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Cameron auf Anti-EU-Kurs

David Cameron droht damit, Großbritannien könne sich aus der europäischen Menschenrechtskonvention zurückziehen, um illegale Einwanderer leichter ausweisen zu können. Vor allem wolle er, die Beziehung zur EU radikal verändern. Das hat einen ganz profanen Grund.

Von Jochen Spengler | 30.09.2013
    Blanke Panik wäre übertrieben, aber es herrscht Unruhe in Manchester. So sehr, dass sich Premierminister David Cameron im BBC-Interview noch vor Beginn des Parteitags gestern Nachmittag gezwungen sah, die eigenen Reihen zu schließen mit Kritik an Europa. Er wolle einen neuen EU-Vertrag aushandeln mit dem Ziel:

    "Die Europäische Union als Ganze zu verändern, weil sie zu wettbewerbs- und unternehmensfeindlich und zu bürokratisch geworden ist."

    Cameron weiß, dass EU-Bashing immer gut kommt bei seinen Tories, und er sagt, er wolle die Beziehung Großbritanniens zur EU radikal verändern.

    "Das Ziel einer immer engeren Union ist nicht das, was wir Briten wollen, was ich will. Andere Staaten können die gern anstreben, aber ich will sicherstellen, dass wir da raus kommen".

    Die Konservativen stehen unter Druck der rechtspopulistischen Unabhängigkeitspartei UKIP, die lieber gestern als heute die EU verlassen würde und damit Wähler abwirbt. Aber nicht UKIP-Chef Nigel Farage ist der Grund für die Unruhe bei den Tories in Manchester, sondern Ed Miliband; der Labour-Oppositionsführer hat letzte Woche geschickt das Tory-Argument vom Aufschwung gekontert, mit der Feststellung, es sei nur ein Aufschwung für wenige.

    "Über Generationen war es so: Wenn die Wirtschaft wuchs, ging es der Mehrheit besser. Diese Verbindung ist irgendwann zerbrochen. Man sagt, die Flut hebt alle Boote hoch; dieses Mal scheint sie nur die Jachten zu heben."

    Miliband versprach für den Fall eines Labour-Siegs im Mai 2015 die stetig steigenden Energiepreise einzufrieren. Das kam gut an beim Wähler, der derzeit ziemlich volatil reagiert. Gab es vor einer Woche noch einen Gleichstand in den Umfragen, führt Labour nun mit 42 Prozent elf Punkte vor den Tories.

    Und so machte man sich - während draußen vor dem streng abgeschirmten Parteitag in Manchester Zehntausende Gewerkschafter gegen die Spar- und Gesundheitspolitik der Regierung demonstrierten, drinnen Mut, indem man das Vermächtnis der eisernen Lady Margaret Thatcher würdigte, der in diesem Jahr verstorbenen Parteiikone.

    Maggie Thatcher setzte durch, dass viele Briten, die Reihenhäuser, in denen sie wohnten, der Gemeinde abkaufen konnten. Daran wollen die Tories jetzt anknüpfen und ab sofort ein neues, umstrittenes Hauskaufprogramm starten. Erstkäufer sollen nur noch fünf Prozent Eigenkapital aufbringen müssen. Der Staat steuert bis zu 20 Prozent der Kaufsumme bei - als nicht verzinsbares Darlehen. Experten fürchten eine neue Immobilienblase, doch das Schaulaufen der Parteien nach dem Motto "Wer bietet mehr" ist längst eröffnet.

    Von der Plenarsaalwand prangen die konservativen Erfolgsparolen: Sozialstaat gekappt, Verbrechen vermindert, Einwanderung gesenkt. Die Tories setzen in Manchester neben Wahlgeschenken auf traditionelle konservative Werte, auf Law and Order und die Streitkräfte.

    "We are fortunate indeed."

    Verteidigungsminister Philip Hammond hält das Loblied auf die beste Armee der Welt, wird dann aber jäh unterbrochen von einem erregten Ex-Oberst, der gegen die Kürzungen bei den Streitkräften und die Auflösung seines königlichen Regiments der Füsiliere protestiert. Doch Cornel Ian Brazier, mit schmuckem Barett und Federbuch, will sich nicht setzen. Er, der einst auch in der britischen Rheinarmee diente, wird aus dem Saal geführt und sagt:

    "Sie wollen unser Regiment ausmachen, und dazu sage ich Nein, ich war Konservativer, aber im Moment weiß ich nicht."