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CDU-Regionalkonferenz in NRW
Männer für Merz

Jubel und stehende Ovationen: Von den Kandidaten für den CDU-Parteivorsitz kam Friedrich Merz bei der Regionalkonferenz in Düsseldorf besonders gut an. Im Publikum saßen vor allem ältere Herren. Insgesamt präsentierte sich die CDU an diesem Abend brav und harmonisch.

Von Stephan Detjen | 29.11.2018
    28.11.2018, Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf: Friedrich Merz, ehemaliger Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU, stellt sich als erster der drei Kandidaten bei der Regionalkonferenz den CDU-Mitgliedern der NRW-Basis vor.
    Friedrich Merz dominierte die Regionalkonferenz in NRW souverän (picture-alliance / dpa / Federico Gambarini)
    Am Ende des Abends ist es reine Harmonie. Wie immer bei der CDU, es wird gesungen. Einträchtig und inbrünstig. Beim Rausgehen ist es dann wie im Edeka Werbespot an der Kasse: alles super.
    "Ich fand die Atmosphäre sehr begeisternd die Kandidaten waren sich ja relativ einig, was ich gut fand." - "Super. Alle drei total vorbereitet. Super Ansätze, super Ideen. Die drei die rocken das." - "Die Veranstaltung war ein super Zeichen für innerparteiliche Demokratie."
    In den Medien war ja viel davon die Rede gewesen, nach der Halbzeit der CDU Roadshow werde es jetzt ruppiger zugehen. Friedrich Merz hatte seiner Partei im Deutschlandfunk vorgeworfen, den Aufstieg der AfD achselzuckend hingenommen zu haben, Annegret Kramp-Karrenbauer hatte ihm daraufhin in der Frankfurter Allgemeinen Naivität attestiert. Kein Wort davon in Düsseldorf. Ganz im Gegenteil.
    "Freude an der politischen Diskussion und auch Freude auch daran, dass wir miteinander arbeiten. So wie heute Abend. Herzlichen Dank."
    Merz erntet stehende Ovationen
    Als Friedrich Merz seine Vorstellungsrede beendet, wird zum ersten Mal klar, wie die Mehrheit in der Düsseldorfer Messehallte tickt. Jubel, stehende Ovation. Vor allem ältere Herren sind von den Sitzen aufgestanden. Sie sind die Mehrheit an diesem Abend. Annegret Kramp-Karrenbauer aber setzt unbeirrt darauf, dass am Ende Erfahrung und Erfolgsnachweise honoriert werden:
    "Ich weiß, wie gut sich 40 Prozent anfühlen. Und ich will, dass 40 Prozent überall, in all unseren Landesverbänden und auch in Deutschland wieder die Erfolgsziffer für die CDU wird. Vielen Dank."
    Der Applaus ist höflich. Die Herrschaften bleiben sitzen, während Jens Spahn auf die Bühne federt. Der Gesundheitsminister ist der einzige, der nicht ans Rednerpult geht. Mit einem Handmikrophon demonstriert er an Modernität und Beweglichkeit an der Rampe, ein bisschen so wie sein Freund Christian Lindner bei der neuen FDP, nur nicht ganz so dynamisch.
    "Liebe Annegret, lieber Friedrich, liebe Freundinnen und Freunde in der CDU hier in Nordrhein-Westfalen. Ich möchte sie als Dritter mitnehmen in die Zukunft, ins Jahr 2040."
    Spahn skizziert – einen Schritt nach vorn, einen nach hinten - eine Zukunftswelt rechtschaffener und patriotisch gestimmter Bürger, die sich ihrer Freiheit und des verdienten Wohlstands erfreuen. Auch ein bisschen Lindner, aber auch etwas Helmut Kohl. Spahn wird 2040 60 sein. Immer noch bestes Kanzleralter. Er setzt jetzt wahrscheinlich darauf, dass der eine oder die andere im Saal nachrechnet, wie alt seine Mitbewerber dann wohl sein werden, vor allem Friedrich Merz, um dessen Stimmen im konservativen Lager er buhlen muss.
    "Ich stelle uns die Frage: Was machen wir eigentlich, wenn die Party vorbei ist? Was machen wir eigentlich, wenn wir wieder nicht nur weniger Wachstum sondern schrumpfende Volkswirtschaften haben? Wie sieht denn dann unsere Politik aus?"
    Publikum nicht an Streit interessiert
    Friedrich Merz muss das alles nicht genau beantworten. Schon seine Fragen klingen so entschlossen, so präzise auf den Punkt formuliert, so entscheidungsfreudig, dass die Antworten in der Sache oft auch gerne vage und vieldeutig bleiben dürfen. Nur vorsichtig markieren die Kandidaten ihre thematischen Profile. Merz in der Wirtschaftspolitik, Kramp Karrenbauer als gläubige Katholikin:
    "Was ich nicht will, ist so zu tun, als ob der Schwangerschaftsabbruch, das Beenden von Leben eine medizinische Leistung wie andere ist, für die man genauso werben kann wie für eine Blinddarm-Operation. Das geht nicht."
    Knapp drei Stunden lang fragen die 4.000 Parteimitglieder der NRW-CDU die Kandidaten nach Steuerkonzepten, Altersversorgung, Mittelstandförderung, Inklusion an den Schulen, der Zukunft der sozialen Marktwirtschaft. Die Wortmeldungen aus dem Saal sind brav und wissbegierig. Man will nicht streiten, sondern unterrichtet werden. Die CDU Basis schätzt den Frontalunterricht. Alle Fragen mussten vorher auf Zetteln eingereicht werden. Wenn der Name nicht leserlich ist, gibt es eine milde Rüge von der Moderatorin und Friedrich Merz assistiert mit seiner Lesehilfe.
    "Sagamal, is des a Sauklaue. Es ist eine Frau! Ich bin auch noch so kurzsichtig." - "Ist doch ganz einfach: Frau Bürger – wollen Sie meine Brille haben?"
    Friedrich Merz dominiert den Abend souverän. Das zeigt auch das Meinungsbild am Ende des Abends. Die Männer jedenfalls scheinen sich weitgehend einig zu sein.
    "Ich war immer ein Fan von Herrn Merz und bin das immer noch." - "Herr Merz, weil er am überzeugendsten sachargumentiert hat." - "Friedrich Merz. Wertkonservativ, konsequent und mit seiner wirtschaftlichen Kompetenz." - "Der Herr Merz, ein profundes Wissen und auch die Fähigkeit, dieses Wissen zu vermitteln." - "Die Frau Kramp Karrenbauer ist ne gute Generalsekretärin, das glaube ich. Und das sollte sie auch bleiben."
    Merz dominiert den Abend
    Auf dem Parteitag in Hamburg werden rund 65 Prozent der Delegierten Männer sein. Bei den Frauen, so ist zu hören, werde umso eifriger für Kramp-Karrenbauer geworben. Heidelore Brebeck, die Vorsitzende der Senioren Union im Kreis Mettmann, hat Zweifel an Merz:
    "Ihm fehlen die paar Jahre, wo er aus der Politik raus ist. Man merkt das auch, wenn so gezielt Fragen gestellt werden. Und ob das mit den ganzen Ideen, die er hat, auch so umzusetzen ist und ob das auch von der ganzen Bevölkerung so gesehen – das weiß ich nicht."
    Die älteren Herren, die Merz in Düsseldorf zujubelten, waren vor allem einfache Parteimitglieder. Entscheiden in Hamburg aber werden vor allem Funktionsträger. Rund 70 Prozent der Delegierten sind Abgeordnete in Kommunalparlamenten, Landtagen und im Bundestag – Profis also, die nicht zuletzt fragen, mit wem sie bei der nächsten Wahl die besten Chancen haben, ihr Mandat zu sichern. Bei Probeabstimmungen in den Kreisverbänden, so heißt es, spreche sich an der Basis meist eine deutliche Mehrheit von mehr als 60 Prozent für Merz aus, frage man aber die Delegierten, sei das Bild ausgeglichen.
    Das Rennen CDU ist offen – und umso größer ist an der Parteispitze die Sorge, dass die Harmonie in den Hallen der Regionalkonferenzen trügerisch ist. In Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg leiden die CDU Landesverbände zum Teil bis heute an den Spaltungen, die nach Kampfkandidaturen um den Landesvorsitz blieben. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet hatte deshalb schon am Beginn des Abends gemahnt:
    "Wir müssen alle daran denken: Am Ende des 7.Dezember wird es nicht drei Gewinner geben, sondern zwei der Kandidatinnen und Kandidaten haben dann keine Mehrheit."
    Dann erst kommt für die CDU die Stunde der Wahrheit. Ob das fröhliche Schaulaufen der Kandidaten tatsächlich ein innerparteilicher Jungbrunnen ist, oder eine nur knapp unterlegene Minderheit sich von der Partei abwendet, wird sich erst nach der Hamburger Krönungsmesse zeigen.