Jürgen Liminski: Am Donnerstag gibt Verbraucherminister Horst Seehofer eine Regierungserklärung zur richtigen Ernährung ab. Anlass ist die Fehlernährung vor allem von Kindern und Jugendlichen, Stichwort Fettleibigkeit. Hinter dem harmlos klingenden Thema stehen nicht nur Fragen der Gesundheit, sondern auch Kosten in Milliardenhöhe. Jedenfalls ist die Politik alarmiert, und zwar so intensiv, dass die Unionsfraktion heute einen fraktionsübergreifenden Antrag beschließen will, um dieser Problematik auf breiter Front zu begegnen. Eingebracht hat den dazugehörigen Antrag die Verbraucherbeauftragte der Unionsfraktion Julia Klöckner. Sie ist nun am Telefon. Guten Morgen Frau Klöckner.
Julia Klöckner: Guten Morgen. Ich grüße Sie.
Liminski: Frau Klöckner, was alarmiert Sie und Ihre Kollegen denn am meisten?
Klöckner: Uns alarmieren die Zahlen und die Entwicklungen. Etwa 15 Prozent der 3- bis 17-Jährigen sind in Deutschland übergewichtig, also der jungen Menschen, der Heranwachsenden. 42 Prozent der Frauen und 58 Prozent der Männer, also der Erwachsenen, sind übergewichtig. Das alarmiert und deshalb, weil es ernährungsbedingte Krankheiten und Folgekosten gibt, die wir jetzt zwar absehen können, die aber letztlich auch nicht nur das Leben unlebenswerter machen beziehungsweise den Lebensstandard beeinträchtigen, sondern wir verschieben die Kosten auch auf die folgenden Generationen und die Probleme damit.
Liminski: Sie sprechen von Kindern und von Erwachsenen. Sind wir also alle zu fett? Das sind ja doch Zahlen, die in der Tat über die Hälfte gehen.
Klöckner: Alle sind sicherlich nicht zu fett. Wir müssen natürlich schauen, dass Kinder und Jugendliche sich auch entwickeln. Wir haben auch ein umgekehrtes oder ein gegenteiliges Phänomen gerade bei jungen Mädchen zwischen 9 und 13 Jahren wahrzunehmen, nämlich der Magersucht, also dem Hinterherrennen falscher Schönheitsideale. Die Schere geht sehr, sehr auseinander und eins ist festzustellen: Das Ernährungswissen ist bei allen Jugendlichen sehr, sehr minimal. Auch das richtige Umgehen mit den Mitteln zu Leben, also den Lebensmitteln, das muss optimiert werden.
Liminski: Der Bundestag wolle beschließen, heißt es in Ihrem Antrag. Glauben Sie, dass Sie mit Empfehlungen oder Verboten das Problem in den Griff bekommen?
Klöckner: Erst einmal ist "wolle beschließen" eine allgemeine Formulierung natürlich, indem wir die Bundesregierung auffordern, tätig zu werden und zu agieren. Mit Verboten wird man relativ wenig erreichen, bin ich der Meinung. Wichtig ist hier die Einsicht. Man kann weder Lebensmittel in gut oder schlecht unterteilen, noch für alle Menschen in Deutschland die Empfehlung abgeben, die für alle gleich gilt. Wichtig ist für uns eine Einsicht, dass Bewegung und Ernährung zusammengehören und dass Lebensmittel wirklich Mittel zum Leben sind und man dementsprechend auch individuell schauen muss, was ist der richtige Lebensstil.
Liminski: Sie sprachen eben auch von zu wenig Wissen. Wir wissen zu wenig über die Ernährung. Ist das nicht auch ein Thema für die Schulen?
Klöckner: Absolut! Es ist sehr traurig, als ich hörte, dass eine Schulleiterin zu mir sagte, viele meiner Kinder kommen mit einem Snickers und einer Cola als Frühstück in die Schule. Es wird vieles verpasst in den Elternhäusern, gerade auch in bildungsfernen Schichten. Das gemeinsame Essen, gemeinsame Frühstücken und auch gemeinsam zusammensitzen und die Kultur des Essens auch zu üben, das findet man nicht flächendeckend. Insofern ist es auch Aufgabe der Schule, zum einen gemeinsames Frühstücken anzubieten und das Wissen über Nahrungsmittel und über Rohstoffe letztlich zu verbreiten. Meiner Meinung nach gehört das Thema Ernährungsbildung, Ernährungserziehung in alle Schularten.
Liminski: Das könnte man, wenn es hier gerade über die Schulen geht, auch politisch steuern.
Klöckner: Föderalismus, das Schlagwort. Wir können natürlich nicht vom Bund aus die Lehrpläne schreiben. Das Thema Schule und die Lehrpläne gehören in die Hände der Länder. Deshalb fordern wir, auch Horst Seehofer, genauso Frau Schmidt als Gesundheitsministerin auf zu koordinieren, erst mal die Ministerien auf Bundesebene zu koordinieren - zu Sport und Bewegung gehört das Innenministerium, das Bildungsministerium brauchen wir, Gesundheit und Ernährung -, dass die sich bitte nachhaltig zusammensetzen mit Kommunen und auch mit den Ländern, damit nicht nur ein Appell am Donnerstag in die Welt hinaustönt, sondern es auch spürbar ist dort wo Menschen leben und agieren.
Liminski: Sie sind mit Seehofer im Gespräch. Sind Sie auch mit den anderen Parteien im Gespräch, damit Sie sozusagen alle mitnehmen? Und wenn die Parteien mitmachen, dann würde es ja sozusagen auch die Föderalismusgrenzen überschreiten und in die einzelnen Länder kommen.
Klöckner: Ja. Natürlich sind wir mit dem Koalitionspartner im Gespräch, aber auch mit den anderen beteiligten Fraktionen im Bundestag. Wir werden im kommenden Monat mit unserem Ernährungsausschuss eine Anhörung veranstalten und bei dieser Anhörung, die wir fraktionsübergreifend beschlossen haben, wird es auch um das Thema EU-Zuständigkeiten und EU-weite Ernährungskampagnen und Aufklärung gehen, aber auch um die Möglichkeiten, die wir überhaupt als Bundespolitiker haben. Wir versuchen die Ebenen EU, Bund, Land und Kommune bei dieser Anhörung, die über mehrere Stunden gehen wird, an einen Tisch zu bekommen.
Liminski: Eine Ebene könnte natürlich auch die Wirtschaft sein. Sie haben eben zum Beispiel gesagt, zu wenig Bewegung ist ein Hauptgrund. Aber die Arbeitswelt lässt ja kaum Zeit für sehr viel Bewegung. Jedenfalls ist schwer vorstellbar, dass die Wirtschaft auf Empfehlungen zur Prävention eingeht. Das ist ja auch ein Kostenfaktor. Oder glauben Sie, dass man in den Betrieben jetzt neben den Betriebskindergärten auch Turn- und Gymnastikräume einrichten sollte oder sogar muss?
Klöckner: Das machen ja schon relativ viele Betriebe. Das kann ich natürlich nicht von einem kleinen Mittelständler erwarten und das hängt natürlich auch von der Arbeitsweise ab, die man hat, ob man jetzt in einem handwerklichen Betrieb ist. Da hat man natürlich genügend Bewegung. Probleme sind Bürojobs natürlich und da gibt es einige sehr, sehr gute Beispiele, wo sich etwa Unternehmen und Agenturen auch an den Kosten eines Fitness-Studios beteiligen bei der Mitgliedschaft ihrer Belegschaft. Es ist bei vielen auch angekommen, dass Mitarbeiter, die gesund sind, die auch sich viel bewegen, sich nicht nur wohler fühlen, sondern dass der Kopf auch frei ist. Ich halte aber nichts von Gesetzen, dass wir den Unternehmen vorschreiben, sie haben einen Fitness-Raum einzurichten. Letztlich ist natürlich auch jeder für sich selbst verantwortlich, was er in seiner Freizeit tut, ob er sich auf die Couch vor den Fernseher hockt oder doch vielleicht lieber mal raus in den Wald joggen geht.
Julia Klöckner: Guten Morgen. Ich grüße Sie.
Liminski: Frau Klöckner, was alarmiert Sie und Ihre Kollegen denn am meisten?
Klöckner: Uns alarmieren die Zahlen und die Entwicklungen. Etwa 15 Prozent der 3- bis 17-Jährigen sind in Deutschland übergewichtig, also der jungen Menschen, der Heranwachsenden. 42 Prozent der Frauen und 58 Prozent der Männer, also der Erwachsenen, sind übergewichtig. Das alarmiert und deshalb, weil es ernährungsbedingte Krankheiten und Folgekosten gibt, die wir jetzt zwar absehen können, die aber letztlich auch nicht nur das Leben unlebenswerter machen beziehungsweise den Lebensstandard beeinträchtigen, sondern wir verschieben die Kosten auch auf die folgenden Generationen und die Probleme damit.
Liminski: Sie sprechen von Kindern und von Erwachsenen. Sind wir also alle zu fett? Das sind ja doch Zahlen, die in der Tat über die Hälfte gehen.
Klöckner: Alle sind sicherlich nicht zu fett. Wir müssen natürlich schauen, dass Kinder und Jugendliche sich auch entwickeln. Wir haben auch ein umgekehrtes oder ein gegenteiliges Phänomen gerade bei jungen Mädchen zwischen 9 und 13 Jahren wahrzunehmen, nämlich der Magersucht, also dem Hinterherrennen falscher Schönheitsideale. Die Schere geht sehr, sehr auseinander und eins ist festzustellen: Das Ernährungswissen ist bei allen Jugendlichen sehr, sehr minimal. Auch das richtige Umgehen mit den Mitteln zu Leben, also den Lebensmitteln, das muss optimiert werden.
Liminski: Der Bundestag wolle beschließen, heißt es in Ihrem Antrag. Glauben Sie, dass Sie mit Empfehlungen oder Verboten das Problem in den Griff bekommen?
Klöckner: Erst einmal ist "wolle beschließen" eine allgemeine Formulierung natürlich, indem wir die Bundesregierung auffordern, tätig zu werden und zu agieren. Mit Verboten wird man relativ wenig erreichen, bin ich der Meinung. Wichtig ist hier die Einsicht. Man kann weder Lebensmittel in gut oder schlecht unterteilen, noch für alle Menschen in Deutschland die Empfehlung abgeben, die für alle gleich gilt. Wichtig ist für uns eine Einsicht, dass Bewegung und Ernährung zusammengehören und dass Lebensmittel wirklich Mittel zum Leben sind und man dementsprechend auch individuell schauen muss, was ist der richtige Lebensstil.
Liminski: Sie sprachen eben auch von zu wenig Wissen. Wir wissen zu wenig über die Ernährung. Ist das nicht auch ein Thema für die Schulen?
Klöckner: Absolut! Es ist sehr traurig, als ich hörte, dass eine Schulleiterin zu mir sagte, viele meiner Kinder kommen mit einem Snickers und einer Cola als Frühstück in die Schule. Es wird vieles verpasst in den Elternhäusern, gerade auch in bildungsfernen Schichten. Das gemeinsame Essen, gemeinsame Frühstücken und auch gemeinsam zusammensitzen und die Kultur des Essens auch zu üben, das findet man nicht flächendeckend. Insofern ist es auch Aufgabe der Schule, zum einen gemeinsames Frühstücken anzubieten und das Wissen über Nahrungsmittel und über Rohstoffe letztlich zu verbreiten. Meiner Meinung nach gehört das Thema Ernährungsbildung, Ernährungserziehung in alle Schularten.
Liminski: Das könnte man, wenn es hier gerade über die Schulen geht, auch politisch steuern.
Klöckner: Föderalismus, das Schlagwort. Wir können natürlich nicht vom Bund aus die Lehrpläne schreiben. Das Thema Schule und die Lehrpläne gehören in die Hände der Länder. Deshalb fordern wir, auch Horst Seehofer, genauso Frau Schmidt als Gesundheitsministerin auf zu koordinieren, erst mal die Ministerien auf Bundesebene zu koordinieren - zu Sport und Bewegung gehört das Innenministerium, das Bildungsministerium brauchen wir, Gesundheit und Ernährung -, dass die sich bitte nachhaltig zusammensetzen mit Kommunen und auch mit den Ländern, damit nicht nur ein Appell am Donnerstag in die Welt hinaustönt, sondern es auch spürbar ist dort wo Menschen leben und agieren.
Liminski: Sie sind mit Seehofer im Gespräch. Sind Sie auch mit den anderen Parteien im Gespräch, damit Sie sozusagen alle mitnehmen? Und wenn die Parteien mitmachen, dann würde es ja sozusagen auch die Föderalismusgrenzen überschreiten und in die einzelnen Länder kommen.
Klöckner: Ja. Natürlich sind wir mit dem Koalitionspartner im Gespräch, aber auch mit den anderen beteiligten Fraktionen im Bundestag. Wir werden im kommenden Monat mit unserem Ernährungsausschuss eine Anhörung veranstalten und bei dieser Anhörung, die wir fraktionsübergreifend beschlossen haben, wird es auch um das Thema EU-Zuständigkeiten und EU-weite Ernährungskampagnen und Aufklärung gehen, aber auch um die Möglichkeiten, die wir überhaupt als Bundespolitiker haben. Wir versuchen die Ebenen EU, Bund, Land und Kommune bei dieser Anhörung, die über mehrere Stunden gehen wird, an einen Tisch zu bekommen.
Liminski: Eine Ebene könnte natürlich auch die Wirtschaft sein. Sie haben eben zum Beispiel gesagt, zu wenig Bewegung ist ein Hauptgrund. Aber die Arbeitswelt lässt ja kaum Zeit für sehr viel Bewegung. Jedenfalls ist schwer vorstellbar, dass die Wirtschaft auf Empfehlungen zur Prävention eingeht. Das ist ja auch ein Kostenfaktor. Oder glauben Sie, dass man in den Betrieben jetzt neben den Betriebskindergärten auch Turn- und Gymnastikräume einrichten sollte oder sogar muss?
Klöckner: Das machen ja schon relativ viele Betriebe. Das kann ich natürlich nicht von einem kleinen Mittelständler erwarten und das hängt natürlich auch von der Arbeitsweise ab, die man hat, ob man jetzt in einem handwerklichen Betrieb ist. Da hat man natürlich genügend Bewegung. Probleme sind Bürojobs natürlich und da gibt es einige sehr, sehr gute Beispiele, wo sich etwa Unternehmen und Agenturen auch an den Kosten eines Fitness-Studios beteiligen bei der Mitgliedschaft ihrer Belegschaft. Es ist bei vielen auch angekommen, dass Mitarbeiter, die gesund sind, die auch sich viel bewegen, sich nicht nur wohler fühlen, sondern dass der Kopf auch frei ist. Ich halte aber nichts von Gesetzen, dass wir den Unternehmen vorschreiben, sie haben einen Fitness-Raum einzurichten. Letztlich ist natürlich auch jeder für sich selbst verantwortlich, was er in seiner Freizeit tut, ob er sich auf die Couch vor den Fernseher hockt oder doch vielleicht lieber mal raus in den Wald joggen geht.
