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CDU-Spendenaffäre

Simon: Zum wichtigsten Thema dieser Tage, der CDU-Spendenaffäre und ihren Konsequenzen. Wie sich die Affäre langfristig auswirkt, darüber kann man lange spekulieren. Fest steht allerdings, dass die Deutschen das Verhalten der betroffenen Politiker nicht goutieren. Sie strafen die Partei; die CDU befindet sich in einem Umfragetief, und eine Trendwende ist derzeit nicht in Sicht. Am Telefon begrüße ich jetzt Manfred Rommel, früherer Oberbürgermeister von Stuttgart und einer der populärsten CDU-Politiker in der Bundesrepublik. Herr Rommel, was wird aus der Volkspartei CDU?

    Rommel: Ach, die CDU wird sich trotz dieser unerfreulichen Vorgänge wieder fangen, da habe ich keinen Zweifel. Und die Bürger werden sich nach einiger Zeit von dieser Parteispendenaffäre abwenden und sich wieder mit Sachpolitik beschäftigen, was auch vernünftig ist.

    Simon: Was macht Sie so sicher, dass die CDU sich wieder fangen wird?

    Rommel: Ach, ich habe schon so viel erlebt; Wahlniederlagen – wenn ich an die vom Frühjahr 1961 denke: Da war man auch sehr erschüttert. Es gibt so dringende Probleme, dass ich es für völlig ausgeschlossen halte, dass diese Fehlentscheidungen einzelner Christdemokraten – auch prominenter Christdemokraten – eine Dauerbelastung für diese Partei wäre.

    Simon: Es gibt ja nun Befürchtungen, die CDU könne auseinanderfallen, sich in mehrere Gruppierungen aufspalten – so eine Entwicklung, ein bisschen wie bei der Democratia Christiana in Italien. Sie teilen diese Befürchtungen nicht?

    Rommel: Nein, an mich hat sich noch niemand gewendet und mich gebeten, beim Aufspalten mitzuhelfen. Das betrachte ich als ein Zeichen dafür, dass solche Bemühungen nicht unternommen werden. Im übrigen hätten sie keinen großen Erfolg.

    Simon: Aus vielen Landesverbänden wird ja von einem großen Vertrauensverlust bei der Basis der CDU berichtet. Die Politik, wie sie die Generalsekretärin Merkel und der Parteivorsitzende Schäuble betreiben – ist das für Sie die richtige Methode, die Parteibasis zu stabilisieren?

    Rommel: Natürlich ist die Parteibasis nervös und will Klarheit, aber ich glaube, dass jeder einsieht, dass zu der Klarheit erst einmal Ermittlungen gehören, und viele Spekulationen stören diese Ermittlungen. Ich kenne den Schritt sehr gut. Ich habe volles Vertrauen zu ihnen.

    Simon: Die Parteiführung überlegt derzeit ja zivilrechtliche Schritte gegen Helmut Kohl. Für wie wichtig halten Sie die Person Helmut Kohl für das 'Sich-Fangen' der CDU?

    Rommel: Der Helmut Kohl ist schon von großer Bedeutung, aber er ist die große Person der Vergangenheit, und nicht der Zukunft. Genau so wie ich. Ich bin auch im Ruhestand. Ich kann mich nicht als die Zukunft der CDU in Stuttgart bezeichnen, das wäre lächerlich und ein Zeichen frühzeitiger geistiger Verwirrung. Helmut Kohl wird es sicher genau so sehen.

    Simon: Viele Mitglieder haben Unverständnis darüber geäußert, dass Helmut Kohl jetzt erst einmal auf Distanz gehalten wird. Glauben sie nicht, dass eine noch größere Distanzierung von der Person des Ex-Bundeskanzlers der Partei bei der Basis schaden wird?

    Rommel: Das glaube ich nicht. Aber es ist sicher notwendig, den Bundeskanzler Helmut Kohl nicht allein im Blick dieser Fehler, der Rechtsverstöße, die er eingestanden hat, zu sehen.

    Simon: Aus Ihrer langjährigen Erfahrung in und mit der CDU: Ist das jetzt der Tiefpunkt für die Christdemokraten seit dem Krieg?

    Rommel: Ja, also ich meine, die Situation ist sicher – wenn man die Demoskopie betrachtet – nicht gerade erfreulich. Aber ich höre auch bei den Bürgern etwas anderes. Viele sagen: 'Das ist schade, dass das passiert ist, das müsst Ihr aufklären'. Aber eine aufgeregte Stimmung kann ich eigentlich nicht erkennen. Die Bürger wissen natürlich auch, dass ein solcher Vorgang sofort in das Getriebe der politischen Auseinandersetzungen gerät . . .

    Simon: . . . das muss es anscheinend auch . . .

    Rommel: . . . muss es auch, aber man muss es eben auch wissen und sehen, dass manches übersteigert wird, manches zurückhaltend behandelt wird. Ich hoffe nur, dass es nicht zu einer großen Auseinandersetzung kommt dergestalt, dass die Union irgendwelche Affären der SPD hochspielt, um sich zu entlasten – und umgekehrt ständig noch eins draufgesetzt wird. Das wird der Demokratie insgesamt schaden. Ich bin überhaupt der Meinung, dass – was das allgemeine Verhalten betrifft – an die Politiker gelegentlich zu hohe Anforderungen gestellt werden, indem sie mit dem Maßstab eines Heiligen gemessen werden. Das trifft natürlich nicht bei Rechtsverstößen zu. Unstreitig: Rechtsverstöße sind nicht zulässig, und die sollte ein Politiker mit allem Nachdruck vermeiden.

    Simon: Sehen Sie etwas Gutes, etwas Positives, was aus dieser ganzen Affäre und Skandalen erwachsen kann?

    Rommel: Ja, wenn man der Erkenntnis der Wahrheit einen Wert beimisst, was ich tue, sehe ich natürlich auch Positives. Aber ich hätte es als Christdemokrat lieber gesehen, wenn das gar nicht passiert wäre. Das ist doch klar.

    Simon: Und auf längere Sicht etwas Positives? Wird das etwas mehr Gesetzestreue bei führenden Politikern nach sich ziehen - Ihrer Meinung nach -, oder wird das dann gleich wieder vergessen, wie damals nach der Flickaffäre?

    Rommel: Also, es wird sicherlich nicht gleich wieder vergessen. Man wird sich mehr an die Vorschriften der Parteienfinanzierung ausrichten, peinlicher, genauer, weniger Möglichkeiten der Umgehung suchen. Ob die Vorschriften in allen Punkten so klug und so schlau sind, dazu möchte ich mich nicht äußern. Aber ich möchte schon sagen, dass ich da skeptisch bin. Wir neigen dazu, bei Gesetzen und Vorschriften zu übersteuern, weil wir Perfektionisten sind.

    Simon: Das war Manfred Rommel, der frühere Oberbürgermeister von Stuttgart, über die Krise der CDU.