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CDU/CSU bremsen weiter bei FDP-Steuersenkungsplänen

Sparen will die Regierung notgedrungen ab 2011 - die FDP gleichwohl die Steuern weiter senken. Das aber nur, "wenn sie haushaltspolitisch vertretbar sind", mahnt Unionsmann Peter Altmaier - vulgo: Mehrbelastungen sind nur eine Frage der Zeit. Vorgeschoben wird weiter die Steuerschätzung im Mai 2010.

    Silvia Engels: Politiker der schwarz-gelben Bundesregierung und der sie tragenden Bundestagsfraktionen können in dieser Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr eine Zwischenbilanz der ersten Monate im Amt ziehen. Zugleich gilt es, die Politik des kommenden Jahres zu planen, und klar ist schon jetzt, dass Wirtschaftslage und hohe Staatsverschuldung die Themen sind, die auch im kommenden Jahr im Zentrum stehen werden. – Am Telefon ist der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Bundestagsfraktion, Peter Altmaier. Guten Morgen!

    Peter Altmaier: Guten Morgen, Frau Engels.

    Engels: Herr Altmaier, blicken wir zunächst zurück. Das wichtigste wirtschaftspolitische Gesetz der neuen Regierung war das sogenannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz. Es wurde kurz vor Weihnachten verabschiedet und Ihr Parteifreund, der Bundestagspräsident Norbert Lammert, äußerte sich im "Interview der Woche" des Deutschlandfunks darüber gestern so:

    O-Ton Norbert Lammert: In dieses Gesetzesvorhaben, das in einem vielleicht aus der Euphorie des Wahlergebnisses entstandenen Energieüberschuss ein bisschen sehr schnell zusammengebastelt und auf den Weg gebracht worden ist, in dieses Gesetz sind neben manchen sinnvollen auch manche zweifelhafte und einige, wie ich finde, schlicht misslungene, auch nicht vertretbare Regelungen hereingekommen.

    Engels: Norbert Lammert, der Bundestagspräsident gestern. – Sagen Sie, Herr Altmaier, hat Herr Lammert recht?

    Altmaier: Seine Auffassung ist ja nicht neu und sie bezieht sich auf eine spezifische Maßnahme in diesem Gesetz. Wir standen allerdings vor der Frage, ob wir angesichts der schweren Wirtschaftskrise zum 1. Januar des neuen Jahres ein Gesetz in Kraft setzen wollten, was alle Experten im Übrigen für notwendig halten, um den Aufschwung zu verfestigen, zu verstetigen, und dazu brauchten wir eine Einigung in der Koalition. Norbert Lammert hat seine Bedenken damals im letzten Jahr bereits artikuliert, wir haben darüber diskutiert, aber das Gesetz ist anschließend mit großer Einmütigkeit von CDU/CSU und FDP verabschiedet worden.

    Engels: Die Kritik, die Norbert Lammert, aber auch andere daran haben, richtet sich ja nicht so sehr gegen die Vergünstigungen, die es für Familien geben soll – das trifft ja eine größere Gruppe -, sondern es ging um die Kritik für die Mehrwertsteuersenkung für Hoteliers und die Entlastung für Erben. Wenn Sie mit Ihren Wählern sprechen, belastet das die Glaubwürdigkeit der Regierung?

    Altmaier: Das kommt darauf an, mit welchen Wählern sie sprechen. Es gibt eben ganz unterschiedliche Erwartungen an die Politik der Bundesregierung, und wenn sie mit Mittelständlern reden, haben sie andere Erwartungen, als wenn sie mit Familien aus Arbeitnehmerhaushalten reden. Deshalb haben wir zwei Akzente gesetzt: Das eine war die Erhöhung des Kindergeldes zum 1. Januar; das ist eine wichtige Maßnahme. Das Zweite war, dass wir gesagt haben, wir wollen Fehler bei der Unternehmenssteuerreform korrigieren und bei der Erbschaftssteuerreform. Die Kritik hat sich entzündet an der einen Maßnahme, wo es um Übernachtungen in Hotels geht. Da wird man sehen müssen, wie sich das in der Praxis auswirkt, aber es war so, dass zwei Koalitionspartner, nämlich die FDP und die CSU, einen sehr großen Wert auf diese Maßnahme gelegt hatten, und gemessen am Gesamtumfang der Entlastung für Millionen von Bürgerinnen und Bürgern ist das nun eine Maßnahme, die nicht besonders stark ins Gewicht fällt.

    Engels: Sie sprechen von den Entlastungen. Das bringt – und damit schauen wir nach vorne, Herr Altmaier – weitere Milliarden Defizite für den Bund im kommenden Jahr. Auch Finanzminister Schäuble räumte gestern im Interview der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" ein, dass Wachstum allein diese Schulden nicht bezahlen wird. Die Staatsausgaben müssten beschränkt werden. Herr Altmaier, ab wann entscheiden Sie, wo gespart wird?

    Altmaier: Wir haben hier nach der Bundestagswahl eine ganz klare Entscheidung getroffen, dass wir nämlich im Abschwung, in der Wirtschaftskrise das Land nicht zusätzlich kaputtsparen wollen, sondern dass wir alles tun, um höhere Sozialbeiträge zu verhindern, die durch die Wirtschaftskrise entstehen würden, dass wir alles tun wollen, um die automatischen Stabilisatoren wirken zu lassen, und das bedeutet, dass wir in diesem Jahr ein Defizit haben werden, das übrigens schon der Finanzminister Peer Steinbrück, der ja nicht unserer Partei angehört, vor einigen Monaten genauso vorausgesehen hat. Dann wird man sehen, wie schnell wir einen sich selbst tragenden Aufschwung bekommen. Sobald dieser Aufschwung fest und stabil genug ist, muss man dann daran gehen, die Verschuldung wieder zurückzuführen. Wir haben eine Schuldenbremse im Grundgesetz, die uns verpflichtet, bis zum Jahre 2016 einen Haushalt mit ganz wenig neuen Schulden vorzulegen, und das wollen wir auch einhalten.

    Engels: Genau das, Herr Altmaier, und da interessiert die Menschen ja auch jetzt schon, was ab 2011 dann der Bereich sein wird, wo es teuerer wird. Werden zum Beispiel die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung steigen?

    Altmaier: Die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung haben wir in der letzten Wahlperiode fast halbiert. Das hat viele Bürgerinnen und Bürger spürbar entlastet. Normalerweise würden sie bei steigender Arbeitslosigkeit auch wieder steigen. Das haben wir für dieses Jahr ausgeschlossen, weil wir in diesem Jahr die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, aber auch die Arbeitgeber nicht zusätzlich belasten wollen. Und nun wird für die Frage der Handlungsoptionen des Staates ganz entscheidend sein die Steuerschätzung im Mai. Dann werden wir nämlich wissen, welchen Handlungsspielraum wir für die nächsten ein, zwei Jahre haben. Dann wird es aller Voraussicht nach auch eine gesamtstaatliche Prioritätendebatte geben, nämlich die Frage, wie wir diesen Handlungsspielraum nutzen. Es gibt eine Reihe von Maßnahmen aus dem Koalitionsvertrag, es gibt aber auch die Schuldenbremse aus dem Grundgesetz. Deshalb glaube ich, dass wir in den Monaten nach dieser Steuerschätzung dann Schritt für Schritt auch den Handlungsbedarf konkretisieren werden, vor dem wir gemeinsam stehen.

    Engels: Das heißt, Sie schließen nicht aus, dass die Sozialabgaben steigen werden?

    Altmaier: Wir haben für dieses Jahr ein Steigen der Sozialabgaben ausgeschlossen.

    Engels: Für 2011?

    Altmaier: Was 2011 sein wird, kann kein Mensch zum jetzigen Zeitpunkt seriös beurteilen.

    Engels: Wie steht es um die Pkw-Maut, die ja immer wieder ins Spiel gebracht wird?

    Altmaier: Ich halte von dieser Pkw-Maut ehrlich gesagt nichts. Wir sollen die Menschen nicht ständig mit neuen Vorschlägen in dieser Art konfrontieren. Wir haben selbstverständlich Anlass, immer wieder darüber nachzudenken, ob wir auch im Vergleich zu europäischen Nachbarn richtig aufgestellt sind. Trotzdem glaube ich, dass die Pkw-Maut kurz- und mittelfristig kein geeignetes Instrument ist.

    Engels: Das sind die Sparmaßnahmen. Nun will die FDP ja bekanntlich noch mehr Steuererleichterungen im Umfang von über 20 Milliarden Euro. Der scheidende Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Günther Oettinger, nannte das "absolut unvorstellbar". Wann erklären Sie das der FDP?

    Altmaier: Wir werden gemeinsam mit der FDP nach der Steuerschätzung im Mai uns zusammensetzen und dann in einer gemeinsamen Runde darüber diskutieren, wie groß der Handlungsspielraum ist. Wir haben im Koalitionsvertrag im Übrigen gesagt, wir wollen Steuerentlastungen, aber nur dann, wenn sie in die allgemeine Landschaft passen und wenn sie auch haushaltspolitisch vertretbar sind, und genau darum dreht sich die Debatte. Wir haben keinen Grund, ohne das Vorliegen neuer Zahlen in irgendeiner Weise Abstriche am Koalitionsvertrag zu machen, aber vereinbart ist – im Übrigen auch mit der FDP -, dass man bei Vorliegen der neuen Zahlen dann noch einmal kritisch und unvoreingenommen die Situation überprüft.

    Engels: Für Ärger mit der FDP sorgt ja auch, dass sich nun der CSU-Chef Seehofer genau wie Bundeskanzlerin Merkel eine Finanztransaktionssteuer vorstellen kann, also eine neue Steuer auf internationale Börsen- und Finanztransfers. Was sagen Sie?

    Altmaier: Ja. Wir haben diese Finanztransaktionssteuer als ein sinnvolles Instrument zur Dämpfung überbordender Spekulationen angesehen, unter der Voraussetzung, dass sie weltweit, das heißt, im internationalen Maßstab kommt. Die großen Finanzströme sind international organisiert, sie können von dem einen zum anderen Land ausweichen. Deshalb macht es nur Sinn, dass wir über diese Finanztransaktionssteuer etwa im Rahmen der G-20, auch im Rahmen der Europäischen Union mit unseren Partnern diskutieren. Hier ist die Position der Bundesregierung eine ganz klare, dass wir im internationalen Rahmen eine solche Steuer befürworten und glauben, dass sie ein sinnvolles Instrument zur Eindämmung von Finanzmarktspekulationen sein kann.

    Engels: Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Bundestagsfraktion, Peter Altmaier. Vielen Dank für das Gespräch.

    Altmaier: Danke.