Freitag, 19. April 2024

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CDU-Politiker Schuster über Maaßen
"Er kriegt eine Chance, das zu erklären"

Er gehe davon aus, dass Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen mit seinen Äußerungen zu Chemnitz "das Richtige wollte", sagte Armin Schuster (CDU) im Dlf. Allerdings sei das "reichlich missglückt". Bei der kommenden Sondersitzung des Innenausschusses könne man die Frage nach einer "politischen Mission" Maaßens klären.

Armin Schuster im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 08.09.2018
    07.06.2018, Berlin: Armin Schuster (CDU), Vorsitzender des 1. Untersuchungsausschusses der 19. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages zum Fall Anis Amri, spricht zu den Journalisten. Foto: Britta Pedersen/dpa | Verwendung weltweit
    "Dass wir die Szene gut kennen, ist ein wirklicher Erfolg des Bundesamtes", sagte Armin Schuster (CDU). (dpa)
    Tobias Armbrüster: Hans-Georg Maaßen, der oberste deutsche Verfassungsschützer, Präsident des Verfassungsschutzes, steht seit gestern massiv unter Druck. Wieder einmal. Er hat der "Bild-"Zeitung ein Interview gegeben und darin Zweifel angemeldet an einem weitverbreiteten Video, das Hetzjagden in der Innenstadt von Chemnitz zeigt. Maaßen hatte in dem Interview gesagt, es sei möglich, dass durch dieses Video gezielte Falschinformationen verbreitet worden seien, um möglicherweise die Öffentlichkeit von dem Mord in Chemnitz abzulenken. Diese Sätze, die haben in Berlin eine große Kontroverse ausgelöst, auch, weil Maaßen selbst in seiner Aussage so vage geblieben ist. Wie sicher sitzt Maaßen jetzt noch im Sattel? Wir wollen das besprechen mit Armin Schuster, dem Obmann der Unionsfraktion im Innenausschuss des Deutschen Bundestags. Schönen guten Morgen, Herr Schuster!
    Armin Schuster: Guten Morgen, Herr Armbrüster!
    Armbrüster: Herr Schuster, hat sich Hans-Georg Maaßen hier zu weit aus dem Fenster gelehnt?
    Schuster: Also ich unterstelle mal, dass er sogar das Richtige wollte, und das hätte ich auch begrüßt, nämlich eine objektive Einschätzung zu dem, was in Chemnitz passiert ist, vielleicht sogar drei, vier Tage früher schon hätte ich mir das gewünscht, um auch mal Ruhe in eine völlig überhitzte Debatte zu kriegen. Ich unterstelle ihm auch, dass das seine Absicht war, aber wie er es gemacht hat, ist reichlich missglückt, muss ich sagen, weil was ich mir gewünscht hätte, wäre gewesen, dass er mal klar aufzeigt, was war das überhaupt, welche Demonstrationsveranstaltung, wie hoch war das rechtsextremistische Potenzial, zu welchen Hass-, Gewaltszenen kam es tatsächlich, und in dem Zusammenhang, um da auch mal Ruhe in diese Debatte zu bringen, hätte er auch den Satz sagen können, wir sind noch am Prüfen, wir wissen noch nicht, ob es wirklich Hetzjagden gab oder nicht, und ich glaube, dann wären sogar alle mal zufrieden gewesen, dass mal jemand versucht, die Dinge zu objektivieren, weil in der Sommerpause, in der parlamentarischen, da gehen die Emotionen meistens ziemlich hoch, weil die Fakten fehlen.
    Armbrüster: Ruhe in die Debatte bringen, sagen Sie. Hans-Georg Maaßen hat jetzt – das kann man sicher so sagen – genau das Gegenteil erreicht mit diesem Interview gestern. Muss man da die Frage stellen, hat er das Amtsverständnis, das seinem Amt innewohnt, hat er das richtig verstanden?
    Schuster: Das ist jetzt die Frage, auf welche Seite Sie sich schlagen. Ich stelle mich jetzt nicht auf die Seite derer, die ständig versuchen, Herr Maaßen in seiner Funktion und auch in seiner Person und Wirkung zu überhöhen. Entschuldigung, Herr Maaßen ist Behördenleiter einer Bundesbehörde, einer Bundessicherheitsbehörde, aber ich finde es einigermaßen vermessen, und die Hybris hat er auch nicht, dass er jetzt angeblich die Bundeskanzlerin angreift und sich auf die Seite von Seehofer stellt. Sorry, der ist nur, sage ich auch mal, Behördenleiter. Ihn so zu überhöhen, das ist vielleicht auch viel Parteipolitik. Was Maaßen aus meiner Sicht …
    Armbrüster: Aber Herr Schuster, ganz kurz, da muss ich kur einhaken: Die Bundeskanzlerin steht ja nach diesem Interview nicht besonders vorteilhaft da, weil sie wurde darüber nicht informiert.
    Schuster: Das ist auch nicht üblich, also dass eine Bundespolizei, BKA oder Verfassungsschutz, beim BND vielleicht schon eher, ein Verfassungsschutzchef erst mal die Bundeskanzlerin anruft, bevor er irgendwo ein Interview gibt. Also das, glaube ich, ist jetzt arg überspannt.
    Armbrüster: Aber er hat zumindest den Innenminister Horst Seehofer informiert.
    Schuster: Das ist auch seine Pflicht. Das ist ja sein unmittelbarer Dienstvorgesetzter. Das ist also … Ich bin ehemaliger Bundesbeamter. Wenn er das nicht getan hätte, das wäre ein Problem. Das muss er tun.
    Horst Seehofer (CSU), Bundesminister für Inneres, Heimat und Bau, sitzt neben Hans-Georg Maaßen, dem Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz.
    Verfassungsschutz-Präsident Maaßen und sein Dienstherr, Innenminister Seehofer (PA/dpa/Michael Kappeler)
    Armbrüster: Jetzt muss mal allerdings sagen, die Vorfälle in Chemnitz, die stehen ja jetzt seit zwei Wochen eigentlich ganz oben auf der politischen Agenda. Das sind extrem brisante Fragen, das ist jetzt nicht nur irgendeine Frage, die den Bundesverfassungsschutz auch betrifft. Deshalb noch mal die Frage: Wäre es da nicht eigentlich geboten gewesen, eigentlich völlig naheliegend, auf diesem Posten, bevor man so ein Interview macht, erst mal mit der Kanzlerin zu sprechen, die sich ja selbst über ihren Sprecher in Sachen Hetzjagd klar geäußert hatte?
    Schuster: Also das sehe ich so nicht, weil das würde ein bisschen arg weit … Ich glaube nicht mal, dass die Bundeskanzlerin die Erwartung hat, dass nun jeder Behördenchef bei ihr vorm Interview anruft. Was man von einem Verfassungsschutzchef erwarten muss, ist allerdings, dass er, wenn er etwas sagt, ein ganz hohes Maß an politischer Sensibilität hat. Dieses Maß hätte Herr Doktor Maaßen eingehalten, wenn er eine saubere Lagebeurteilung abgegeben hätte – das habe ich schon gesagt –, um auch mal vielleicht ein bisschen den Sachsen beizuspringen, über die jetzt arg viel Kritik hereinbricht. Das hätte ich mir sogar vor drei, vier Tagen schon gewünscht. Dass er den Fokus jetzt mit einer einzigen Aussage nur auf diese sogenannte Hetzjagdszene und das vermeintliche …, die Echtheit des Videos lenkt, das nenne ich mal krass missglückt, was er da gemacht hat, aber ich unterstelle ihm jedenfalls im Moment noch nicht, dass der irgendwelche politischen Spielchen spielen wollte. Wenn ich ehrlich sein soll, ich vermute, sein Wille oder seine Motivation war, ein wenig auch den Sachsen beizuspringen, und da habe ich auch Verständnis dafür. Dass er es schlecht gemacht hat, ja, aber dass den Sachsen mal jemand hilft von objektiver Seite, um mal zu relativieren – was da vorgefallen ist, ist wirklich schlimm –, und, Herr Armbrüster, ob wir jetzt Gewalt, Hass, Hitlergruß haben und dazu auch noch Jagdszenen oder Hetzjagd, ja, nein, darauf kommt es ja letztendlich gar nicht mehr an. Was vorgefallen ist, ist schlimm genug. Mir reicht das an Erkenntnis, um jetzt zu handeln. Deswegen, das ärgert mich am meisten, dass er durch sein Interview dieses Thema Hetzjagd pointiert. Das brauchte ich nicht mehr für die Einschätzung, dass wir beim Thema Rechtsextremismus ein veritables Problem haben.
    Armbrüster: Und dann stellt sich eben die Frage, wie kommt er dazu, trotz dieser Zweifel, diese Aussage zu machen? Deshalb noch einmal die Frage: Wenn er diese Unterscheidung nicht hinbekommt zwischen Debatte beruhigen und Debatte eigentlich weiter anfachen, ist er dann noch der richtige Mann auf diesem Posten?
    Schuster: Also die Frage sollten wir mal beantworten, wenn wir die Sondersitzungen oder die Sondersitzung des Innenausschusses hinter uns haben, die wir nächste Woche deswegen ja anberaumen. Wir werden ja eigens wegen dieses Themas eine Sondersitzung haben, in der sich auch Herr Doktor Maaßen erklären wird, und ich gehe mal stark davon aus, dass er dort … Also er kriegt eine Chance, das zu erklären, was er gesagt hat, und dann bin ich mal gespannt, mit welchen Aussagen er kommt.
    Ausschuss wird Frage nach "politischer Mission" Maaßens klären
    Armbrüster: Was muss er liefern? Muss er da Beweise bringen für seine These, dass dieses Video eine Fälschung ist beziehungsweise, dass es keine Hetzjagden gegeben hat?
    Schuster: Na ja, die Prüfung muss bis dahin abgeschlossen sein. Das ist klar. Er hat ja – das macht die Sache nicht besser –, er hat ja im "Bild"-Zeitungsinterview nicht den Fakt festgestellt, sondern er hat nur die Möglichkeit in den Raum gestellt. Deswegen hätte ich es zwar erst recht nicht gemacht, aber tatsächlich hat er jetzt bis nächste Woche – Dienstag oder Mittwoch, werden wir die Sitzung wohl machen – die Chance, seine Prüfung abzuschließen und dann zu berichten. Eins muss man allerdings sagen: Wenn du Chef einer solchen Behörde bist, dann ist der Umgang mit gefälschten Dokumenten, Videos und was auch immer, in welchen Extremismusszenarien auch immer, fast ein Stück Normalität. Ich möchte als bei der Sitzung im Innenausschuss auch mal feststellen, war es jetzt eine Ungeschicklichkeit oder nicht, und ich unterstelle im Moment, dass er eine gute Absicht hatte, die ich auch begrüßt hätte, um mal Objektivität in die Debatte zu kriegen. Das ist ihm ausreichend gut missglückt, und wir werden feststellen – das ist die Situation, wo wir auch die anderen fünf Parteien hart befragen werden –, da werden wir feststellen, ob er sich eine politische Mission gegeben hat. Ich unterstelle das nicht. Übrigens …
    Armbrüster: Können wir da ganz kurz festhalten: Zumindest steht seine weitere Zukunft in diesem Amt in der kommenden Woche zur Disposition.
    Schuster: Nein, so wird die Debatte nicht laufen im Ausschuss. Wir werden im Ausschuss ihn direkt befragen, er muss liefern. Die Entscheidung darüber, ob wir einen Behördenleiter … Wer Behördenleiter in einer Bundessicherheitsbehörde ist, trifft kein Parlamentarier. Das wird andernorts entschieden. Da mache ich mir jetzt im Moment überhaupt keine Gedanken, weil eins möchte ich auch noch mal sagen, Herr Armbrüster, Sie haben das in der Anmoderation gesagt, schon wieder Maaßen: Wenn wir die Zeit hätten, in den zwei, drei Themen, die ansonsten über ihn im letzten Vierteljahr publik wurden, würde ich Ihnen stark widersprechen, dass er da Fehler gemacht hat. Beispielsweise die angebliche Nähe zur AfD, das halte ich schon für eine Zumutung, ihm das zu unterstellen. Es gehört zur Pflicht eines Verfassungsschutzchefs, dass er von der Linken bis zur AfD mit allen Bundesspitzen der Parlamentarier in regelmäßigem Kontakt steht. Das möchten wir Parlamentarier so, weil wir der Regierung da keinen Wissensvorsprung gönnen. Deswegen ist es nicht zu verurteilen, dass er mit allen Parteichefs, mit Fraktionschefs, mit wichtigen Parlamentariern permanent im Gespräch ist. Das gilt für Frau Wagenknecht genauso wie für Herrn Gauland, Frau Göring-Eckardt oder wer auch immer. Sie sind in den Bundestag gewählt, das ist seine Pflicht. Würde ich nicht skandalisieren.
    Armbrüster: Trotzdem, und ich muss da noch mal kurz nachfragen, auch wenn ich darüber jetzt gerade hier von meiner Regie kritisiert werde, weil wir die Zeit deutlich überziehen, –
    Schuster: Macht aber Spaß!
    "Dass wir die Szene gut kennen, ist ein wirklicher Erfolg des Bundesamtes"
    Armbrüster: – wo Sie dieses Thema noch mal auf die Tagesordnung bringen. Da drängt sich ja schon der Eindruck auf, wenn man sieht, seine Gespräche mit der AfD, dann jetzt dieses Interview, das ja im Grunde auch wieder der AfD und auch Rechtspopulisten neue politische Munition gibt, da drängt sich wieder einmal die alte Frage auf: Tickt der Verfassungsschutz in Deutschland eigentlich rechts?
    Schuster: Oh, da sprechen Sie mit dem Richtigen jetzt. Ich bin ja auch Vorsitzender des parlamentarischen Kontrollgremiums. Also eins darf ich Ihnen sagen: Da möchte ich mal insbesondere nach unserem NSU-Debakel die Landesämter und das Bundesamt für Verfassungsschutz ausdrücklich auch mal loben. Dass wir ein Rechtsextremismus-Problem haben, ist eine Frage, wie wir das erfolgreich bekämpfen, vor allen Dingen polizeilich, aber dass wir eine saubere Lageanalyse haben, dass wir die Szene gut kennen, ist ein wirklicher Erfolg der Landesämter und des Bundesamtes, insbesondere das Bundesamt für Verfassungsschutz macht eine offensive Arbeit gegen Rechtsextremismus, auch das Landesamt für Verfassungsschutz in Sachsen. Wir haben kein Erkenntnisproblem. Deswegen würde ich da die Verfassungsschutzämter mal in Schutz nehmen. Wenn wir ein Problem haben, dann bei der Frage, bei Links- wie bei Rechtsextremismus, sind wir beherzt genug, dieses Phänomen auch mit einer Null-Toleranz-Strategie zu bekämpfen, und das kann man nach Chemnitz immer leicht befinden. Man muss den Mut auch vor Chemnitz haben, mal mit Reiterstaffel, Wasserwerfern zu arbeiten, und das gilt übrigens auch für Hambacher Forst, wenn ich mal an Linksextremismus denke. Dieser Mut, auch mal eine härtere Gangart schon vorher zu wählen, durchaus mal martialisch aufzutreten, den hätten einige Polizeien gerne, nur ist das gesellschaftlich bei uns doch hin und wieder schwierig, so etwas zu tun, und deswegen arbeiten wir meistens mit Deeskalation, was ich für keine richtige Strategie halte im Umgang mit Extremisten.
    Mehr politischer Mut, gegen Extremisten eine Null-Toleranz-Strategie zu fahren
    Armbrüster: Das heißt, Sie äußern hier auch Kritik an den Polizeieinsätzen in Chemnitz, die hätte anders vorgehen müssen.
    Schuster: Nein, ich äußere nicht Kritik in Chemnitz, sondern ich äußere Kritik daran, dass es … Andersrum: Ich wünsche mir den Mut, auch den politischen Mut, nicht nur in Chemnitz, an vielen Orten in Deutschland, wo es um Demonstrationen geht, wo Extremisten schon vorher bekannt sind, dass sie teilnehmen, dort Politiker den Mut haben, auch mal eine niedrige Einschreitschwelle, eine Null-Toleranz-Strategie, ein martialisches Auftreten von Anfang an zu planen, um, wie der Bayer sagen würde, dieser Klientel zu zeigen, wo der Barthel den Most holt.
    Armbrüster: Armin Schuster war das, der Vorsitzende beziehungsweise der Obmann der Unionsfraktion im Innenausschuss des Deutschen Bundestags. Wir sprachen mit ihm über Hans-Georg Maaßen und die Kritik am Chef des deutschen Verfassungsschutzes. Vielen Dank, Herr Schuster, für das Gespräch!
    Schuster: Ich danke Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.