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Cannabis als Medizin
Grün ist die Hoffnung

Cannabis hilft bei einigen Krankheiten zur Schmerzlinderung. Deshalb dürfen Patienten in Ausnahmefällen das Rauschgift über die Apotheke beziehen. Das ist allerdings sehr teuer. Wer es aber selbst anbaut, macht sich strafbar - prozessiert wird dazu durch alle Instanzen.

Von Claudia Heissenberg | 28.09.2014
    Cannabis-Pflanze in der Nähe der nordisraelischen Stadt Safed
    Cannabis-Pflanze: Der Anbau ist in Deutschland verboten. (dpa / picture alliance / Abir Sultan)
    "Mein Name ist Frank Josef Ackerman, ich bin 43 Jahre alt, Cannabispatient. Es ist meine Medizin, es macht wieder, dass ich etwas essen kann und dass die Schmerzen weggehen, dass ich mich einigermaßen bewegen kann am Tag."
    Frank Josef Ackerman leidet seit sieben Jahren unter Polyarthrose, einer schmerzhaften Verschleißerkrankung nahezu aller Gelenke. An guten Tagen, wenn es warm ist und die Sonne scheint, schafft er es manchmal, morgens Brötchen für die Familie zu holen. An schlechten verbringt er die meiste Zeit im Bett und bekommt keinen Bissen herunter. Der 43-Jährige hat kaputte Knie und eine kaputte Hüfte, auch die Zehen kann er kaum noch bewegen.
    "Am Anfang von der Krankheit habe ich ja erst gedacht, ich hab eine Grippe. Ich habe mich auf eine Grippe behandeln lassen, mir haben die Gelenke wehgetan. So und dann bin ich nach einer Woche wieder hin und habe gesagt, es wird einfach nicht besser, es wird nicht besser. Und dann bin ich dann nach Landau ins Krankenhaus, habe mich röntgen lassen und dann haben sie dann gesagt, da oben an meinen Schultern, in meinem ganzen Brustkorb oben, wäre Arthrose."
    Früher war Frank Ackerman als Berufssoldat beim US-Militär in Afghanistan und im Irak stationiert. Seitdem hat er mehr als 25 Kilo abgenommen und wurde dreimal operiert. Doch die Schmerzen sind geblieben. Um sie zu betäuben, verschrieben die Ärzte ihm Valeron, ein starkes synthetisches Opiat.
    "Und von diesem Opiat ist auch mein Magen und Darm kaputt. Es hat mir gut geholfen mit den Schmerzen, keine Frage. Aber was ich jetzt dafür eingebüßt habe, dass ich jetzt kaum noch was essen kann, kaum noch was trinken kann, Toilette Probleme, Magen, Darm bluten. Das sind halt dann die Sachen nach den paar Jahren von Valeron. Leber staut, Nierenzysten, ja, ich kann halt keine Nahrung mehr aufnehmen ohne das Marihuana."
    Erlaubter Drogenkonsum
    Um die Übelkeit und die Schmerzen einigermaßen in Schach zu halten, greift der Familienvater vier bis acht Mal am Tag zur Wasserpfeife. Einen Rausch verspürt er nach dem Konsum der Droge schon lange nicht mehr. Sogar in seinem Führerschein ist vermerkt, dass er unter Cannabiseinfluss Auto fahren darf.
    "Ich bin so wie jeder andere Mensch auch ohne einen Rausch. Dieser Rausch, ich empfinde den Rausch nicht mehr. Das verbessert nur den Zustand, dass ich es einigermaßen ertragen kann, das macht vielleicht den Schmerzpegel von 10 auf eine 4 runter. Es gab auch manchmal Tage, bevor ich Cannabis genommen habe, dass ich einfach den Kopf an die Wand geschlagen habe und wollte mal einen anderen Schmerz haben."
    Frank Ackerman ist einer von 270 Menschen in Deutschland, die eine behördliche Erlaubnis für den Erwerb und Konsum von Cannabis aus der Apotheke haben. 75 Euro hat er für diese Lizenz an die Bundesopiumstelle im Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in Bonn gezahlt. Außerdem musste er nachweisen, wie er die Droge in seiner Wohnung vor Diebstahl schützt und einen Arzt finden, der ihm bestätigt, dass er mit den herkömmlichen Medikamenten austherapiert ist.
    "Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte muss durch die vorgelegten Unterlagen im Rahmen einer qualifizierten Plausibilitätskontrolle zu dem Ergebnis gelangen können, dass eine Behandlung mit dem beanspruchten Betäubungsmittel mangels geeigneter und verfügbarer Therapiealternativen erforderlich ist."
    Informiert die Behörde auf ihrer Internetseite.
    "Die Entscheidung ist stets eine Einzelfallentscheidung. Sie muss die konkreten Gefahren des Betäubungsmitteleinsatzes, aber auch dessen möglichen therapeutischen Nutzen in Rechnung stellen."
    "Ich habe diese Ausnahmegenehmigung bekommen, aber ich sag es mal ganz offen und ehrlich, die Ausnahmegenehmigung nützt mir sehr, sehr wenig."
    Medizinisches Marihuana ist sehr teuer
    Denn die Kosten für das medizinische Marihuana muss der Patient selber tragen.
    "Das ist jetzt Cannabis aus der Apotheke, das ist Cannabisflos, ich bezahle zur Zeit 120 Euro für fünf Gramm und habe einen Monatsbedarf von ungefähr 60. Und dann kann sich jeder ja zusammenrechnen, wenn man nicht so viel Geld hat, wenn man nur 400 Euro im Monat zur Verfügung hat und 1200 Euro bezahlen soll, dann kann man sich ja vorstellen, wo das überall, an allen Ecken klemmt ja."
    "Also das Problem in Deutschland ist glaube ich nicht die Verfügbarkeit. Also wir können Dronabinol verschreiben, das ist THC, ein anderer Name für THC, wir können ein Cannabisextrakt verschreiben, Sativex. Wir haben noch ein THC-Derivat, Nabilon, also das heißt, wir haben drei Medikamente, die auf einem Betäubungsmittelrezept vom Arzt verschrieben werden können, was ich auch mache. Meisten Dronabinol oder Sativex, das ist kein Problem, wenn der Patient vermögend ist, gibt es auch kein Problem. "
    Dr. Franjo Grotenhermen, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft "Cannabis als Medizin", beschäftigt sich schon seit Anfang der 90er-Jahre mit dem therapeutischen Nutzen der Hanfpflanze. Dass sie in Form von Haschisch oder Marihuana nicht nur berauschende, sondern auch heilende Wirkstoffe besitzt, begannen die Ärzte damals erst langsam wieder zu entdecken. Die Initiative ging dabei meist von den Patienten aus, die im Selbstversuch eine positive Wirkung feststellten.
    "Die Patienten, die zu mir kommen mit Schmerzen, haben die Opiate ja schon durch und haben trotzdem Schmerzen. Wir haben sehr gute Medikamente gegen Übelkeit und Erbrechen, die helfen aber nur bei 70 bis 80 Prozent der Leute wirklich sehr gut. Wunderbare Medikamente, recht nebenwirkungsarm und so weiter. Und dann gibt's viele Patienten, denen es nicht hilft. Und einige profitieren dann von Cannabis. Also sollen sie das kriegen."
    Vielfältige Einsatzmöglichkeiten für Marihuana
    Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig, aber noch immer nicht umfassend erforscht. Am besten belegt ist die Linderung schmerzhafter Muskelkrämpfe bei multipler Sklerose, einer schweren Erkrankung des zentralen Nervensystems. Auch der Effekt, dass Cannabis den Appetit steigert, ist mittlerweile wissenschaftlich erwiesen und kann Krebs- oder HIV-Patienten dabei unterstützen, ein paar Kilogramm zuzunehmen.
    "Ein weiteres wichtiges Gebiet ist Übelkeit und Erbrechen aufgrund unterschiedlicher Ursachen, also Krebschemotherapie, Schwangerschaftserbrechen. Der dritte von vier wichtigen Bereichen ist chronische Schmerzen, vor allem neuropathische Schmerzen, das sind Schmerzen, die durch Nervenschädigungen verursacht werden. Also das können Schädigungen durch ein Trauma, durch einen Unfall sein, also Phantomschmerzen zum Beispiel oder auch Schädigungen durch Stoffwechselprozesse oder Entzündungen, zum Beispiel bei multipler Sklerose."
    Von positiven Erfahrungen mit medizinischem Marihuana berichten auch Menschen, die unter ADHS, Epilepsie oder dem Tourette-Syndrom leiden. Sogar bei Asthma oder schwerer Migräne kann die Pflanze helfen.
    "Es gibt natürlich auch viele Enttäuschungen, weil die Leute teilweise herkommen. Sie haben das irgendwie gehört als Wundermittel und so weiter. Und dann funktioniert das eben auch nicht. Ich hatte vor zwei, drei Tagen einen älteren Herrn da, um die 75, der hatte noch nie Cannabis konsumiert, chronischer Schmerzpatient. Wir wissen weder, ob bei dem das Dronabinol, was ich ihm verschrieben habe, wirkt und wir wissen auch nicht, welche Dosis er verträgt und welche Dosis er benötigt, um seine Schmerzen zu lindern. Das heißt, ich muss bei jedem Patienten eine Dosisfindung machen."
    Auf einem Betäubungsmittelrezept verschreiben darf Franjo Grotenhermen synthetisches THC seit 1998. Die erste Ausnahmegenehmigung für Cannabisblüten aus der Apotheke erteilte die Bundesopiumstelle im August 2007. Vorangegangen war ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, wonach Anträge von Patienten nicht pauschal abgelehnt werden dürften, sondern jeder Einzelfall geprüft werden müsse. Die Hürden für einen positiven Bescheid sind allerdings nach wie vor hoch.
    "Also wir haben in Deutschland vielleicht etwa 5000 Patienten, die Zugang zu Cannabinoiden oder Cannabis als Medizin haben. Wenn wir das mit anderen Ländern vergleichen, meinetwegen Kanada, Israel oder Niederlande, dann sehen wir, dass 0,1 bis ein Prozent der Bevölkerung von Cannabisprodukten profitieren."
    Das wären auf Deutschland umgerechnet zwischen 80.000 und 800.000 Menschen, also 10 bis 100 Mal mehr Patienten als es heute gibt.
    "Das kann man erst mal feststellen. Und dann muss man sich überlegen, woran liegt das? Und dann stellt man fest, es liegt häufig am Geld."
    In Israel, Kanada und 23 Bundesstaaten der USA sind die Preise für medizinische Cannabisprodukte deutlich niedriger; in den Niederlanden erstatten viele Krankenkassen die Behandlung. In Deutschland hingegen gibt es Cannabis auf Kassenkosten ausschließlich für Patienten mit multipler Sklerose, denen kein anderes Medikament hilft. In allen anderen Fällen übernehmen die Versicherer die Kosten höchstens auf Kulanzbasis, da synthetisches THC und natürliche Cannabisblüten aus der Apotheke offiziell nicht als Arzneimittel zugelassen sind.
    Krankenkassen erstatten nicht
    "Es gibt ja viele Medikamente, die von den Kassen nicht erstattet werden, aber die wachsen normalerweise auch nicht im Garten. Wie will ich jetzt einem Patienten verbieten, der sich Sativex nicht leisten kann, sich auf seinem Balkon, meinetwegen auch gut gesichert, seine fünf Pflanzen für das Jahr anzubauen? Und das andere ist, wie weit kann ich Patienten strafrechtlich verfolgen, die sich diesen Weg finanziell oder wie auch immer nicht leisten können, weil die Krankenkassen nicht mitspielen oder weil die Politik das nicht so geregelt hat. Wie weit ist das legitimiert, einem Schmerzpatienten sozusagen die Pflanze, die zwei Meter entfernt von ihm wächst, nicht zu geben?"
    Genau darum streiten Betroffene und das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte seit mehr als 14 Jahren vor den Sozial- und Strafgerichten wie den Verwaltungsgerichten. Es geht um die Frage, ob chronisch Kranke, die zwar im Besitz einer Ausnahmegenehmigung für den Erwerb von Cannabis aus der Apotheke sind, dafür aber kein Geld haben, ihre Medizin selber züchten dürfen.
    "Insgesamt haben wir mit Blick auf diese Patientengruppe, über die wir hier reden, Menschen, die alle schwer krank sind, aber behandelt werden können. Eine Situation, dass man wirklich sagen muss, die Gesellschaft und unser Gesamtheitssystem lässt diese Menschen im Stich. Die haben noch Lebensperspektiven, 10, 20, 50 Jahre, aber wenn sie nicht behandelt werden, können sie die nicht würdig weiter leben, das ist das Problem."
    Sagt Rechtsanwalt Oliver Tolmein, der eine ganze Reihe der Kläger vertritt. Einer der Fälle liegt mittlerweile beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Drei weitere Schmerzpatienten erzielten mit ihrer Klage vor dem Kölner Verwaltungsgericht vor kurzem einen ersten Erfolg. In erster Instanz entschieden die Richter, den Klägern als Notlösung den Eigenanbau von medizinischem Marihuana zu erlauben.
    "Man muss in diesem Zusammenhang vielleicht eines noch berücksichtigen. Das Bundesamt für Arzneimittel, die Bundesopiumstelle, also die Fachbehörde, die, die Ahnung haben von dem, worum es geht, die wollten meinem Mandanten, der jetzt vor dem Bundesverwaltungsgericht klagt, seinen Cannabisanbau gestatten. Die haben gesagt, es gibt eigentlich keinen Grund, das nicht zu tun. Das Bundesgesundheitsministerium, damals noch unter FDP-Leitung, hat gesagt: Nein."
    "Es wird gebeten, im vorliegenden Verfahren unverzüglich einen Widerspruchsbescheid zu erlassen. Die Zwecke des Betäubungsmittelgesetzes, also die notwendige medizinische Versorgung der Bevölkerung beziehungsweise im vorliegenden Fall des Klägers, gebieten hier nicht die Erlaubniserteilung."
    Heißt es in dem Schreiben des Bundesgesundheitsministeriums vom 16. Juli 2010.
    Marihuana-Anbau ist verboten
    "Das heißt, wir führen die ganze Zeit einen Prozess, wo die Gegner bei uns, die dort sitzen, die Beamten des Bundesamtes für Arzneimittel es besser wissen. Die können nichts machen. Die sind sozusagen verdonnert dazu wider ihr besseres eigenes Wissen diesen Prozess gegen uns weiter zu führen."
    Auch gegen das jüngste Urteil des Kölner Verwaltungsgerichtes hat die Behörde inzwischen Berufung eingelegt. Eine Interviewanfrage wurde mit Hinweis auf das laufende Verfahren abgelehnt. Aufschluss über die Haltung der Bundesregierung gibt eine Drucksache des Deutschen Bundestages vom November 2010.
    "Aus Sicht der Bundesregierung ist die gebotene Sicherheit und Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs beim Eigenanbau von Cannabis zu medizinischen Zwecken grundsätzlich nicht gewährleistet. Insbesondere ist keine effektive Kontrolle über den tatsächlichen Umfang des Anbaus und der Lagerbestände sowie über eventuelle Abzweigungen etwa mit dem Ziel der Abgabe an Dritte oder des Handeltreibens mit Dritten möglich."
    Im Klartext heißt das: Die Bundesregierung hat Angst, dass die schwerkranken Patienten zu Rauschgifthändlern werden könnten.
    "Das ist das Argument. Und dass dieses Argument weder vorne noch hinten irgendwie überzeugend ist, das haben nun Verwaltungsrichter des Verwaltungsgerichts Köln, Richter des Oberverwaltungsgericht NRW bereits festgestellt. Das ist noch nicht rechtskräftig, aber sie haben es festgestellt. Und ich möchte noch einen Satz sagen, weil ich das ganz wichtig finde, es geht hier nicht um die Frage: Wollen wir Cannabis grundsätzlich legalisieren, es ist nicht die Frage, freie Bahn für Droge. Sondern es geht um die Frage, wir haben Cannabis als Medizin, es wird als Therapieform eingesetzt, soll das, was sowieso gemacht wird und was gemacht werden darf, den Leuten auch so zugutekommen, dass sie es sich leisten können?"
    In anderen Ländern sind die Gesetze lockerer. In Kanada zum Beispiel besitzen rund 20.000 chronisch Kranke eine Lizenz für den Anbau von Marihuana zu therapeutischen Zwecken, weitere 30.000 dürfen das Kraut in der Apotheke kaufen. In Spanien und Portugal ist die heimische Cannabisproduktion für kranke wie gesunde Konsumenten erlaubt. Genauso wie in Uruguay und den Niederlanden, die ihren Bürgern bis zu fünf Cannabispflanzen für den Eigenbedarf gestatten. Dass auch bei uns die bestehende Gesetzgebung früher oder später kippen wird, ist für Rechtsanwalt Oliver Tolmein keine Frage. Fraglich ist für ihn nur, ob die Betroffenen dann tatsächlich selbst anpflanzen dürfen oder die Krankenkassen verpflichtet werden, die Kosten der Behandlung zu tragen.
    "Also ich denke, dass dieses Verbot und diese dogmatische Linie nicht zu halten ist, denn sie wird am Recht letztendlich scheitern. Und es ist natürlich immer nicht besonders befriedigend, wenn Richter dem Gesetzgeber sagen, was er zu Gesetze zu erlassen hat. Aber es ist beruhigend, dass wir einen Rechtsstaat haben, wo die Politik auch nicht jeden Blödsinn machen kann."
    Wie lange sich die Prozesse noch hinziehen werden, steht allerdings in den Sternen. Und solange die Urteile nicht rechtskräftig sind, dürfen die Betroffenen ihre Medizin auch nicht anbauen.
    Prozess kann sich noch jahrelang hinziehen
    "Damit haben sie das Medikament, das sie brauchen, um ihre schweren Erkrankungen zu behandeln, im Prinzip während der Dauer der Verfahren also für zehn, sieben, 14 Jahre nicht zur Verfügung. Absurd. Und ich könnte mir vorstellen, dass manche von ihnen gezwungen sind, gegen das Betäubungsmittelgesetz im Augenblick zu verstoßen. Man kann sagen, die Dauer der Prozesse treibt sie in die Illegalität."
    Wie Frank Josef Ackerman, der körperlich, psychisch und finanziell immer wieder an seine Grenzen stößt. Da die Rente vom US-Militär auf sich warten lässt und das Geld, das die Familie zurzeit vom Staat bekommt, gerade für das Allernötigste reicht, begann auch er zuhause mit einer Cannabiszucht. Darüber informierte er ganz offiziell in einem Schreiben die Staatsanwaltschaft Darmstadt.
    "Die Situation von Herrn Ackerman ist besonders, denn hier haben wir es mit einem Menschen zu tun, der nichts lieber möchte, als sich absolut rechtskonform zu verhalten."
    "Ich will ja auch nix verstecken, ja, ich will nix vertuschen. Ich brauche es einfach für mich, dass ich überleben kann. Und bezahlen kann ich es nicht, die Krankenkasse bezahlt es nicht. Ja was für andere Wege bleiben mir übrig?"
    Der Familienvater hoffte, dass die Staatsanwaltschaft den sogenannten rechtfertigenden Notstand erkennt. Der Paragraf 34 des Strafgesetzbuches hat in der Vergangenheit schon andere Schwerkranke, die Cannabis zur Eigentherapie anbauen, vor Bestrafung bewahrt. Doch in diesem Fall ging die Rechnung nicht auf. Drei Monate nach der Selbstanzeige stand die Polizei mit einem Durchsuchungsbeschluss vor der Tür.
    "Ungefähr, ich weiß nicht, zehn Polizisten waren da. Also das war schon heftig, haben sie die ganzen Sachen auseinandergerissen da draußen. Da habe ich dann, ich glaube, es waren zwölf oder 16 Pflanzen in der Blüte gehabt und ich glaube neun in der Aufzucht. Die haben sie alle abgeschnitten gleich, haben sie gleich vernichtet, also dass ich nichts mehr machen kann. War schon ein bisschen gemein, ja."
    Abgesehen von den Pflanzen beschlagnahmte die Polizei Aufzuchtzelte, Lampen und Trafos in einem Gesamtwert von etwa 1500 Euro.
    "Wir haben gegen diese Art vorzugehen gegen eine schwerkranken Menschen Beschwerde eingelegt beim Landgericht Darmstadt, die ist abgewiesen worden. Und wir haben jetzt im Spätsommer Verfassungsbeschwerde eingelegt, auch mit dem Ziel, dass er sein Cannabis zurückbekommen soll bis hier das Verfahren abgeschlossen ist. Weil wir davon ausgehen, dass relativ klar ist, dass der in einem rechtfertigenden Notstand handelt und dass der gar keine andere Chance hat, als sich das Cannabis selber anzubauen. Angesichts einer Verfahrensdauer bei ihm auch, die jahrelang noch dauern kann. Und in der er eben in seiner Situation, in seiner Lebenssituation mit Kindern, mit Frau auch überhaupt nicht unversorgt bleiben kann."
    Seit der Razzia ist Frank Ackerman extrem untermedikamentiert und leidet wieder unter starken Schmerzen. Ab und zu bekommt er von Bekannten ein wenig Marihuana geschenkt. Oder er besorgt sich den Stoff auf dem Schwarzmarkt, wo das Gramm nur halb so viel kostet wie in der Apotheke. Doch die Angst, dabei erwischt zu werden, ist groß.
    "Wenn ich auf die Straße gehe, mache ich mich ja strafbar, dann kriege ich ja Probleme mit die Ämter. So wie Jugendamt hin und her, so und jetzt sagen sie mir was ich machen soll? Da bleibt mir nur noch das, dass ich mich da drüben in mein Bett leg, die Decke über den Kopf ziehe und hoffen kann, dass ich viel schlafen kann."
    Schon jetzt graut es ihm vor dem nächsten Winter. In den Knochen spürt er bereits, dass die Tage kürzer und kälter werden. Und eine Besserung seiner Situation ist noch lange nicht in Sicht.
    "Es ist irgendwo nie Licht am Himmel. Es ist keines. Ich laufe immer durch diesen dunklen Gang. Ich laufe immer noch, ich muss laufen. Ich habe die Kinder, ich muss laufen. Ich kann nicht einfach sagen, ich beende es jetzt. Ich muss hier durch diesen Tunnel und muss laufen und laufen und laufen und ich sehe kein Ende. Es bleibt einfach nur schwarz."