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Chance-for-Science
Ein Netzwerk für geflüchtete Studierende und Wissenschaftler

"Chance-for-Science" heißt eine neue Internetplattform, die geflüchtete Studierende und Wissenschaftler bundesweit mit deutschen Forschungseinrichtungen vernetzen möchte. Initiiert hat das Projekt die Universität Leipzig. "Chance-for-Science" feiert nun erste Erfolge.

Von Ronny Arnold |
    Das Neue Augusteum der Universität im Zentrum von Leipzig (Sachsen), aufgenommen am 23.04.2015. Foto: Thomas Eisenhuth
    Das Neue Augusteum der Universität Leipzig (picture alliance / dpa / Thomas Eisenhuth)
    Noch leicht irritiert sucht Yasser Almathe die richtigen Buchstaben auf der deutschen Tastatur. Eine letzte Unterschrift auf der Besucherkarte, dann ist der Syrer endlich Mitglied der Deutschen Nationalbibliothek. Ein Lächeln huscht über das Gesicht des 34-jährigen Juristen.
    "Ich habe Jura an der Uni in Damaskus studiert, mit Diplom, Master und PhD. Die Bibliothek ist fantastisch, um Kontakte zu machen mit anderen Leuten, Deutschen oder aus anderen Ländern, um Forschung zu machen und vielleicht anderen Master oder PhD."
    Yasser Almathe ist erst seit drei Wochen hier. In Damaskus hatte er schon etwas Deutsch gelernt. Nun möchte er am liebsten sofort an der Uni Leipzig studieren, seine Abschlüsse anerkannt bekommen, die Sprache noch besser lernen und dann als Jurist arbeiten.
    Uni als Ruhepol
    Dabei ist nicht einmal klar, ob er in Leipzig bleiben darf oder bald in eine andere Stadt umziehen muss. Momentan lebt Almathe mit 500 Flüchtlingen im Erstaufnahmeheim – und ist froh über jede Minute draußen.
    "Im Wohnheim gibt es keine Ruhe. Nur trinken, essen, schlafen, keine anderen Arbeiten. Großer Unterschied, Bücher, Bibliothek, Computer, Artikel, alles gut organisiert, gute Leute, fantastische Leute."
    Projekt zur Wissenserhaltung
    Damit meint der Syrer auch Carmen Bachmann. Die BWL-Professorin der Uni Leipzig hat ihm nämlich im Heim den Flyer ihres Projekts Chance-for-Science in die Hand gedrückt und ihn in die Bibliothek eingeladen. Sie hat das Projekt initiiert, damit geflüchtete Studierende und Wissenschaftler eine Aufgabe bekommen – und Kontakte zu Forschungseinrichtungen und Kollegen. Über die Plattform können sie sich nun vernetzen und austauschen, so Bachmann.
    "Ich möchte Akademiker erreichen, um die Leute am Ball zu halten, damit sie nicht weg vom Fenster sind nach mehreren Monaten herumsitzen. Und es geht Wissen verloren, wenn man es nicht anwendet. Und ich möchte dieses Wissen erhalten über die Plattform. Da sind wir jetzt aktiv dabei, fahren in Flüchtlingseinrichtungen und reden mit den Leuten. Einfach, dass auch diese Hemmschwelle abgebaut wird, direkt in Kontakt zu treten."
    Knapp 200 deutsche Akademiker haben sich bislang auf "Chance-for-Science" angemeldet, hinzukommen etwa 20 Flüchtlinge. Die Deutsche Nationalbibliothek unterstützt sie mit kostenlosen Besucherausweisen. So können sie ab sofort Fachliteratur nutzen, auch die Computer und Räume für Treffen mit Kollegen.
    Das Projekt steckt noch in den Kinderschuhen, Bachmann betreibt es mit Freiwilligen ihres Instituts – parallel zum laufenden Lehrbetrieb. Vor wenigen Tagen hat sich auch ein Hochschullehrer aus Syrien angemeldet. Dr. Al Khayal ist seit einem Jahr in Deutschland, sucht händeringend nach Arbeit und will endlich wieder forschen.
    "Was mich interessiert, ist die Seite für die Wissenschaftler, die lebenslang gearbeitet haben an Instituten und Forschungseinrichtungen in ihren Ländern. Ich habe 25 Jahre gearbeitet als Hochschullehrer und ich habe das gefunden als Möglichkeit, um mich weiterzuvermitteln zu Unternehmen oder Instituten, die das vielleicht brauchen."
    Hilfsjob statt berufliche Erfüllung
    Doch eine Arbeit zu finden, entsprechend seiner Qualifikation, ist schwierig. Bewerbungen haben bislang nichts gebracht. Deshalb hat der 57-Jährige kurzzeitig einen Job als Sozialarbeiter angenommen und selbst Flüchtlingen geholfen. Erfüllt hat es den Wissenschaftler nicht.
    "Dann habe ich aufgehört, weil dann verliere ich meine ganze Arbeit, meine Kapazitäten, die ich geschafft habe in diesen vielen Jahren. Das ist weit von meiner Qualifikation als Hochschullehrer zu Hause, wo ich Magister- und Doktorarbeiten betreut habe. Und auf einmal Sozialarbeiter, das will ich nicht machen. Und als ich diese Webseite gesehen habe, habe ich mich sofort gemeldet."
    Es sind Menschen wie Al Khayal, Wissenschaftler, Studierte, Akademiker, die Carmen Bachmann über die Plattform zusammen bringen will. Kollegen, die ohne Aufgabe im Asylheim sitzen.
    "Die Leute haben studiert, ihre Doktorarbeit geschrieben, Veröffentlichungen geschrieben. Natürlich können wir jetzt über diese Plattform keine Arbeit vermitteln, aber es ist wichtig, um später mal wieder in ein Arbeitsverhältnis zu kommen. Dass man dieses Wissen erhält, denn das ist ein Verlust, nicht nur für ihn und die Leute, die hier sitzen, sondern es ist ein gesellschaftlicher Verlust, wenn Wissen verloren geht."