Zagatta: Ihr so gutes Ergebnis in Sachsen-Anhalt, Herr Merz, das kommt oder trifft ja auch zusammen mit schlechten Umfrageergebnissen für Edmund Stoiber. Im direkten Vergleich nämlich hat Kanzler Schröder die Nase deutlich vorn und ist den Umfragen nach wesentlich beliebter als sein Herausforderer. Wird das letztlich nicht den Ausschlag geben?
Merz: Dafür hat umgekehrt Edmund Stoiber wieder sehr viel bessere Kompetenzwerte. Wenn Sie sich an sehen seine wirtschaftspolitische Kompetenz, seine arbeitsmarktpolitische Kompetenz, da liegt er weit vor dem Amtsinhaber. Insofern ist auch das ein sehr differenziertes Bild. Es stimmt beides. Aber wir wissen auch aus den Wahlen der Vergangenheit: Bundestagswahlen werden nicht entschieden über Sympathiewerte. Sie werden auch nicht entschieden durch die Präferenz bei den Spitzenkandidaten, sondern es sind Parteiwahlen in Deutschland. Insofern haben wir gute Chancen, die Bundestagswahlen am 22. September zu unseren Gunsten entscheiden, weil wir eben auch in den wesentlichen Kompetenzfeldern deutlich vor der SPD liegen.
Zagatta: Wir haben es im Hintergrund gehört: Sie wollen nach Berlin, Edmund Stoiber will natürlich auch nach Berlin. Herr Merz, wenn Sie Stoiber so gute Chancen geben, wie Sie das jetzt sagen, wo kommt denn dann die Kritik in den Reihen der Union her, dass der Bayer weich gespült sei und dass er gar keine Kanten und gar keine klaren Positionen in diesem Wahlkampf mehr habe?
Merz: Herr Zagatta, ich kenne diese Kritik nicht. Darüber wird geschrieben, aber ich gehöre ja nun sämtlichen Gremien der Union an. Ich führe die Bundestagsfraktion. Edmund Stoiber war letzte Woche in Berlin bei uns in der Fraktion, hat dort einen großen Beifall bekommen für das, was er dort gesagt hat. Insofern lasse ich mich überhaupt nicht davon beirren, dass uns dort einige Medien versuchen, jetzt so ein bisschen herunterzuschreiben. Damit war zu rechnen. Die Umfrageergebnisse am Anfang des Jahres waren gut.
Zagatta: Aber das sind Medien, die Ihnen nahe stehen?
Merz: Das sind jetzt Stimmungen, die rauf und runter gehen. Es sind noch fünf Monate bis zur Bundestagswahl, heute genau am Tag. Also wir werden das in den nächsten Wochen und Monaten erleben. Das geht etwas rauf und runter. Am Ende kommt es aber darauf an, wer hat die bessere Lösungskompetenz für die Probleme in Deutschland. Das was vor anderthalb Jahren ausgerufen wurde, das sozialdemokratische Jahrhundert für Deutschland und Europa, gucken Sie nach Frankreich am gestrigen Tag. Dieses sozialdemokratische Jahrhundert ist nach anderthalb Jahren schon wieder zu Ende. Also ich bin zuversichtlich. Wir müssen uns anstrengen, die Wahl ist nicht gewonnen, aber es gibt eine gute Ausgangslage.
Zagatta: Laut den Wahlforschern hat die SPD die Wahl in Sachsen-Anhalt ja vor allem verloren, weil sie kein Mittel gegen die zunehmende Arbeitslosigkeit gefunden hat. Bei den Bundestagswahlen werden die Menschen aber kaum vergessen, dass die CDU und Helmut Kohl es waren, die ihnen diese Massenarbeitslosigkeit erst beschert haben, Herr Merz. Müssen Sie da nicht ganz vorsichtig sein mit Vorwürfen an die Adresse der SPD?
Merz: Wir sind zurückhaltend, wir sind vorsichtig, wir sind aber auch klar in unseren Aussagen. Und übrigens was Helmut Kohl betrifft: in den ersten acht Jahren seiner Amtszeit hat es einen großen wirtschaftspolitischen Erfolg in Deutschland gegeben. Danach ist die deutsche Einheit zu bewältigen gewesen. Das war nicht leicht. Aber da hat es natürlich auch Fehler gegeben. Deswegen gehöre ich zu denen, die sagen, wir knüpfen jetzt nicht an 1998 an und betrachten das, was zwischendurch passiert ist, als eine Art Betriebsunfall, sondern wir sagen klipp und klar: auch wir müssen veränderte Bedingungen zur Kenntnis nehmen. Auch wir müssen uns in Deutschland ändern. Wir müssen auch parteipolitisch, CDU und CSU, bessere Angebote machen, als wir sie bis 1998 gemacht haben. Wir sind 1998 abgewählt worden, nicht weil die Sozialdemokraten so gut waren, sondern weil wir schlicht nicht mehr gut genug waren, und das müssen wir jetzt korrigieren. Dabei haben wir, wie ich finde, große Schritte nach vorne gemacht. Wir haben ein wirtschaftspolitisches Programm, wir haben unsere Vorstellungen zur Arbeitsmarktpolitik artikuliert. Edmund Stoiber steht für ein außerordentlich erfolgreiches Modell in Deutschland. Insofern denke ich werden wir gerade dort, wo die Wahl entschieden wird, wie man aus heutiger Sicht sagen kann, in der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik ich glaube doch die Kompetenzwerte halten, die wir im Augenblick haben, und die legen eben doch deutlich vor der SPD.
Zagatta: Sie haben angekündigt, dass Sie Steuern senken wollen, dass Sie mehr Geld für die Familien bereit stellen wollen, mehr Geld soll es geben für die Bundeswehr. Werden Sie denn vor der Wahl auch noch sagen, wo dieses Geld herkommen soll?
Merz: Ja, wir werden das sagen. Wir brauchen Wachstum, wir brauchen Beschäftigung in Deutschland. Wir müssen den Arbeitsmarkt entriegeln und wir müssen auch - und das sagt Edmund Stoiber, das sagt Angela Merkel, das sage ich bei jeder Gelegenheit -, Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zusammenlegen. Wir müssen die Leistungsanforderungen straffen und wir müssen manch einem, der etwas weniger bereit, sich anzustrengen, sagen: jetzt gibt es nicht nur noch fördern, sondern wir fordern auch und wir sagen auch klipp und klar, diejenigen die sich einer zumutbaren Beschäftigung verweigern, verlieren eben auch Anspruch auf Leistungen.
Zagatta: Auf dem Weg nach Berlin Friedrich Merz, der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag.
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