Freitag, 29. März 2024

Archiv

CDU-Generalsekretär Ziemiak
CDU-Werkstattgespräch "mit Leuten aus der Praxis"

Es gehe um Migration, Sicherheit und Integration beim CDU-Werkstattgespräch, sagte CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak im Dlf, und nicht um Debatten über Bundeskanzlerin Angela Merkel. Vor allem wolle man mit Leuten aus der Praxis wie Bundespolizisten, Bürgermeistern und Ausländerbehörden ins Gespräch kommen.

Paul Ziemiak im Gespräch mit Stefan Heinlein | 08.02.2019
    Paul Ziemiak geht beim CDU-Bundesparteitag auf die Bühne. Im Hintergrund ein großes CDU-Logo.
    "Es geht nicht um die Aufarbeitung der Vergangenheit, sondern die Frage ist, was haben wir in der Vergangenheit gemacht, und was können wir in Zukunft noch besser machen", sagte Paul Ziemiak im Dlf (picture alliance/Rainer Jensen/dpa)
    Stefan Heinlein: Und am Telefon begrüße ich nun Paul Ziemiak. Er wird als CDU-Generalsekretär das Werkstattgespräch im Adenauer-Haus moderieren. Guten Morgen, Herr Ziemiak!
    Paul Ziemiak: Guten Morgen, Herr Heinlein!
    Heinlein: Gehen Sie nicht ein bis zwei Jahre zu spät in die Werkstatt?
    Ziemiak: Nein, wir gehen jetzt vor allem in die Zukunft. Denn wir wollen ja nicht nur über das Vergangene sprechen, sondern wir wollen eine Bestandsaufnahme machen und daraus ableiten, was wir schon gut machen, und was wir in Zukunft noch besser machen können.
    Heinlein: Also Sie wollen ein neues Modell, und nicht das alte Modell reparieren in der Werkstatt?
    Ziemiak: Welches Modell meinen Sie?
    Heinlein: Die CDU-Asyl- und Flüchtlingspolitik unter Angela Merkel.
    Ziemiak: Das war ja eine Politik der großen Koalition unter Führung von Angela Merkel, und wir wollen uns eben anschauen, was ist gut gelaufen, und was ist nicht gut gelaufen, und was müssen wir tun, damit es in Zukunft noch besser wird. Schauen Sie sich die Zahlen an. Wir haben im Jahr 2015/2016 ja knapp, je nachdem, welche Quelle Sie nehmen, fast eine Million Erstanträge gehabt. Die sind zurückgegangen, 2017 schon auf 100.000, 250.000. Und wir liegen heute deutlich unter den 200.000. Insofern, die Richtung stimmt. Das, was an Maßnahmen ergriffen wurde, wirkt. Aber es ist immer noch so, wenn Sie unterwegs sind, dann hören Sie immer wieder Beispiele, wo etwas nicht funktioniert. Und zwar nicht von Politikerinnen und Politikern, sondern von Fachleuten aus der Praxis. Und genau mit diesen wollen wir diskutieren.
    Druck im CDU-Kessel
    Heinlein: Wenn Sie unterwegs sind, wie Sie sagen, Herr Ziemiak, wie hoch ist denn noch der Druck im CDU-Kessel? Wie sehr nagt denn noch das Thema Migrationspolitik an Ihrer Partei?
    Ziemiak: Viele vor Ort beschäftigt vor allem die Umsetzung. Vieles funktioniert, aber es gibt eben auch noch Dinge, die wir besser machen müssen. Auch, wenn ich persönlich im Land bin, da geht es um die Frage von Abschiebungen, da geht es um die Frage, wie arbeiten Ausländerbehörden, was können wir als Gesetzgeber besser machen? Wir hatten ja jetzt lange die Diskussion, dass sich die Grünen beispielsweise sehr gesträubt haben dagegen, dass wir mehr sichere Herkunftsstaaten haben und dadurch schneller Menschen abschieben können, die nicht hier bleiben, die nicht asylberechtigt sind. Am Ende des Tages –
    Heinlein: Herr Ziemiak, wir wollen hier nicht über die Grünen reden und die Asylpolitik der Grünen, sondern über Ihre Partei. Und deshalb noch einmal die Frage: Als Generalsekretär, haben Sie ein Gefühl entwickeln können, wie groß der Anteil in Ihrer Partei ist, die glasklar sagen, Frau Bundeskanzlerin, Frau Merkel, das war ein Fehler mit der Öffnung der Grenzen, das hat unser Land, aber eben auch unsere Partei, die CDU, tief gespalten.
    Ziemiak: Aber die Grenzen wurden offen gelassen. Sie wurden ja nicht geöffnet, so wie Sie es gerade sagen. Das ist ja ein Zerrbild, das dort erstellt wird. Es geht aber darum vor allem, wie wir mit den Leuten aus der Praxis zusammenarbeiten und zuhören, was zu tun ist, mit Bundespolizisten, wie gesagt, mit Bürgermeistern, mit Ausländerbehörden, darum geht es. Es geht darum, zu schauen, was funktioniert und was muss sich ändern. Und auch, wenn es manchen nicht gefällt, es geht auch darum, wer blockiert eigentlich in diesem Land etwas?
    Themen wie Migration, Sicherheit und Integration
    Heinlein: Wie sehr geht denn das Empfinden nach Ihrem Ausdruck auseinander, zwischen der Partei- und Fraktionsführung auf der einen Seite, und weiten Teilen der Basis in den Kreis- und Ortsverbänden, wenn man diskutiert über Angela Merkel und ihre Flüchtlingspolitik 2015 und danach?
    Ziemiak: Wir diskutieren bei diesem Werkstattgespräch nicht über Angela Merkel, sondern wir diskutieren bei diesem Werkstattgespräch über Migration, Sicherheit und Integration. Wir wollen von der Frage, was ist mit den EU-Außengrenzen, wie funktioniert Verteilung in Europa, wie funktioniert Abschiebung, und wie funktioniert Integration bei den Menschen, die hier bleiben dürfen. Das sind unsere Themen. Ganz aus der Praxis, und nicht politische Debatten.
    Heinlein: Also Kritik an Angela Merkel ist nicht erlaubt?
    Ziemiak: Also ich bitte Sie, das ist doch – Sie haben jetzt gerade wieder das wiederholt, was ich gerade schon verneint habe. Es geht bei diesem Werkstattgespräch nicht um Angela Merkel. Es geht um die Frage, wie wir vor Ort, in der Praxis Politik umsetzen. Und natürlich ist jede Kritik erlaubt. Dafür treffen wir uns. Wir wollen schauen, was gut läuft, und Kritik üben an dem, was nicht gut läuft.
    Heinlein: Warum ist denn Angela Merkel nicht dabei bei diesem Werkstattgespräch?
    Ziemiak: Weil wir mit Leuten von vor Ort, aus der Kommune sprechen wollen, mit Polizistinnen und Polizisten und Ausländerbehörden und vielen anderen. Das sind die, auf die wir uns konzentrieren wollen.
    "Mit Leuten von vor Ort diskutieren"
    Heinlein: Wäre es nicht besser, mit Angela Merkel zu reden, als über Angela Merkel und ihre Flüchtlingspolitik? Oder fördert die Abwesenheit der Kanzlerin vielleicht die Offenheit des Dialogs, die Offenheit der Kritik, die Sie ja durchaus zulassen wollen?
    Ziemiak: Noch mal, wir wollen ja mit Leuten von vor Ort diskutieren. Mit Leuten, die jeden Tag in der Umsetzung von Gesetzen sind, von denen hören, wo drückt eigentlich der Schuh. Und deswegen, glaube ich, sind das unsere wichtigsten Ansprechpartner, und da hilft es nicht, wenn wir das Bundeskabinett dazu einladen.
    Heinlein: Also die wichtigen Ansprechpartner, Herr Ziemiak, für Sie als Generalsekretär, sind die Fachleute und nicht die Leute aus den Orts- und Kreisverbänden, die Leute, die jeden Tag für die CDU in die Bütt steigen?
    Ziemiak: Genau die und diejenigen, die in den Behörden ja sind, die das umsetzen müssen. Ich habe ja gerade, wie Sie aufmerksam zugehört haben, auch gesagt, die Bürgermeister. Das sind diejenigen, die vor Ort auch Verantwortung tragen in den Kommunen.
    Heinlein: Noch einmal, wird die Abwesenheit von Angela Merkel förderlich sein für die Offenheit des Dialogs auch mit den Bürgermeistern?
    Ziemiak: Das hat ja mit der Frage von Angela Merkel nichts zu tun, sondern wir sind eine Partei, wenn Sie die Regionalkonferenzen erlebt haben im vergangenen Jahr, die offen debattiert, die alle Dinge anspricht, die in der Gesellschaft ein Thema sind. Und deswegen hat das nichts mit Personen zu tun.
    "Es geht nicht um die Aufarbeitung der Vergangenheit"
    Heinlein: Wie groß ist denn die Gefahr, Herr Ziemiak, dass man am Ende sagt, nach dem Sonntag, nach dem Montag, schön, dass wir darüber gesprochen haben, aber unter dem Strich, das war eine kuschelweiche Therapiesitzung, aber keine robuste Auseinandersetzung, keine Aufarbeitung der Vergangenheit?
    Ziemiak: Es geht nicht um die Aufarbeitung der Vergangenheit, sondern die Frage ist, was haben wir in der Vergangenheit gemacht, und was können wir in Zukunft noch besser machen. Darum geht es, und das ist eben ein Werkstattgespräch, wo es ganz konkret wird.
    Heinlein: Dann noch eine Lernfrage zum Schluss, Herr Ziemiak. Wissen Sie, ob Wolfgang Schäuble an diesem Werkstattgespräch teilnehmen wird? Er hat ja im Vorfeld diese Veranstaltung durchaus kritisiert, die Partei brauche keine "Aufarbeitungskommission". So hat er es, glaube ich, formuliert.
    Ziemiak: Ich weiß nicht, welche Kommission er meint. Aber soweit ich richtig informiert bin, ist er Präsident des Deutschen Bundestags, und niemand, der vor Ort in einer Ausländerbehörde oder bei einer Polizeibehörde arbeitet. Insofern gehe ich nicht davon aus, dass er dabei ist.
    Heinlein: Hätten Sie ihn gern dabei gehabt?
    Ziemiak: Er kann ja bei diesem Punkt uns in der Diskussion aus der Erfahrung vor Ort, wie in Ausländerbehörden, wie woanders gearbeitet wird, keinen Beitrag leisten. Insofern freue ich mich immer über seine Hinweise, aber jetzt geht es um etwas anderes. Es geht tatsächlich um ein Werkstattgespräch mit Leuten aus der Praxis.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.