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Catenhusen: "Wir sind bisher voll im Plan"

Im australischen Perth trifft sich erstmals eine internationale Koordinierungsgruppe für ein Tsunami-Frühwarnsystem. Das von Deutschland in Kooperation mit Indonesien entwickelte Bojensystem soll Ende 2007 funktionsfähig sein, erklärte Wolf-Michael Catenhusen, Staatssekretär im Bundesforschungsministerium.

Moderation: Friedbert Meurer |
    Meurer: Guten Morgen, Herr Catenhusen!

    Catenhusen: Ja, guten Morgen!

    Meurer: Wie sieht denn der deutsche Beitrag aus?

    Catenhusen: Der deutsche Beitrag sieht dahin aus, dass wir in nationaler Kooperation mit Indonesien auch an dieser Konferenz teilnehmen. Es sind sechzehn Anrainerstaaten da, und unser Beitrag ist in Partnerschaft mit Indonesien ein komplettes System von Echtzeit-Warnung für diese hochgefährdete Region zu entwickeln. Echtzeit-Warnung, das heißt, dass innerhalb von zwei bis drei Minuten, im Grunde genommen eine Tsunami-Warnung ausgesprochen werden kann, indem ein Fehlalarm vermieden werden kann. Und unser technischer Beitrag liegt darin, dass wir ein sehr modernes System von mit GPS ausgestatteten Bojen, die auch entsprechende, in Verbindung mit sogenannten Boden-Drucksensoren, also auf dem Boden des Ozeans stehend, und die dann über Satellit die Information an Stationen in Indonesien weitergeben können.

    Meurer: Diese Bojen werden also nur installiert zum Schutz von Indonesien und nicht der anderen Länder?

    Catenhusen: Nein, das System ist natürlich offen, denn wir müssen sehen, das Spannende ist - und darüber wird jetzt nur noch in Perth verhandelt - man ist sich drüber einig, und da hat Deutschland auch eine aktive Rolle gespielt, dass all die Informationen, die in den nationalen Systemen, so weit - so unterschiedlich sie auch sind - öffentlich gemacht werden. Das heißt, dass alle Anrainerstaaten des Indischen Ozeans diese Informationen erfahren. Und wir sind ja über dieses Bojen-System hinaus auch aktiv beteiligt daran, dass es landgestützte Stationen zur Erdbeben-Beobachtung, rund um den Indischen Ozean, das heißt bis hin nach Afrika gibt. Denn diese Erdbeben-Beobachtung und deren Information gehen natürlich in das ganze System ein.

    Meurer: Andererseits im Gegensatz zu Indonesien will Thailand das deutsche System, das ja aus Potsdam stammt, dort vom Geo-Forschungszentrum, nicht haben. Wieso nicht?

    Catenhusen: Na ja, das deutsche System ist ein Angebot. Und die Frage ist: wie technisch avanciert tatsächlich sozusagen die vielen Anrainerstaaten des Indischen Ozeans ihre nationalen Systeme entwickeln. Es ist leider nicht so die Situation, dass etwa koordiniert durch dieses "Inter-Gouvernmental Meeting", sozusagen, man sich auf ein einheitliches technisches System verständigt.

    Meurer: Also, die internationale Koordinierungsgruppe heute.

    Catenhusen: Ja. Das Entscheidende ist nur, dass man sich jetzt schon darüber verständigt hat, dass - wenn Sie so wollen - ein offener Zugang zu allen in den nationalen Einrichtungen zur Verfügung stehenden Informationen geschaffen wird. So dass man zwar mit unterschiedlicher Präzision, und unterschiedlicher Schnelligkeit Informationen gewinnen wird, aber der Informationsverbund hergestellt ist.

    Meurer: Aber die deutschen verschenken ja sogar Systeme. Warum sagen da die Thailänder nein?

    Catenhusen: Möglicherweise auf der einen Seite, weil sie sich selbst einen solchen Kraftakt nicht zutrauen, auch was die Infrastruktur angeht. Zum Teil ist es auch Zögern - ich sag das mal - gegenüber der bilateralen Zusammenarbeit. Man muss einfach wissen, dass traditionell - schon seit Jahrzehnten - Indonesien der hervorragende Partner bilateraler Zusammenarbeit mit Deutschland oft in Wissenschaft und Forschung ist. Diese Zusammenarbeit ist mit Thailand nicht so ausgeprägt, und Thailand sitzt natürlich auch wiederum zwischen Indonesien und Indien. Indien fährt ja nun wiederum eine ganz eigene nationale Strategie und hatte vor allem sehr große, sehr große Bedenken sich überhaupt Partnerschaften mit Industriestaaten zu öffnen.

    Meurer: Das Warnsystem mit Hilfe der deutschen Bojen reagiert - wenn ich Sie richtig verstanden habe - nach zwei, drei Minuten schon, dann allerdings muss die Alarmkette, sozusagen, an Land und in den betroffenen Regionen weitergehen. Sind da die Anrainerstaaten überhaupt in der Lage mit eigenen Experten das System am laufen zu halten?

    Catenhusen: Wir gehen ja sehr vorsichtig vor. Das heißt wir gehen davon aus, dass Ende 2007 das System kompletter Echtzeit-Warnung für die am stärksten gefährdete Region Indonesien läuft, und dass dann 2009 die Übergabe dieses Systems für den Dauerbetrieb in die volle Verantwortung Indonesiens erfolgt, weil wir wissen, dass wir den Aufbau der Technik begleiten müssen, durch dieses sogenannte "Capacity-Building", das heißt durch eine intensive Ausbildung, ein Training, von Experten in Indonesien, die dann auch die entsprechenden organisatorischen Strukturen schaffen müssen, damit wirklich diese Information in der Breite und dauerhaft in den Regionen Indonesiens vorkommt ...

    Meurer: Wie sehen diese Strukturen ...

    Catenhusen: ... kann natürlich ein Partner-Land wie Deutschland, nur helfen dabei die - wenn Sie so wollen - die Experten auszubilden und die entsprechenden Strukturen zu fahren

    Meurer: Wie wird die Bevölkerung dann gewarnt?

    Catenhusen: Ich nehme an, dass die wichtigsten Informationen natürlich Rundfunk und Fernsehen sein werden. Möglicherweise auch Alarmsysteme konventioneller Art, das sind aber Systeme die dann im Grunde genommen in internationaler Verantwortung stehen. Ich glaube, wenn Sie an Deutschland denken, würden wir auch davon ausgehen, dass sozusagen die Medien, also Rundfunk und Fernsehen, das bevorzugte Warnsystem ist. Wir haben ja dieses komplette System auch von Sirenen, aber ich weiß nicht ob wir auch davon ausgehen können, dass das auch in Indonesien der Fall ist.

    Meurer: Man kann es ja kaum ...

    Catenhusen: ... das Entscheidende ist aber glaube ich heute, dass in zwei, drei Minuten die Informationen vorliegen und die Behörden reagieren können.

    Meurer: Man kann es ja kaum glauben, aber es besteht die Gefahr, dass Piraten im Indischen Ozean so skrupellos sind die teuren Batterien aus den Bojen zu rauben. Müssen die Bojen bewacht werden? Werden sie bewacht?

    Catenhusen: Wir gehen davon aus, dass diese Bojen bewacht werden auf die Dauer, weil auf die Dauer der Standort auch natürlich nicht geheim bleibt. Andererseits werden ja nicht Hunderte von Bojen ausgesetzt, von daher ist das eine Möglichkeit. Andererseits sollten wir den Wert der Batterien nicht überschätzen. Wenn Sie denken, was Piraten dort kapern, ich glaube nicht, dass sie wegen Batterien los ziehen. Normalerweise überfallen sie Schiffe mit Ladungen die sehr praktisch verwertbar und auf dem Markt verkaufbar sind.

    Meurer: Wann glauben Sie wird das System stehen und funktionieren?

    Catenhusen: Ende 2007 soll das System stehen und funktionieren. Wir sind bisher voll im Plan und wir freuen uns auch sehr darauf, dass die Kooperation mit einer wachsenden Zahl von Einrichtungen in Indonesien Fortschritte macht. Sie wissen, für eine solche Zusammenarbeit muss Vertrauen aufgebaut werden. Und wir haben natürlich noch die Aufgabe, dass es auch in Indonesien ein Klärungsprozess geben muss, wer denn tatsächlich die organisatorische Leitung übernimmt. Noch sind in Indonesien sehr viele staatliche Einrichtungen an dem ganzen Prozess beteiligt.

    Meurer: Im australischen Perth kommt heute die internationale Koordinierungsgruppe zum ersten Mal zusammen. Es geht um das Tsunami-Frühwarnsystem. Darüber sprach ich mit Wolf-Michael Catenhusen, dem Staatssekretär im Bundesforschungsministerium. Herr Catenhusen, besten Dank und auf Wiederhören!

    Catenhusen: Auf Wiederhören!