Freitag, 29. März 2024

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CDU-Marschrichtung in NRW
"Weg vom Verhindern, hin zum Ermöglichen"

Nach Ansicht von CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn hat "die Gängelung und Regulierung von Rot-Grün" viele Menschen genervt. Die neue NRW-Landesregierung unter Armin Laschet werde wieder Dynamik ins Land bringen, sagte Spahn im DLF. Dafür brauche es keineswegs nur Geld, sondern Deregulierung - und einen neuen Geist.

Jens Spahn im Gespräch mit Dirk Müller | 15.05.2017
    Finanz-Staatssekretär Jens Spahn (CDU) spricht am 28.03.2017 in Berlin bei der Buchvorstellung "Inside Islam - was in Deutschlands Moscheen gepredigt wird". (zu dpa "Freitags in deutschen Moscheen: Zuhören und staunen" vom 27.03.2017) Foto: Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/ZB | Verwendung weltweit
    Finanz-Staatssekretär Jens Spahn (CDU) erwartet schon in den ersten Monaten wichtige Impulse in NRW. (dpa/Britta Pedersen)
    Dirk Müller: Das Wahldebakel für die SPD, ein grandioser Sieg für die CDU, eine Dezimierung der Grünen, eine starke, eine wiedererstarkte FDP. Die Liberalen wollen wohl der Juniorpartner der künftigen Regierung in Düsseldorf werden. Die Große Koalition ist auch möglich, wie immer. Der Wahlsieg der Christdemokraten – unser Thema mit dem jüngsten Mitglied des CDU-Präsidiums, Jens Spahn, zugleich Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Jens Spahn kommt auch aus Nordrhein-Westfalen und hat in Steinfurt-Borken seinen Bundestagswahlkreis. Guten Morgen.
    Jens Spahn: Schönen guten Morgen, Herr Müller! – Hallo!
    Müller: Herr Spahn, wussten Sie, dass Armin Laschet so gut ist?
    Spahn: Wir wussten, dass er gut ist. Aber dass es so ein tolles Ergebnis gibt gestern Abend, damit hat keiner gerechnet. Wir haben alle gespürt in den letzten Tagen, da geht was, weil immer mehr Menschen in Nordrhein-Westfalen gemerkt haben, wie schlecht sie eigentlich regiert werden, ob Kriminalität, Stau, wirtschaftliches Wachstum, Bildung, vieles mehr, und deswegen ist das schon absehbar gewesen, aber so eindeutig jedenfalls nicht und das freut mich unheimlich.
    Müller: Er kam, vom niedrigsten Niveau ausgehend, und hat dann zugelegt um sieben Prozent, trotzdem das zweitschlechteste Ergebnis der CDU in NRW.
    Spahn: Das ist jetzt mal wieder typisch, Herr Müller, das Haar in der Suppe suchen. Es ist ziemlich klar, der nächste Ministerpräsident ist Armin Laschet hier in Nordrhein-Westfalen. In den letzten 50 Jahren haben bis auf fünf Jahre immer die Sozialdemokraten den Ministerpräsidenten gestellt. Das ist ein Wahnsinnserfolg für uns hier, vor allem in der Ausgangslage und vor allem mit dem Hochmut – das muss man ja wissen, das haben wir als Nordrhein-Westfalen immer erlebt -, mit dem Rot-Grün uns in den letzten Jahren behandelt hat. Uns tut das unheimlich gut hier. Ich freue mich und das lasse ich mir jetzt auch nicht madig reden.
    Müller: Nein, will ich auch gar nicht tun. Aber wenn wir über die Wahlanalyse reden und haben diese Wählerwanderung gesehen. Die SPD hat in alle Richtungen verloren. Sie haben gesagt, die SPD hat schlechte Politik gemacht. Die meisten oder viele Wähler haben das ja auch so gesehen. Aber wie gut ist die CDU?
    Regulierung von Rot-Grün hat die Menschen genervt
    Spahn: Wir haben bei den wichtigen Themen, die viele Menschen bewegt haben, vor allem innere Sicherheit, Alltagskriminalität, Einbrüche, bei der Frage, wie bringen wir wirtschaftlich vor allem auch wieder eine Dynamik ins Land – wissen Sie, da braucht man gar kein Geld für; hier muss man vor allem viele Regeln, Bürokratie, Hygieneampel zum Beispiel, Tariftreuegesetz, also immer da, wo NRW draufgelegt hat, abschaffen. Das sind alles Dinge, da kann man Impulse auch in den ersten Monaten sogar schon bringen. Nordrhein-Westfalen braucht einfach eine eigene Dynamik, eine neue Stimmung im Land hier, weg vom Verhindern, hin zum Ermöglichen, und dann wird sich da schon vieles in die richtige Richtung bewegen. Und da haben wir deutlich gemacht, das wollen und können wir.
    Müller: Können wir das so festhalten auch für unsere Nachrichten, Jens Spahn stellt fest, Nordrhein-Westfalen zu regieren ist einfach?
    Spahn: Regieren ist erst mal nie einfach, weil man natürlich viele Dinge unter einen Hut bringen muss. Aber Nordrhein-Westfalen wieder eine neue Dynamik, neuen Schwung zu geben, was ich meine ist vor allem, braucht erst mal nicht viel Geld; es braucht vor allem den Geist, es braucht Deregulierung, ob bei der Verkehrsplanung, bei der Ausweisung von Gewerbegebieten, bei Jagdgesetzen. Ich könnte hier eine ganze Zeit weiter machen. Es gab so viel Gängelung und Regulierung von Rot-Grün in den letzten Jahren. Das hat die Menschen einfach genervt. Und das jetzt wieder freizusetzen, darum geht es.
    Es geht darum, die Dynamik wieder freizusetzen
    Müller: Was heißt denn Deregulierung beim Verkehr?
    Spahn: Das heißt zum Beispiel bei den Planverfahren: Wissen Sie, wir haben ja die paradoxe Situation im Moment, wir haben Milliarden für Straßen und Schienen und Wasserwege in Deutschland, die nicht verbaut werden, vor allem in Nordrhein-Westfalen nicht verbaut werden, weil hier Planverfahren gemacht werden, wo Sie für zwölf Hektar Bundesstraße 120 Hektar Ausgleichsfläche brauchen, zum Beispiel, um mal ein konkretes Beispiel zu nennen, wo dann nichts vorangeht.
    Müller: Wo Sie jetzt schon Pläne in der Schublade haben, die dann rauskommen?
    Keine Inklusion mit der Brechstange
    Spahn: Nein, Herr Müller. Worum es doch geht ist einfach, die Dynamik in diesem Land freizusetzen. Ich sage noch mal: Nordrhein-Westfalen ist überall auf den letzten Plätzen, beim Wirtschaftswachstum, bei der Bildung, wenn es darum geht, wer kriegt was wie schnell verbaut, wir haben die höchste Kinderarmut, die meisten Staus, wir haben die höchste Einbruchskriminalität. Es gibt so viele Themen hier, wo Nordrhein-Westfalen es einfach verdient hat, besser regiert zu werden. Das wollen wir mit Armin Laschet an der Spitze tun und dafür ist Hannelore Kraft – und da war sie ja dann auch konsequent mit ihrem Rücktritt – eben auch abgewählt worden. Genau um diese Dynamik geht es und die wollen und werden wir hier in Nordrhein-Westfalen freisetzen.
    Müller: Was machen Sie bei der Bildung anders?
    Spahn: Bei der Bildung geht es vor allem darum, Inklusion nicht mit der Brechstange zu machen. Das hat vor allem die Grüne Frau Löhrmann hier gemacht. Das gemeinsame Beschulen von Kindern mit und ohne Behinderung. Das Ziel ist ja an vielen Stellen richtig, aber auch nicht für jedes Kind im Übrigen. Wir wollen die Förderschulen erhalten. Das hat Armin Laschet gesagt. Erste Kabinettssitzung: Moratorium zum Erhalt der Förderschulen für Kinder mit Behinderung. Und vor allem eine Schulpolitik, die nicht nur aufs Abi setzt. Wissen Sie, ich freue mich ja über jeden, der studieren kann, aber der Mensch fängt ja nicht erst beim Abitur an, sondern es gibt mit der dualen Ausbildung eine gute Alternative, und die ist hier in NRW unter die Räder gekommen.
    Ein Schulkind steht vor einer Tafel, auf der das Wort "Inklusion" geschrieben steht.
    Spahn: Keine Inklusion mit der Brechstange. (picture alliance / dpa)
    Müller: Bessere Inklusion heißt mehr Lehrer?
    Spahn: Das heißt erst mal, das nicht mit der Brechstange zu machen, sondern nur so schrittweise, wie man auch Lehrer und Personal hat, um das umzusetzen. Sonst bleiben alle Beteiligten auf der Strecke, die Kinder, die Eltern, die Lehrer. Und das heißt auch, noch mal genau hinzuschauen, für welche Kinder ist das eigentlich gut und richtig.
    Müller: Das heißt, nicht alle werden inkludiert?
    Spahn: Das heißt, jeder wird nach seinen tatsächlichen Fähigkeiten und vor allem nach der Frage beschult, was ist für ihn oder sie das Beste. Wissen Sie, ich hatte heulende Eltern vor mir sitzen, deren Kinder gezwungen worden sind, von der Förderschule auf eine andere Schule zu wechseln, die sich einfach wahnsinnige Sorgen um ihre Kinder gemacht haben, das auch gespürt haben, dass die damit überfordert sind. Und ich finde, eine Schulpolitik, wo Eltern und Kinder weinen am Ende, weil die falschen Ziele mit der Brechstange durchgesetzt werden, ist keine Schulpolitik.
    Müller: Auf die Frage mehr Lehrer können Sie jetzt nicht sagen ja?
    Spahn: Ach Herr Müller, wir sind doch erst am Anfang. Wissen Sie, ich habe gerade eine lange Nacht des Feierns hinter mir. Wir wollen hier in Nordrhein-Westfalen neu loslegen. Natürlich ist das Ziel, neue Lehrer und mehr Polizisten zu haben, und das wollen wir jetzt am Ende auch verhandeln mit dem potenziellen Koalitionspartner, um das umzusetzen. Da müssen Sie sich keine Sorgen machen. Wenn Sie mich in vier Monaten fragen oder in sechs Monaten, wie es denn dann konkret in der Umsetzung weitergeht, alles prima, aber jetzt ist doch die Marschrichtung klar. Ich habe Ihnen schon einige wichtige Punkte genannt. Und vor allem, ich sage es noch einmal, geht es darum: Wir wollen in Nordrhein-Westfalen wieder Dynamik freisetzen. Wir wollen nicht überall die Letzten sein. Und dazu gehören im Zweifel auch mehr neue Lehrer und mehr neue Polizisten.
    Müller: Im Zweifel mehr Polizisten?
    Spahn: Ach Herr Müller – ja.
    Müller: Sagen Sie doch: Gibt es mehr Polizisten in Nordrhein-Westfalen für mehr innere Sicherheit durch die Union?
    Spahn: Natürlich ist das Ziel, mehr neue Lehrer und mehr neue Polizisten zu haben. Das geht auch nach der Frage, wieviel Ausbildungskapazität ist da. Das geht nicht von einen Tag auf den anderen. Das muss man entsprechend aufbauen. Aber wissen Sie, das große Thema dieses Wahlkampfes war die innere Sicherheit, war die Frage von mehr Präsenz von Polizisten in der Öffentlichkeit, war es, Alltagskriminalität abzubauen, und deswegen, ja, geht es natürlich darum, mehr Polizisten auf die Straße zu bringen, ist doch klipp und klar. Das war unser Wahlkampfthema.
    Müller: Sie kennen sich da gut mit den Finanzen aus. Hat Nordrhein-Westfalen genug Geld dafür?
    Spahn: Nordrhein-Westfalen hat in dem Moment wieder deutlich mehr Geld und genug Geld, in dem wir mehr wachsen. Wir wachsen immer unterdurchschnittlich.
    Viele neue Jobs sollen entstehen
    Müller: Könnte noch was dauern.
    Spahn: Nein. Mein Eindruck ist, wenn sich hier mal die Kraft freisetzt – und ich komme ja aus dem Münsterland …
    Müller: Die Kraft ist ja zurückgetreten.
    Spahn: Frau Kraft ist zurückgetreten, aber ein bisschen Kraft im Sinne von Power, Energie freisetzen täte diesem Land gut. Ich komme ja aus dem Münsterland. Wegen rot-grüner Planungsvorgaben habe ich wahnsinnig viele Städte und Gemeinden, die Gewerbegebiete, Industriegebiete brauchen, weil sie Unternehmen haben, die erweitern wollen, die sich ansiedeln wollen. Wenn wir das alleine schon möglich machen, mal wieder etwas mehr Entwicklung, werden wir viele neue Jobs entstehen haben hier in Nordrhein-Westfalen, werden wir wirtschaftliche Dynamik haben. Wenn wir schon so viel haben wie nur der Durchschnitt der Bundesländer, haben wir hunderte Millionen Euro mehr an Steuereinnahmen. Das ist die Reihenfolge: Dynamik freisetzen, dann ist auch Geld für alles andere da.
    Müller: Wussten Sie denn – zum Schluss die Frage -, dass der Martin-Schulz-Effekt zu Ihren Gunsten ausgeht?
    Spahn: Das hier in Nordrhein-Westfalen hat viel zu tun mit einem starken Fokus auf Landesthemen. Ich sage noch einmal: Viele Nordrhein-Westfalen haben gemerkt, sie werden echt schlecht regiert. Insofern war das von Frau Kraft konsequent. Aber natürlich haben alle bei der Sozialdemokratie jedenfalls ja auf diesen Schulz-Effekt gesetzt. Der hat jetzt zum dritten Mal in Folge nicht gezogen, Saarland, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen. Da steht es jetzt 0:3 und da muss sich die SPD im Bund – aber das ist nicht mein Job – schon fragen, wie sie mal ein bisschen mehr geliefert kriegt als heiße Luft, weil mehr als diesen Hype und 100-Prozent-Ergebnisse auf Parteitagen haben wir da noch nicht gesehen. Und wenn da jetzt nicht mehr kommt - ja, das muss die SPD mit sich ausmachen.
    Müller: Bei uns im Deutschlandfunk CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn. Danke, dass Sie für uns Zeit gefunden haben.
    Spahn: Sehr gerne!
    Müller: Einen schönen Tag noch.
    Spahn: Ihnen auch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.