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Ceaușescu-Villa in Bukarest
Kommunistischer Diktatoren-Prunk

Seit drei Jahren kann man den Wohnsitz des einstigen rumänischen Diktators Nikolae Ceaușescu und seiner Familie in Bukarest besichtigen. Eine Touristen-Attraktion - in der es unter rumänischen Besuchern regelmäßig Streit gibt über die Frage: Guter Diktator oder schlechter Diktator?

Von Leila Knüppel und Manfred Götzke | 13.12.2019
Prunkvolles Schlafzimmer im Bukarester Frühlingspalast
Schlafzimmer im Bukarester Frühlingspalast, der früheren Villa der Ceaușescu-Familie: Selbst die Schlaganzüge von Nicolae und Elena Ceaușescu auf dem Doppelbett der beiden dürfen die Museumsbesucher noch bewundern (Deutschlandradio/ Leila Knüppel/ Manfred Götzke)
Wer Ceaușescus Villa besuchen möchte, der muss sich Plastiküberzieher über die Schuhe ziehen, damit das edle Parkett und die wertvollen Teppiche nicht beschmutzt werden. Darauf achten die Frauen am Empfang akribisch. Ja, der kommunistische Geist, er herrsche hier im Haus immer noch, scherzt Radu Pădure routiniert. Er selbst ist sieben Jahre nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Regimes geboren – und Nicolae Ceaușescu, seine Villa mitsamt dem güldenen Prunk bedeuten für ihn vor allem: einen gut bezahlten Job.
"Gehen wir weiter – und schauen uns das Louis-XIV-Wohnzimmer an."
80 Zimmer, goldverziert
Mehrmals am Tag schleust der 23-Jährige Touristen durch den Frühlingspalast, den einstigen Wohnsitz der Ceaușescu-Familie in einem Bonzenviertel von Bukarest. 80 Zimmer, Schwimmbecken, Sauna, Kino, Palmengarten.
Dieser Beitrag gehört zur fünfteiligen Reportagereihe 30 Jahre nach der Ceaușescu-Diktatur - Mühsame Aufarbeitung in Rumänien.
Jetzt gerade führt Radu Pădure ein kleines Grüppchen ausländischer Touristen in das golden verzierte Wohnzimmer - es sieht aus wie im Schloss Versailles. Die Touristen sehen sich höflich um, als seien sie bei einer Wohnungsbesichtigung; denken sich wohl ihren Teil über den Geschmack des Diktators – und schweigen. Bei rumänischen Gruppen sei das ganz anders, sagt Pădure:
"Die Besucher der rumänischen Touren beginnen zu streiten. Weil es Leute gibt, die pro Ceaușescu sind und andere anti Ceaușescu. Und ich muss mir genau überlegen, was ich sage, damit sich niemand aufregt."
Meinungsverschiedenheiten über Ceaușescu
Seit drei Jahren ist die Villa zugänglich – und seitdem tobt auch in diesen Räumen der Deutungskampf: Guter Diktator oder schlechter Diktator?
Im Innenhof des Museums treffen wir einige rumänische Besucher, die gerade ihre Tour beendet haben: "Es war so eine große Diskrepanz", sagt einer, "was er hatte und was wir hatten. Er hatte alles und die anderen mussten hungern und frieren. Wir mussten uns für alles anstellen, Brot, Milch." Ein anderer betont: "Ceaușescu war nicht so schlecht. Am Ende hat er vielleicht ein paar Sachen falsch gemacht. Dass wir nicht ins Ausland konnten wie die Jugoslawen."
Pădure hält sich da raus, spult lieber ein paar Fakten vom Aufstieg und Fall Ceaușescus ab, während er durch das holzvertäfelte Arbeitszimmer führt.
"Das hier ist sein Heim-Büro, hier hat er ab und an auch Unterrichtsstunden genommen. Er kam aus einer Bauernfamilie, 1918 geboren. Er besuchte nur vier Jahre die Schule und danach ist er hier nach Bukarest gekommen, hat eine Schuster-Lehre begonnen. Mit 14 ist er der Kommunistischen Partei beigetreten, die damals verboten war. Vier Jahre war er deswegen im Gefängnis und dort hat er Gheorghe Gheorghiu-Dej kennengelernt, den Chef der Kommunistischen Partei, der auch dieses Haus bauen ließ. Nach dessen Tod hat Ceaușescu seinen Platz eingenommen."
Nicolae Ceaușescu und seine Frau Elena im Jahr 1976
Nicolae Ceaușescu und seine Frau Elena im Jahr 1976 (Imago/ Itar-Tass)
Personenkult in China abgeguckt
Als Ceaușescu Mitte der 1960er-Jahre die Nachfolge des stalinistischen Diktators Gheorghiu-Dej antrat, durfte er mit seiner Ehefrau Elena und den drei Kindern in die repräsentative Villa ziehen. Damals galt er als Reformer, war beliebt. Die Industrialisierungspolitik brachte dem Land Wohlstand. Außenpolitisch distanzierte sich Ceaușescu vom Führungsanspruch der Sowjetunion, betonte die Unabhängigkeit Rumäniens und öffnete das Land gen Westen.
Pădure zeigt auf einen alten, schreibmaschinengroßen Schachcomputer – ein Geschenk von Gorbatschow. Eine Tellerkollektion von Queen Elizabeth. Von US-Präsidenten Richard Nixon ließ Ceaușescu sich einen Buick Electra schenken. Im Irak: eine Yacht.
"Sie haben aus jedem Land, in das sie reisten, etwas mitgebracht. Und sie sind viel gereist. Nicht wie die einfachen Rumänen, die nicht reisen durften."
Pădure führt seine Touristengruppe weiter durchs Treppenhaus.
"Hier auf dem Treppenabsatz sehen Sie zwei Vasen. Sie sind von Mao Zedong, dem ehemaligen Machthaber in China. Ceaușescus Besuch in China beeinflusste seine Anschauung stark. Er liebte den Personenkult, den er dort sah."
Ceaușescu ließ Dichter Lobpreisungen schreiben, sich als "Genie der Karpaten", "Sohn der Sonne", "Titan der Titanen" oder einfach "irdischen Gott" bezeichnen.
Eigene Welt innerhalb der Diktatoren-Villa
"In den 1980ern wurde das Leben für die Rumänen schwer. Das Essen wurde rationiert. Elektrizität und Heizmöglichkeiten wurden knapp." Um die Staatsschulden abzubauen, ließ Ceaușescu Lebensmittel exportieren. Auch seine rigorose Industrialisierungspolitik sorgte für den Zusammenbruch der Landwirtschaft. Nur in der Ceauscesu-Villa sah die Welt kuschelig warm aus.
"Nun besuchen wir den Spa. Rechts sehen sie die Sauna aus Finnland. Und sie hatten auch einen Swimmingpool". Ein großes Schwimmbad. Die Wände kunstvoll verziert mit einem bunten Mosaik. "Nun verstehen Sie, warum die Leute so wütend waren, dass sie die Ceaușescus getötet haben."
Der Pool in Ceaușescus Frühlingspalast in Bukarest
Ceaușescus Frühlingspalast in Bukarest: Auch ein Pool durfte nicht fehlen (Deutschlandradio/ Leila Knüppel/ Manfred Götzke)
"Die Kommunisten sind reicher geworden nach der Revolution"
Am 25. Dezember 1989 wurden Ceaușescu und seine Frau in einem Schauprozess zum Tode verurteilt und hingerichtet. Angeordnet wurde der Prozess von den neuen Machthabern des Landes, darunter der zukünftige Staatschef Ion Iliescu.
Zum Schluss führt Radu Pădure seine Besucher hinaus in den großen Garten, verabschiedet sich. Während einige noch herumflanieren, erzählt er von Ion Ilescu. "Er wohnt hier in der Nähe?" "Ja."
Erst kommunistischer Politkader, dann großer Staatsmann der Nachwendejahre. Das prominenteste Beispiel dafür, dass sich die alten Eliten auch nach der Revolution an der Macht hielten. "Die alte kommunistische Elite wohnt noch immer hier im Viertel. So ein Appartement hier kostet ungefähr 500.000 Euro. Die Kommunisten sind reicher geworden nach der Revolution."