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CDU-Abgeordneter Grindel warnt "vor vorschnellen Patentlösungen"

Die Anschläge in Norwegen haben in Deutschland zu einer Debatte über die innere Sicherheit geführt. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Reinhard Grindel warnte aber vor gesetzgeberischem Aktionismus. Gleichwohl sei es wichtig, das Internet stärker als öffentlichen Raum zu sehen und eine Kultur des Hinsehens zu schaffen.

Reinhard Grindel im Gespräch mit Bettina Klein | 25.07.2011
    Bettina Klein: Wie oft nach entsetzlichen Geschehnissen andernorts in der Welt ist die politische Debatte in Deutschland schnell bei der Innenpolitik angelangt. Was können wir hier tun, um solche Taten zu verhindern, und müssen manche Fragen zum Thema innere Sicherheit in Deutschland nun anders beantwortet werden?

    Am Telefon begrüße ich Reinhard Grindel, CDU-Bundestagsabgeordneter, Mitglied im Innenausschuss. Guten Tag, Herr Grindel.

    Reinhard Grindel: Guten Tag, Frau Klein.

    Klein: Gibt es für Sie tatsächlich bereits eine zentrale Lehre für die Politik in Deutschland aus diesem Verbrechen? Aus Ihrer Partei kommen ja schon entsprechende Vorschläge.

    Grindel: Frau Klein, gerade weil ich zweifacher Vater bin, finde ich, ist diese Tat so unfassbar und das berührt einen so sehr, dass wir jetzt keinen gesetzgeberischen Aktionismus unternehmen sollten und in Ruhe auch einmal abwarten sollten, was uns an Ermittlungsergebnissen die norwegischen Sicherheitsbehörden mitteilen, und dann in Ruhe das auszuwerten. Wir dürfen auch auf keinen Fall den Eindruck erwecken, als ob man diese unfassbare Tat jetzt zum Anlass nimmt und im Streit um die innere Sicherheit innerhalb der Koalition zu punkten. Ich warne dort vor vorschnellen Patentlösungen, die es nicht gibt.

    Was mir wichtig ist, dass wir vielleicht stärker das Internet als öffentlichen Raum verstehen müssen, dass wir deutlich machen müssen, dass in der virtuellen Welt nichts hingenommen werden darf, was man auch in der realen Welt in gar keiner Weise akzeptieren würde. Wenn bei Ihnen in der Umgebung an einem Baum Flugblätter angebracht werden mit neonazistischem und islamfeindlichem Inhalt, dann würden Sie die abnehmen und im Zweifelsfall, wenn sie sehr radikal sind, auch der Polizei übergeben. Und wir brauchen, glaube ich, auch im Internet noch stärker eine Kultur des Hinsehens, das tun unsere Sicherheitsbehörden verstärkt, aber bei Milliarden von Internetseiten sind dort auch Grenzen gegeben, sodass für meine Begriffe jeder Internet-Nutzer aufgerufen ist, wenn er massive Radikalisierungen feststellt, auch bei Menschen, mit denen er kommuniziert und stellt fest, hier gibt es erhebliche Veränderungen, oder auch sonst auf Seiten stößt mit massiv bedrohendem Inhalt auch, dass man durchaus, ohne jetzt einem Denunziantentum das Wort zu sprechen, staatliche Stellen davon informiert.

    Klein: Das heißt, Sie setzen eher auf den Bürger, der wachsam ist. Die Behörden sind an dieser Stelle weiterhin machtlos?

    Grindel: Nein, sondern wir haben ja gerade auch zwischen den Sicherheitsbehörden die Beobachtung des Internets erheblich verstärkt. Da wird auch nicht alles bekannt, was man an Erkenntnissen gewinnt. Ich kann Ihnen zum Beispiel sagen, dass am Tag nach der Tötung von Osama bin Laden es insbesondere bei einer Person aus Norddeutschland, die als Islamist bekannt war, so radikale Reaktionen im Internet gegeben hat, dass die Sicherheitsbehörden diese Person unter eine 24-stündige Beobachtung genommen haben. Also es passiert schon vieles, wovon die Öffentlichkeit selbstverständlich nicht immer unterrichtet wird. Die Behörden haben ja auch Instrumente. Ich will mal darauf verweisen – und das macht den Ruf nach neuen Gesetzen dann auch nicht zwingend -, dass wir ja zum Beispiel bei der Diskussion um das Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz, ein Wortungetüm, unter dem sich viele unserer Zuhörer nichts vorstellen können, aber dass wir dort in diesem Gesetz zum Beispiel Vorfeldkompetenzen für den Verfassungsschutz haben.

    Das ist von entscheidender Bedeutung, weil der Verfassungsschutz unser Auge des Staates in diese extremistische Szene (ob von links, von rechts oder bei Islamisten) ist. Und wenn diese vernetzt mit anderen Sicherheitsbehörden im Vorfeld eben Aufklärungsmöglichkeiten haben, wo es um Vorbereitungshandlungen geht, dann ist das eben auch ein Stück Sicherheitsgewinn. Und vergessen Sie nicht, dass wir nach den Amokläufen von Erfurt und Winnenden ja auch bei den Waffenkontrollen zum Beispiel sehr intensive Verschärfungen vorgenommen haben, was die Kontrollen angeht.

    Klein: Herr Grindel, ich würde gerne mal beim Thema Internet noch kurz bleiben.

    Grindel: Insofern haben wir, darauf will ich hinweisen, ja auch Instrumentarien, die die Sicherheitsbehörden nutzen können.

    Klein: Der SPD-Abgeordnete Edathy sagt heute zum Beispiel, wir brauchen stärkere Kontrollen mit Blick auf Internetseiten mit gerade rechtsextremem Gedankengut. Können Sie konkret eine Möglichkeit nennen, wie da vorgebaut werden kann und wie dem möglicherweise der Boden entzogen werden kann?

    Grindel: Wir haben ein Beobachtungszentrum der Sicherheitsbehörden für das Internet ja eingerichtet, das sich auf alle extremistische Bereiche konzentriert. Sicherlich – das hat heute Morgen auch der Kollege Herrmann aus Bayern ja angesprochen bei Ihnen auf dem Sender – muss man jetzt einmal prüfen, ob wir das noch verstärken können. Das hängt sicherlich auch mit Haushaltsmitteln, mit anderen Dingen zusammen. Aber das sollten wir in Ruhe tun, wenn wir auch die Erkenntnisse der norwegischen Kollegen ausgewertet haben. Ich will das nicht ausschließen, dass wir, was die Beobachtung des Internets angeht, noch mehr machen müssen.

    Aber noch einmal: Die Sicherheitsbehörden alleine sind da überfordert. Es kommt auf jeden einzelnen Nutzer an. Ich würde noch mal betonen wollen: Das Internet ist ein öffentlicher Raum und jeder muss hier in einer Kultur des Hinsehens auch Beobachtungen zur Not weitergeben.

    Klein: Aus dem Pamphlet, das der mutmaßliche Täter veröffentlicht hat, geht eine Geisteshaltung hervor, die als christlich-fundamentalistisch beschrieben wird, allgemeiner als rechtsextrem. Wissen wir genug darüber, wie stark so eine Strömung zum Beispiel in Deutschland ausgeprägt ist?

    Grindel: Ich muss mich da auf die Erkenntnisse unserer Sicherheitsbehörden und des Bundesinnenministeriums verlassen. Ich habe mich heute Morgen natürlich darüber unterrichtet. Wir haben im Augenblick keine Erkenntnisse, dass dieser Täter aus Norwegen Kontakte zur Neonazi-Szene in Deutschland hätte. Die Frage, ob ähnliche Tendenzen auch von einzelnen in Deutschland denkbar wären, die möchte ich nicht beantworten, dafür habe ich einfach zu wenig Anhaltspunkte. Das ist auch, finde ich, unangemessen, da jetzt Einschätzungen vom Schreibtisch her abzugeben.

    Was wir natürlich ab und zu feststellen – auch das wird nicht immer bekannt -, dass bei Unfällen im Haushalt, bei denen man zum Teil zunächst gar nicht weiß warum, man sehr wohl festgestellt hat, dass hier Wirrköpfe, Verrückte auch Sprengmittel zusammengemischt und damit hantiert haben. Also es gibt sicherlich keinen konkreten Anlass, dann würden die Sicherheitsbehörden handeln. Aber man kann auch nichts ausschließen.

    Klein: Der CDU-Bundestagsabgeordnete Reinhard Grindel heute Mittag im Deutschlandfunk. Vielen Dank für das Gespräch.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.