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CDU-Abgeordneter lehnt Diätenerhöhung aus Glaubwürdigkeitsgründen ab

Der CDU-Bundestagabgeordneter Ingo Wellenreuther lehnt eine Diätenerhöhung für Abgeordnete zum gegenwärtigen Zeitpunkt ab. Grundsätzlich habe man sich zwar auf eine Anpassung der Diäten auf das Niveau von Bürgermeistern kleiner Städte und Richtern am Bundesgerichtshof geeinigt. Diese solle aber laut Abgeordneten-Diätenanpassung erst im Jahre 2010 erfolgen.

Moderation: Elke Durak | 20.05.2008
    Elke Durak: Der Druck aus den eigenen Reihen wird immer stärker. Möglicherweise wird die Diätenerhöhung im Bundestag für die Bundestagsabgeordneten gestoppt. Die Zahl derjenigen Parlamentarier, die nun doch auf die Erhöhung ihrer Einkünfte verzichten wollen, sie nimmt zu. Beide Fraktionsgeschäftsführer der Regierungsparteien treffen sich heute - eigentlich turnusgemäß, aber es heißt, sie wollten auch darüber sprechen, ob und wie das Gesetzgebungsverfahren aufgehalten werden könnte. Die Sache wird offensichtlich zu heiß.

    Ich begrüße am Telefon Ingo Wellenreuther. Er ist Bundestagsabgeordneter der CDU aus Baden-Württemberg und es heißt, er gehöre zu denjenigen in der Fraktion, die gegen die Erhöhung sind. Schönen guten Tag Herr Wellenreuther!

    Ingo Wellenreuther: Guten Tag Frau Durak!

    Durak: Stimmt es, dass Sie dagegen sind?

    Wellenreuther: Ich bin zum jetzigen Zeitpunkt dagegen - ja, da haben Sie Recht -, weil ich meine, es widerspricht auch der Gesetzesbegründung des Abgeordnetengesetzes, was wir im letzten November beschlossen haben, weil darin ziemlich deutlich steht, dass die nächste Abgeordneten-Diätenanpassung erst im Jahre 2010 erfolgen soll.

    Durak: Und wie ist es dann zu dieser neuerlichen Erhöhung gekommen? Ich meine das müssen doch alle anderen auch gewusst haben, dass das nicht zusammen passt.

    Wellenreuther: Das kann ich Ihnen nicht genau beantworten. Letztendlich geht es darum, dass die Gehälter der Beamten an die des öffentlichen Dienstes angepasst werden sollen, die ja hier diese entsprechende sechsprozentige Erhöhung bekommen haben. Das ist auch vollkommen in Ordnung so. In dieses Änderungsgesetz ist noch der Passus reingerutscht, dass wir Abgeordneten auch daran teilhaben. Im Grundsatz ist natürlich Folgendes richtig: Das was im Gesetz beschlossen worden ist war schon 1995 so, dass die Diäten der Bundestagsabgeordneten sich an den einfachen Richtern am Bundesgerichtshof zu orientieren haben oder eben an Bürgermeistern kleinerer Städte. Das ist R6 oder B6 nach der Besoldungsziffer. Dort hinken wir immer noch hinterher und eine entsprechende Anpassung ist wohl angemessen. Wir Abgeordneten suchen uns das natürlich nicht selbst aus, dass wir darüber im Parlament per Gesetz entscheiden müssen, aber das müssen wir eben aushalten.

    Durak: Warum müssen Sie das aushalten? Sie können es ja ändern.

    Wellenreuther: Ganz ändern können wir das nicht. Es folgt aus Artikel 20 Grundgesetz, aus dem Demokratieprinzip. Das heißt die Willensbildung soll praktisch im Parlament stattfinden, durchschaubar für den Bürger, vor den Augen der Öffentlichkeit. So hat es auch das Bundesverfassungsgericht ausgeurteilt.

    Durak: Dann würde ich gerne auch, Herr Wellenreuther, über mein Gehalt bestimmen. Das fände ich auch gut.

    Wellenreuther: Ja. Ob man das gut findet? Wünschen tun wir uns das wie gesagt nicht, weil egal ob das 5 Euro oder 500 Euro sind, die Abgeordneten kriegen immer Prügel. Das ist ja bekannt. Das ist ein Ritual, das sich immer wieder wiederholt. Aber nun braucht man mal einen Maßstab, woran man sich orientieren kann, und dieser Maßstab wurde eben schon vor Jahren festgelegt mit der Bezugsgröße B6 oder R6. Das entspricht wie gesagt den Gehältern an Bundesgerichtshöfen oder von Bürgermeistern kleinerer Städte. Da hinken wir hinterher.

    Nur wir haben im letzten Herbst ein Gesetz gemacht mit einer gewissen Anpassung an diese R6- und B6-Gehaltsstufe. Wir haben noch nicht 100 Prozent erreicht, haben aber in die Begründung des Gesetzes im letzten Herbst reingeschrieben, dass eine weitere Anpassung nicht vor 2010 erfolgen wird.

    Durak: Und das sollte gelten. - Wie wollen Sie das durchsetzen?

    Wellenreuther: In der nächsten Woche müssen dazu noch Gespräche auch mit der Fraktionsführung geführt werden. Ich würde es schon begrüßen, wenn man die Besoldung der Beamten natürlich durchgehen lässt, und dazu ist es notwendig, dass man hier in zwei Gesetzesvorhaben praktisch getrennt darüber abstimmen kann. Das wäre eine Möglichkeit, in der man das hier umgehen kann, dass die Beamten praktisch die Erhöhung nicht bekämen.

    Durak: Die Beamten sollen ihr Geld bekommen, die Bundestagsabgeordneten wieder von den Beamten abgekoppelt werden. Dann für alle Zeiten oder nur für diesen einen Beschluss?

    Wellenreuther: In dem Fall ist es wie gesagt meines Erachtens etwas ungeschickt, dass man jetzt ein halbes Jahr nach der letzten Anpassung wieder eine Anpassung vornimmt. Das ist in der Öffentlichkeit sehr schwer zu vermitteln und widerspricht auch der Begründung, die wir im Gesetz letzten Herbst ja selbst beschlossen haben. Ob es für alle Zeiten so sein muss, darüber möchte ich jetzt keine Aussagen machen. Jedenfalls meine ich, dass eine Anpassung, die in der Sache berechtigt ist, weil wir nun mal diesen Maßstab mit B6 oder R6 gefunden haben, aber nicht vor 2010 erfolgen soll.

    Durak: Herr Wellenreuther, B6 und R6, das verstehen so viele Leute nicht. Ich möchte gerne noch wissen: Halten Sie es für möglich, dass durch diese merkwürdige Aktion politischer Schaden sozusagen vor dem Volk für die Parlamentarier entstanden ist, die ja ohnehin nicht den allerbesten Ruf genießen?

    Wellenreuther: Das hat natürlich etwas mit Glaubwürdigkeit zu tun und das ist der Punkt, der mich gestört hat. Wenn wir wie im letzten Herbst ein Gesetz machen und dort reinschreiben, dass wir vor 2010 keine weitere Anpassung vornehmen, dann müssen wir uns auch daran halten. Das ist der Punkt, den ich angesprochen habe und anspreche. Darüber müssen wir noch mal in den beiden großen Fraktionen reden. Dazu wird nächste Woche sicherlich Gelegenheit bestehen und deswegen meine ich sollte diese endgültige Anpassung an die Gehälter von Bürgermeistern kleinerer Städte oder einfachen Bundesrichtern erst ab 2010 vollständig erfolgen, aber nicht zum jetzigen Zeitpunkt.

    Durak: Genau und noch mal die Frage, wie das erreichbar wäre? Und wenn Sie ja zu den Unterstützern gehören, hätten Sie vielleicht auch eine Idee. Es wird getrennt, ganz klar. Die Beamten sollen ihr Geld bekommen. Für Sie wird es weiter aufgeschoben. Gibt es nicht die Möglichkeit, grundsätzlich doch mal daran zu denken, die Abgeordnetenbezahlung anders zu regeln, also nicht mehr selbst? Nordrhein-Westfalen hat es vorgemacht.

    Wellenreuther: Über die Frage der Diäten und der Altersversorgung muss man sicherlich noch mal nachdenken. Die andere Thematik, dass man die Festsetzung der Diäten auf eine Kommission überträgt, das halte ich für eine schlechte Idee. Genau diese Kommission wurde bereits im Jahre 1993 mal vom Deutschen Bundestag eingesetzt und die hat klipp und klar festgestellt, dass so eine Übertragung mit dem Demokratieprinzip letztendlich nicht vereinbar ist und die Bundestagsabgeordneten im Parlament vor den Augen der Öffentlichkeit per Gesetz die eigenen Diäten festsetzen müssen. Das ist für alle Abgeordneten immer ein großer Druck, den sie ja auch in der Öffentlichkeit nachvollziehen können. Das haben wir uns nicht gewünscht, aber das entspricht unserem Grundgesetz und auch dem Urteil des Verfassungsgerichtes, so dass wir daran nichts ändern sollten. Eine Kommission im Hinterstübchen halte ich für keine gute Idee. Deswegen ist auch der Vorschlag der FDP insoweit abzulehnen.

    Durak: Es hat jetzt aber den Vorfall gegeben, dass im Hinterstübchen oder sonst wie die zweite Erhöhung sozusagen reingerutscht ist, wie Sie es sagen. Wo liegt denn da der demokratische Aspekt?

    Wellenreuther: Ja gut, reingerutscht. Das heißt es muss ja trotz allem noch per Gesetz in drei Lesungen im Deutschen Bundestag darüber abgestimmt werden. Von daher war das erst mal die schriftliche Ausarbeitung des Gesetzentwurfes, aber darüber abgestimmt und öffentlich debattiert wird im Deutschen Bundestag vor den Augen der Öffentlichkeit. Von daher ist es kein Widerspruch. Aber jedenfalls wurde die Idee einer Übertragung auf eine Kommission 1993 schon mal geprüft und da gab es glasklare Empfehlungen, dass das nicht der richtige Weg ist. Daran halte ich fest!

    Durak: Das ist aber ein paar Jahre her, Herr Wellenreuther. Hat sich da nichts geändert?

    Wellenreuther: Nein. Bei dieser grundsätzlichen Bedeutung nicht. Das Grundgesetz gibt es ja auch schon einige Jahre.

    Durak: Das ist auch schon ein paar Mal geändert worden, Herr Wellenreuther, angepasst an die modernen Verhältnisse. So ist es ja nicht!

    Wellenreuther: Ja, aber in Artikel 20 nicht. Das ist eine Ewigkeitsgarantie. Von daher würde das auch nichts bringen. Die Akzeptanz wird deswegen glaube ich nicht höher. Das ist eher eine Belastung für die Abgeordneten, die sie aushalten müssen. Irgendeinen Maßstab muss es natürlich geben und den Vergleich zu einfachen Richtern an Bundesgerichtshöfen beziehungsweise Bürgermeistern kleinerer und mittlerer Städte halte ich für eine angemessene Bezugsgröße. Wenn man die annimmt, dann muss man natürlich irgendwann mal damit auch ernst machen. Das ist vollkommen richtig so. Deswegen ist die Anpassung auch in der Sache gerechtfertigt. Nur den Zeitpunkt halte ich etwas verfehlt, vor allem weil er im Widerspruch zu der Begründung des Gesetzes steht, das wir letzten Herbst verabschiedet haben.

    Durak: Das haben viele inzwischen verstanden und Sie gehören ja sozusagen zu den Helden, die das aufhalten wollen und korrigieren wollen. - Der politische Druck, der kommt ja nicht nur aus den Reihen der Bundestagsabgeordneten; der kommt ja schon auch von den Bürgern. Ist das eigentlich peinlich?

    Wellenreuther: In diesen Kategorien kann ich das schlecht beurteilen. Ich muss einfach nur sagen, es hat für mich etwas mit Glaubwürdigkeit zu tun. Das ist der Punkt, der natürlich oft beklagt wird, oftmals auch als Schlagwort gegen Abgeordnete missbraucht wird, weil ich glaube die meisten, fast alle machen ihren Job wirklich mit Enthusiasmus und Begeisterung, mit einem riesigen Arbeitsaufwand. So verstehe ich jedenfalls meine Tätigkeit. Deswegen meine ich tragen solche Dinge natürlich nicht dazu bei, dass das Ansehen gestärkt wird, aber ich glaube wir haben noch die Gelegenheit, hier eine Korrektur anzubringen. Wenn man wie gesagt einfach mal reinschaut, was verabschiedet worden ist, und vor allem mit welcher Begründung im letzten Herbst, dann meine ich liegt es auf der Hand, dass wir da nicht gegen die eigene Begründung jetzt zur Unzeit - also verfrüht - diese Anpassung vornehmen können.

    Durak: Ingo Wellenreuther, CDU-Bundestagsabgeordneter aus Baden-Württemberg. Danke für das interessante Gespräch, Herr Wellenreuther.

    Wellenreuther: Frau Durak, ich danke Ihnen.