bezogen, beispielsweise die Herr Pasteurs oder anderer Funktionsträger der NPD hier im Lande in der Öffentlichkeit geäußert haben, in Zeitungsinterviews und in anderen Auftritten. Insofern kann man, glaube ich, auch eine Reihe von den Fehlern, die gemacht worden sind, ausschließen. Ich halte es aber trotzdem für ganz wichtig, dass alle demokratischen Kräfte in Deutschland dann hier zusammenrücken und sagen wenn, dann wollen wir nicht vorher schon wieder auseinanderdriften.

    Spengler: Müsste der Staat, um ein Verbotsverfahren erfolgreich im Bundesverfassungsgericht durchsetzen zu können, sämtliche V-Leute aus der NPD abziehen, oder reicht das, was Sie angedeutet haben, das interne Material der NPD nicht vor Gericht heranzuziehen, sondern einfach die öffentlichen Äußerungen?

    Caffier: Erst einmal heißt es ja, dass man über die V-Leute spricht, die in der Führungsetage installiert sein sollen, das heißt am Meinungsbildungsprozess auf der Spitzenebene sozusagen mit beteiligt sind. Es ist ja schon mal ein Unterschied zwischen V-Leuten allgemein und V-Leuten in der Spitze. Zum anderen halte ich den Weg, dass man das ausklammert, indem wir uns auf das Auftreten in der Öffentlichkeit beschränken, aus meiner Sicht für ausreichend. Aber wie gesagt, bei zwei Juristen gibt es auch zwei unterschiedliche Auffassungen. Auf jeden Fall muss es genau vorbereitet sein.

    Wir hatten ja auch gerade in den vergangenen Wochen hier Angriffe auf Polizeifahrzeuge durch rechtsextremistische Täterkreise, die auch immer ganz deutlich zum Ausdruck gebracht haben, wie die NPD sich in der Struktur zum Teil geändert hat, eben nicht mehr nur im Nadelstreifenanzug auftritt, sondern eben auch aggressiv, offensiv.

    Spengler: Wir sprechen im Deutschlandfunk mit Lorenz Caffier, dem Christdemokraten und Innenminister Mecklenburg-Vorpommerns, der für ein NPD-Verbot plädiert. - Herr Caffier, warum ändert der Staat nicht endlich das Verfassungsgerichtsgesetz so, dass für ein Parteienverbot die einfache Mehrheit der Verfassungsrichter ausreicht und nicht mehr eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig ist?

    Caffier: Ich bin als Landesminister für die innere Sicherheit zuständig und nicht für die Gesetzgebung auf Bundesebene. Das ist eine Diskussion, die auf der Ebene des Bundes schon über viele Jahre geführt wird. Es gibt auch gute Gründe dafür, dass das Verbotsverfahren auf einer hohen Hürde aufgebaut ist, damit man das sozusagen nicht so einfach über einfache Mehrheiten bestimmen kann, wer einem passt und wer einem nicht passt. Insofern gibt es auch gute Gründe dafür, die Hürde so hoch zu hängen. Wenn man letztendlich aber zur Auffassung kommt, dass die jetzigen dieses nicht mehr erfüllen, dann müssen wir in jedem Fall auch als Staat handeln.

    Spengler: Die Länder haben sich letzte Woche nicht auf eine Arbeitsgruppe für das NPD-Verbotsverfahren geeinigt. Wird nun wieder nur geredet, oder glauben Sie, dass es vielleicht doch noch zum Verbotsverfahren kommt?

    Caffier: Ich glaube, dass man in allen Ländern und auch auf Bundesebene auf jeden Fall den Ernst der Situation erfasst hat und dass wir über die Gespräche hinaus auch zu einer Handlungsform kommen, die gegebenenfalls Land und Bund in die Voraussetzung bringt, dass wir einen neuen Anlauf nehmen können.

    Spengler: Wie wollen Sie denn verhindern, sollte dieser Anlauf erfolgreich sein, dass die NPD-Mitglieder gleich nach einem Verbot nicht eine neue Partei gründen oder in den Untergrund abtauchen?

    Caffier: Das kann man allein durch ein Verbotsverfahren so sicherlich nicht verhindern, sondern der Kampf gegen Extremismus links wie rechts, aber hier bei uns im Land eben stärker bei Rechtsextremismus, der ist natürlich auch ganz klar damit verbunden, dass wir uns mit der Situation auseinandersetzen müssen. Hier im Landtag beispielsweise ist die NPD ja durch eine Fraktion vertreten. Das heißt, sie ist damit zurzeit auch wählbar. Das heißt, sie erhält auch öffentliche Mittel, Steuergelder, um ihre Arbeit dementsprechend umsetzen zu können. Dies alles würde es bei einem Verbotsverfahren nicht mehr geben und damit wären natürlich maßgebliche Dinge wie das zur Verfügung stellen von Finanzmitteln einfach abgeschnitten.

    Spengler: Könnte man die finanzielle Zuwendung der NPD nicht anders verhindern?

    Caffier: Solange die NPD als Partei nicht verboten ist, ist sie halt zugelassen als Partei, zu Wahlen anzutreten, und wenn sie dann gewählt ist, wie es eben leider hier in Mecklenburg-Vorpommern der Fall war, dann stehen ihnen eben auch die staatlichen Zuschüsse als gewählte Fraktion zur Verfügung. Die sind dann halt eben nicht zu verhindern. Das ist halt verbunden mit der Wahl in den Landtag.

    Spengler: Nun hat der Innenminister Niedersachsens vorgeschlagen, man sollte die Zuwendung von Parteien davon abhängig machen, ob sie verfassungsfeindlich sei oder nicht.

    Caffier: Die Diskussion, die da geführt wird, ist sicherlich auf Parteien bezogen grundsätzlich richtig. Dazu hat er ja auch ein Gutachten anfertigen lassen, auf das wir uns auf der Innenministerkonferenz verständigt haben. Aber wir müssen ja auch erst mal unterscheiden zwischen Parteien und zwischen Fraktionen. Auch dort sind ja sozusagen die Ausgangssituationen, wer wie Geld erhält, andere. Deswegen im Landtag beispielsweise generell nur, wenn die NPD verboten wäre und damit auch als Partei nicht mehr wählbar wäre für den Landtag. Das ist ja im Übrigen auch ein großes Problem, dem Bürger verständlich zu machen, dass wir die NPD-Kandidaten nicht als Landrat oder als Ehrenbeamte ernennen. Anders herum sitzen sie aber im Landtag.

    Spengler: Ist es nicht viel wichtiger, Herr Caffier, statt eines NPD-Verbots die Gesinnung zu ändern, denn die kann man nicht verbieten?

    Caffier: Das ist vollkommen richtig, dass wir als Gesellschaft in Gänze uns mit der Problematik Extremismus auseinandersetzen müssen, hier wie gesagt im Land speziell Rechtsextremismus. Das beginnt schon im Elternhaus und führt über Kindergarten, Schule, bis ins Berufsleben. Da haben wir eine gemeinsame Aufgabe. Nur die Formulierung, was tut ihr gegen Extremismus, Rechtsextremismus, ist aus meiner Sicht schon falsch. Wir können nur formulieren, was tun wir dagegen. Es ist eine gemeinsame Aufgabe, die wir zu lösen haben. Da ist gerade im Bereich Bildung noch Erhebliches zu leisten.

    Spengler: Das war der christdemokratische Innenminister Mecklenburg-Vorpommerns, Lorenz Caffier, mit dem ich vor der Sendung gesprochen habe.