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CDU-Parteitag
Zwei Familienmitglieder, zwei Delegierte, zwei Favoriten

Mit Spannung wird darüber diskutiert, wer die Nachfolge von Angela Merkel als Parteichefin antreten soll. Ein Schwiegervater und ein Schwiegersohn aus Wanzleben in Sachsen-Anhalt sind beide als Delegierte auf dem Bundesparteitag – und sie sind sich nicht einig, wer es werden soll.

Von Christoph Richter | 07.12.2018
    Zwei Männer stehen nebeneinander in einem Zimmer, lächeln in die Kamera, tragen Halsbänder mit CDU-Delegiertenausweisen um den Hals.
    Tobias Krull und Ernst Isensee, CDU-Delegierte aus Wanzleben in Sachsen-Anhalt (Christoph Richter / Deutschlandradio)
    Ob Merz, Spahn oder AKK: Der sachsen-anhaltische CDU-Delegierte Tobias Krull verrät es nicht und weiß es nicht, wen er wählen soll. Wirklich, schiebt er noch schnell hinterher. Und lacht.
    "Das Herz schlägt für die CDU und dann gucken wir mal."
    Krull ist unschlüssig. Wie viele andere in der CDU wird er sich wohl erst im letzten Augenblick entscheiden. Tobias Krull ist 41, Landtagsabgeordneter im Magdeburger Landtag und Delegierter beim CDU-Parteitag. Neben ihm sitzt sein Schwiegervater – der 73-jährige Ernst Isensee, ein studierter Mathematiker. Ebenfalls Delegierter. Aber anders als sein Schwiegersohn hat er einen klaren Plan…
    Wer hat Ostdeutschland im Blick?
    "Ich werde mich für Annegret Kramp-Karrenbauer entscheiden."
    Überzeugt hat den Delegierten Isensee ihr Auftritt bei der CDU-Regionalkonferenz in Halle. Weil sie auch die Ostdeutschen im Blick hat…
    "Was mir sehr gefallen hat, dass sie sich auf den angeblich abgehängten Osten bezogen hat. Hat gesagt, es ist nicht so; wenn ich sehe welche Strukturbrüche sie hier im Osten haben und noch vor sich haben, das sind Dinge, die kenne sie aus dem Saarland auch. Sehr gut gemacht, hat mir gut gefallen."
    Isensee und Krull, Schwiegervater und Schwiegersohn. Beide wohnen auch zusammen in einem Mehrgenerationenhaus in Wanzleben bei Magdeburg. Beide Delegierte beim heutigen CDU-Wahlparteitag. Doch eine gemeinsame – im Familienrat abgesprochene Wahl-Absprache – werde es nicht geben, versichern sie.
    "Da gibt es keine Einflussnahme, gibt’s keine."
    "Das glaube ich ihnen nicht."
    "Doch, doch. Er ist politisch in einer hauptamtlichen Politik. Das ist eine andere Position. Also wir diskutieren schon, aber es gibt keine polemische Diskussion."
    Die CDU liegt in der Familie
    Das Haus Isensee und Krull ist eine ausgesprochen konservative Bastion, denn auch die anderen Familien-Mitglieder sind alle in der CDU. Und jeder hat irgendeinen Job in der Union: Ob im Landtag, Kreistag oder Ortschaftsrat.
    "Sicherlich diskutiert man auch Sachen aus. Aber wir sind beide schon lang genug Mitglied der Partei, um Positionen austauschen zu können. Kann überprüfen, ob die Argumente so stimmen, wie man sich das vorher überlegt hat. Klar, man bekommt auch Anrufe von Leuten, die wissen, dass man Delegierter ist. Die dann sagen, entscheide dich doch für die Person oder für jene Person. Aber das muss man für sich abwägen."
    Schwiegervater Isensee ist ernst, hört genau zu. Er ist ein kleiner – fast ein wenig zerbrechlich wirkender Mann. Sein Schwiegersohn dagegen ist das Gegenteil. Ein stämmiger Mann, ein verschmitzter Typ. Mit Wohlstandsbauch und Abraham-Lincoln-Gedächtnisbart. Am Revers seines Jacketts klebt eine gelbe Schleife, das Unterstützer-Zeichen der Bundeswehr.
    Doch nach längerem Nachhaken outet sich Krull dann doch als Freund des jungen Kandidaten Jens Spahn. Den er auch persönlich kenne und schätze, so Krull.
    "Es gibt eine Gruppe junger CDU-Leute, die nennt sich AG Zukunftswerkstatt. Wo Spahn Mitglieder von den Landtagen, des Deutschen Bundestages, des Europaparlaments und JU-ler zusammen ruft, wo Zukunftsthemen diskutiert werden. Seit zweieinhalb Jahren darf ich da mitwirken. Darüber kenn ich ihn ein bisschen näher. Und natürlich über die Junge Union. Er kam etwas später da rein, weil er ein bisschen jünger ist, als ich. Aber man kennt sich von vielen Veranstaltungen."
    Spahn, das sei doch ein Typ, der klare Positionen habe. Ein Mann mit Kanten, das brauche doch die CDU. Aber ob er ihn wähle, das sei mitnichten entschieden, sagt Krull noch. Lacht und schaut zu seinem Schwiegervater.
    Doch ein so ganz normaler Parteitag ist es dann nicht, sagt er noch.
    Spannende Wahl des neuen Parteivorsitzenden
    "Bei der Wahl selber werde ich nicht aufgeregt sein. Aber wenn dann die Zeit verläuft, man wartet auf das Ergebnis, dann wird eine gewisse Aufregung mit dabei sein. Es wird dann Gerüchte geben: "Hast du schon gehört und kennt jemand in der Stimmenzählkommission…kann der mal einen Zwischenstand geben.." Das ist eine gesunde Spannung."
    Mit knapp 6.500 Mitgliedern ist der CDU-Landesverband Sachsen-Anhalt eher klein. 18 Delegierte wird man heute beim Hamburger Parteitag stellen.
    Mitgliederentscheid in Sachsen-Anhalt: Mehrheit für Merz
    Als einziger Landesverband hat es in Sachsen-Anhalt eine Mitgliederbefragung gegeben, welcher der drei Kandidaten es werden soll. Vorgestern wurde das Ergebnis bekannt gegeben – Friedrich Merz. Aber davon werden sich die Delegierten Krull und Isensee wahrscheinlich nicht beeinflussen lassen. Die Befragung ist nämlich nicht bindend.
    "Ich habe mich entschieden und werde Kramp-Karrenbauer wählen, auch wenn die Empfehlung anders aussieht. Ich werde auch, wenn Merz Vorsitzender wird, weiter für die CDU werben."
    Schwiegervater und Schwiegersohn, Isensee und Krull: Zwei CDU-Delegierte aus Sachsen-Anhalt. Sie sind nicht nur in der gleichen Partei, sie wohnen nicht nur im selben Haus, sondern auf dem Hamburger CDU-Parteitag werden sie wohl auch nebeneinander sitzen. Andere nennen sowas innerparteiliche Geschlossenheit.