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CDU-Politiker: Beitragssteigerungen für viele Privatpatienten nicht tragbar

Der Gesetzesentwurf zur geplanten Gesundheitsreform sieht eine Erhöhung der Tarife für Privatversicherte um bis zu 37 Prozent vor. Nach Ansicht des CDU-Gesundheitsexperten Jens Spahn sind solche Steigerungen für viele Privatversicherte wie kleine Beamte und Rentner nicht tragbar.

Moderation: Dirk-Oliver Heckmann |
    Heckmann: Kaum ist die Sommerpause beendet und der politische Betrieb langsam wieder in Gang gekommen, taucht auch schon das Thema auf, das vielleicht noch für am meisten Sprengstoff in der Koalition sorgen wird: die Gesundheitsreform. Nun wurde ein Gesetzesentwurf aus dem Hause Ulla Schmidt bekannt, der die Eckdaten der geplanten Reform beinhaltet, und der sorgt für erheblichen Wirbel vor allem bei den Privatversicherungen.
    Bei uns am Telefon ist jetzt Jens Spahn von der CDU. Er ist Mitglied im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages. Schönen guten Tag!

    Spahn: Schönen guten Tag!

    Heckmann: Herr Spahn, was sagen Sie zu den Plänen aus dem Hause Schmidt? Können Sie damit leben, insbesondere mit einer Erhöhung der Tarife für Privatversicherte um bis zu 37 Prozent?

    Spahn: Zum ersten muss man zu den Entwürfen sagen, dass es tatsächlich nur Arbeitsentwürfe auf der Beamtenebene sind, die noch in keiner Weise irgendwie politisch abgestimmt sind, und ich bin mir sehr sicher, dass es noch viele Veränderungen geben wird.

    Heckmann: Auch in diesem Punkt?

    Spahn: Auch an dieser Stelle muss man zumindest diskutieren, denn eines ist wichtig bei der Diskussion über die Privatversicherten. Das sind nicht nur Gutverdiener, sondern da sind auch viele Rentnerinnen und Rentner, viele kleine Beamte, Polizisten etwa, die auf Streife sind, dabei, die keine hohen Einkommen haben, und für die wären so hohe Steigerungen sicherlich inakzeptabel.

    Heckmann: Auf der anderen Seite entspricht das der Forderung vieler Wissenschaftler die sagen, dass die Rückstellungen, die bisher nicht mitgenommen werden können bei einem Kassenwechsel, in Zukunft möglich gemacht werden sollen und das macht die Police natürlich teurer?

    Spahn: Allerdings muss man dann - und ich glaube in die ehrliche Diskussion sollten wir auch als diejenigen, die die Gesundheitsreform verhandelt haben, noch mal treten - abwägen, ob das tatsächlich solche Steigerungsraten von 37, 40 Prozent rechtfertigt. Denn tatsächlich ist der Wille zum Wechsel vielleicht doch nicht so groß, dass es 40 Prozent Steigerung rechtfertigt. Ich zumindest finde, darüber muss man noch mal diskutieren, denn einem Gutverdiener machen im Zweifel solche Steigerungsraten noch nicht so viel aus. Aber wie gesagt: ich habe viele Rentnerinnen und Rentner bei mir im Wahlkreis, die auch schon bei mir in der Bürgersprechstunde waren. Für die sind die Beiträge zur privaten Krankenversicherung fast unbezahlbar.

    Heckmann: Im Gesetzentwurf wird allerdings auch argumentiert, dass mittelfristig es dann wieder zu Senkungen kommt dadurch, dass kostensenkende Effekte durch die neue Vergütung von Ärzten beispielsweise zum Tragen kommen und dass der Wettbewerb greift.

    Spahn: Das ist ja eine unserer Zielrichtungen bei dieser Reform. Wir müssen jetzt sehen, dass wir das, was wir als Eckpunkte formuliert haben, mehr Wettbewerb zwischen den Ärzten, mehr Wettbewerb insbesondere auch im Arzneimittelsektor und zwischen den Krankenhäusern, auch tatsächlich so umgesetzt wird, dass es, ohne dass die Qualität sinkt, sondern steigt, kostengünstiger im Sinne der Patienten erbracht werden kann und das soll natürlich mittelfristig auch Geld sparen. Das kann aber heute niemand auf den Euro genau beziffern.

    Heckmann: In der privaten Krankenversicherung soll - so jedenfalls plant es Gesundheitsministerin Schmidt offenbar - ein Finanzausgleich eingeführt werden, ähnlich wie bei der gesetzlichen Krankenversicherung. Würde das aber nicht die Idee der Privatversicherung ad absurdum führen?

    Spahn: Wir haben uns in der Koalition darauf geeinigt, dass die privaten Krankenversicherungen verpflichtet werden, für diejenigen, die sich freiwillig versichern können, einen Basistarif anzubieten, bei dem sie jeden, auch Menschen mit Behinderungen, auch Menschen mit Vorerkrankungen, nehmen müssen. Für einen solchen Tarif - das werden dann nicht alle Tarife der Privaten sein, sondern eben nur dieser Basistarif - braucht man auch einen Risikoausgleich. Sonst lässt sich das nicht darstellen. Das ist eine Abweichung vom Prinzip der privaten Krankenversicherung, aber die ist am Ende politisch auch in Abstimmung mit der privaten Krankenversicherung so vereinbart worden.

    Heckmann: Herr Spahn, es wurde in den letzten Tagen schon berichtet, dass Gesundheitsministerin Schmidt darauf verzichten will, zum Start des Gesundheitsfonds die kleine Kopfpauschale schon direkt einzuführen. Das berührt eine Ihrer Kernforderungen oder?

    Spahn: Für uns als Union ist wichtig, dass in der Entwicklung der nächsten Jahre die Krankenkassen die Möglichkeit haben, wenn sie mit dem Geld nicht auskommen, eine Zusatzpauschale zu erheben. Das heißt aber nicht, dass wir mit Fetischismus darauf bestehen müssen, dass in 2008 schon erste Pauschalen erhoben werden. Wenn sich das rechnerisch nicht ergibt, dann ergibt sich das nicht. Wichtig ist, dass sich in der Entwicklung der nächsten Jahre solche Pauschalen ergeben können, weil wir eben den allgemeinen Beitragssatz zur Planungssicherheit insbesondere der Arbeitgeber stabil halten wollen.

    Heckmann: Sie können also damit leben, auch wenn insgesamt dann die Beiträge höher sind?

    Spahn: Ich habe den Arbeitsentwurf auch erst seit wenigen Tagen und noch nicht jeden Paragraphen durchforstet. Wir müssen jetzt schauen, wie wir vernünftig den allgemeinen Beitragssatz jetzt oder zu 2008 so festlegen, dass keine Kasse benachteiligt ist, wenn es darum geht zu starten. Von daher wird er sicherlich etwas höher liegen müssen, als er heute ist. Aber gleichzeitig kann ich nicht ausschließen, dass Pauschalen erhoben werden können. Inwieweit das durch den Arbeitsentwurf jetzt dargestellt wird, muss man noch beurteilen. Das konnte ich jetzt in so wenigen Tagen noch nicht abschließend durcharbeiten.

    Heckmann: Herr Spahn, bei dem Gesundheitsfonds weiß niemand mehr so recht, wozu wir ihn eigentlich brauchen. Kann das sein, dass er nur kommt, weil Ulla Schmidt und Angela Merkel ihr Gesicht wahren wollen?

    Spahn: Nein! Wir brauchen den Gesundheitsfonds, um endlich einen ersten Schritt gehen zu können, um die Lohnnebenkosten von den Gesundheitskosten abzukoppeln und die darin liegende Dynamisierung. Das gelingt durch Steuermittel, die in den Fonds vernünftig eingespeist werden können, und eben dadurch, dass wir eine Dynamik in den Pauschalen darstellen können. Es gibt Sicherheit für die Arbeitgeber und - das ist auch ein Nebeneffekt - die Kassen müssen nicht mehr darum konkurrieren, nur Gutverdiener zu haben, denn jede Kasse erhält für jeden Versicherten den gleichen Betrag, egal wie viel dieser verdient.

    Heckmann: Aber Kritiker bemängeln weiterhin, dass kein einziges Problem gelöst wird durch den Gesundheitsfonds, im Gegenteil nur eine riesige Bürokratie aufgebaut wird.

    Spahn: Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: da wir mittlerweile von allen Verbänden und allen Seiten kritisiert werden, gewinne ich zunehmend die Ahnung, dass wir wahrscheinlich gar nicht so falsch liegen, denn wenn im Gesundheitswesen alle die, die Interessen haben - auch die Krankenkassen haben Interessen und auch das sind Lobbyisten, alle Ärzte und Apotheker -, also alle, die da Interessen verteidigen, am Schimpfen sind, dann glaube ich sind wir auf einem guten Weg.

    Heckmann: Jens Spahn war das, gesundheitspolitischer Experte der Unionsbundestagsfraktion.