Archiv


Cate Blanchett ist Hedda Gabler

Berühmt wurde die australische Schauspielerin Cate Blanchett als Elbenkönigin im Film "Herr der Ringe" oder als englische Königin in "Elizabeth". Der Star kann sich seine Filmrollen aussuchen, und doch kehrte Cate Blanchett nun auf die Bühne zurück. Am Broadway ist sie derzeit als Henrik Ibsens "Hedda Gabler" zu sehen. Die Kritik ist begeistert, und das Publikum ebenso.

Von Andreas Robertz |
    Auf ungewöhnlich dramatische Art begann der Leitartikel im Kulturteil der New York Times vom letzten Samstag: "Ein Hurrikane ist über New York hereingebrochen - ein theatraler Sturm, der sich auf ein kleines Gebiet in Downtown Brooklyn konzentriert: dem Harvey Theater der Brooklyn Academy Of Musik. Der Name dieser zerstörerischen Kraft ist Hedda Gabler, ausgelöst durch die Oskargewinnerin Cate Blanchett" Damit spielt der Artikel nicht nur auf die schauspielerische Leistung von Cate Blanchett an, sondern auch auf die Tatsache, dass diese Produktion der bekannten Sydney Theater Company der Brooklyn Academy of Music die bestverkaufte Show seit zehn Jahren beschert.

    Cate Blanchett, die in den USA nur als Filmschauspielerin bekannt und mit der Rolle der Hedda hier zum ersten Mal auf einer Bühne zu sehen ist, gehört seit Jahren zu den führenden Theaterschauspielerinnen Australiens und wurde bereits mehrmals als beste Schauspielerin ihres Landes ausgezeichnet

    Das Harvey Theater im Herzen Brooklyns ist ein wunderschönes, in der Patina eines zerfallenen alten Opernhauses belassenes Theater. Die Bühne besteht aus einem weitläufigen, offenen Salon mit großen Fenstern, wenigen eleganten Möbeln der Jahrhundertwende und einem eindrucksvollen Portrait des Generals Gabler, dem verstorbenen Vater von Hedda. Das Spiel beginnt und vom ersten Augenblick an, da Hedda die Bühne betritt, weiß man, dass diese Frau mit ihrer extrem stolzen Körperhaltung, ihren eleganten Gesten und ihrem herrischen Ton nicht in die Gesellschaft gehört, die sie umgibt, deren Mittelpunkt sie gleichzeitig aber sein will. Das sehr gut aufeinander eingespielte Ensemble bietet dieser Hedda dabei eine grandiose Plattform. Ständig ist sie in Bewegung, durchschreitet den Salon wie ein eingesperrtes Tier, wirft achtlos mit Kissen, Blumen und Schonbezügen um sich und führt mit hohem Tempo und beißendem Spott die gesamte Szene. Herzhaftes Gelächter im Publikum - es ist als befänden wir uns in einer Komödie. Der Spielstil ist schnell und auf Pointen angelegt, dann verändert er sich wieder, wird langsamer - intensiver. Immer wieder steht sie melodramatisch allein an der Rampe wie eine verlassene Königin und hält ihr fahles, schönes Gesicht wie einen Scheinwerfer ins Publikum, während alle anderen Figuren ihr eigenes kleines Leben besprechen. Dann ringt sie plötzlich wieder wie ein kleines Mädchen um Aufmerksamkeit, unterbricht oder überspricht einfach die Konversation ihrer Mitspieler und schubst sie wie Spielzeug auf der Bühne herum - wie in einem modernen Drama.

    Es gibt Momente von herzerschütternder Intensität, wenn zum Beispiel Julle Tesman im letzten Akt über Heddas zukünftige Schwangerschaft spricht und Hedda voller Entsetzen stumm in ihre vor das Gesicht gehaltenen Hände schreit. Es ist erstaunlich, mit welchem Mut sich Cate Blanchett in die verschiedenartigsten emotionalen und theatralen Zustände begibt. Dabei spielt sie nie nur eine Hedda, sondern immer viele Heddas. Als wenn sie alle "Hedda Klischees" zusammen spielen wollte, um sie dann gnadenlos ineinander stürzen zu lassen.

    Die Regisseurin Robyn Nevin und die Schauspielerin Cate Blanchett haben einen bilderstürmerischen, radikal weiblichen Abend geschaffen. Sie dekonstruieren die klassische Hedda ohne sie ihrer emotionalen Glaubwürdigkeit zu berauben und erschaffen damit eine große, stolze, moderne Frauenfigur, die zu Recht als Ibsens weiblicher Hamlet beschrieben wird.

    Nach drei Stunden steht eine lächelnde Cate Blanchett vor einem völlig mitgenommenen aber hoch unterhaltenen Publikum, das sich beim gesamten Ensemble mit enthusiastischem Applaus bedankt. Zu Recht jubelt die amerikanische Fachpresse und verweist auf die Verkaufszahlen und die Qualität dieser australischen Produktion. Man kann nur wünschen, dass sich der zähe Broadwaybetrieb künftig zu mehr Qualität und Risiko hinreißen lässt. Das Publikum wäre bereit dazu.