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Chaos zur Mauteinführung befürchtet

Friedbert Meurer: Es sollte ein technisches Prestigeobjekt werden, aber die geplante Einführung einer Maut für LKW letztes Jahr auf deutschen Autobahnen wurde zunächst zu einem ziemlichen Flop. Ausgerechnet zwei Paradeunternehmen, DaimlerChrysler und die Telekom scheiterten auf der ganzen Linie und um Haaresbreite wäre der Vertrag mit ihnen von der Bundesregierung denn auch gekündigt worden. Jetzt soll das alles anders werden, der Start soll jetzt am 1. Januar erfolgen. Am Telefon ist jetzt Karl-Heinz Schmidt, er ist der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Güterverkehr, eine Interessenvertretung der Spediteure. Guten Tag Herr Schmidt.

Moderation: Friedbert Meurer |
    Karl-Heinz Schmidt: Schönen guten Tag.

    Meurer: Wie optimistisch sind Sie denn, dass zum 1. Januar alles klappen wird?

    Schmidt: Es wird relativ chaotisch an den Grenzen zugehen, denn es sind zu wenige von diesen automatischen Mauterfassungsgeräten in den Fahrzeugen verbaut worden, sodass gerade der grenzüberschreitende Verkehr an den Grenzen an Mautautomaten einbuchen soll. Die können aber nur vier Sprachen und gerade osteuropäische Länder werden auf polnisch verwiesen, das halte ich für ein Abenteuer, zumal da auch noch kyrillische Schriftzeichen und ähnliches existieren. Die Grenze zu Italien, zum Beispiel in Kiefersfelden wurde mir gemeldet, stand bis letzte Woche ein einziger Buchungsautomat. Wenn man sich vorstellt, dass tausende von LKW jeden Tag über den Brenner nach Deutschland einfahren wollen, dann wird es entweder einen ellenlangen Stau geben, oder aber die Fahrer werden - was wahrscheinlicher ist - werden einfach genervt an dem Automaten vorbeifahren und sagen, in Deutschland kann man gar keine Maut buchen, ohne dass man seinen LKW auf der Autobahn abstellt und das ist genauso verboten.

    Meurer: Wieso haben die ausländischen Spediteure nicht diese Bordgeräte eingebaut?

    Schmidt: Das hängt auch damit zusammen, dass sie in ihren Ländern gar keine Einbauwerkstätten haben. In Italien gibt es keine einzige Einbauwerkstatt. Wer also ein solches Gerät will, müsste zunächst nach Österreich oder nach Deutschland fahren, um sich ein Gerät einbauen zu lassen. Das Gleiche gilt für die Spanier, für die Schweden, für die Ungarn, sodass die gesagt haben: "Mit uns nicht, wir werden zunächst mal das manuelle System testen." Und dieser Test kann nur so ausgehen: Wir kommen bei den jetzigen Verbauzahlen, die Toll Collect gemeldet hat maximal auf 20 Prozent der Verbauquote im Ausland und das würde bedeuten, dass 80 Prozent der ausländischen LKW an so ein Mautterminal ran müssen und das ist ein Ding der Unmöglichkeit, dafür gibt es gar nicht genügend Parkraum.

    Meurer: Wie sieht es mit den deutschen Lastwagen aus? Ist dort überall ein Gerät eingebaut?

    Schmidt: Da ist nicht überall ein Gerät eingebaut, sondern wir haben jetzt nach neuster Zahl 201.000 Geräte. Wir schätzen, dass in Deutschland rund 400.000 bis 440.000 Geräte gebraucht werden, wir werden also gerade jedes zweite Fahrzeug ausgestattet haben. Aber unter Experten - und das haben wir auch immer wieder gesagt - würde es wohl reichen, wenn eine Hälfte im automatischen System ist, dass die andere im manuellen System mehr recht als schlecht einbuchen kann. Dieser Zustand wird allerdings nur für den innerdeutschen Verkehr erreicht, nicht für den grenzüberschreitenden und hier liegt das hohe Risiko für den Misserfolg der LKW-Maut in Deutschland.

    Meurer: Gehen wir mal davon aus, dass es nach einem ersten Chaos dann in einigen Monaten doch klappen sollte. Warum haben Sie Probleme mit der LKW-Maut? Sie bringt ja Geld für Autobahnaufbau beispielsweise.

    Schmidt: Das war eins der schönen Weihnachtsmärchen, was heute verkündet wurde. Wenn Sie sich den Bundeshaushalt ansehen, dann ist das schon richtig wie Herr Stolpe sagt, dass das 2,4 Milliarden Mauteinnahmen im Bundeshaushalt eingebucht sind, gleichzeitig hat Herr Eichel aber die übrigen Steuermittel so drastisch gesenkt, dass wir im Jahr nach der Mauteinführung 1,3 Milliarden Euro weniger für Infrastruktur hatten als noch in diesem Jahr, als es noch keine Maut gab.

    Meurer: Die LKW-Maut werden alle bezahlen müssen, Inländer, Ausländer, alle, die einen Lastwagen über zwölf Tonnen über deutsche Autobahnen rollen lassen, müssen die Maut bezahlen. Warum haben Sie damit ein Problem, das ist doch Wettbewerbsgleichheit für alle.

    Schmidt: Wir haben überhaupt kein Problem damit, sondern wir sind sogar glühende Verfechter für die Einführung der LKW-Maut, aber bitteschön so, dass sie uns nicht durch die europäische Gemeinschaft nach drei oder vier Wochen wieder ausgeschaltet wird. Denn sollte es zu großen Grenzbehinderungen kommen, dann wird das natürlich die Europäische Union und die Nachbarländer auf den Plan rufen, die werden dann sehr schnell auf Abhilfe drängen. Wenn das dann nicht möglich ist, kriegen wir wahrscheinlich wie beim ersten Mautanlauf 1990 innerhalb von zehn Werktagen die rote Karte vom Europäischen Gerichtshof und wenn man so schlecht vorbereitet in die Maut geht, dann hat man dieses Risiko, das wissen auch alle Beteiligten. Aber man hat den politischen Termin 1.Januar geschrieben und versucht es mit dem Kopf durch die Wand. Bleibt nur zu hoffen, dass der Kopf der Politiker dicker ist als die Betonwand einer schlecht vorbereiteten LKW-Maut.

    Meurer: Nun rennen die Politik und die Betreiber nun schon seit eineinhalb Jahren gegen diese Wand. Es wird mal Zeit, dass sie durchbrochen wird, warum sind Sie glühende Verfechter der Maut prinzipiell?

    Schmidt: Wir wissen ja, dass im Jahr 2015 spätestens mehr als die Hälfte aller Transportleistungen in Deutschland im grenzüberschreitenden Verkehr erbracht wird. Würde man es bei der bisherigen Steuerführung belassen, dann würden diejenigen, die in Deutschland tanken, die Infrastrukturzeche für alle bezahlen müssen, die hier in Deutschland Transportleistungen bringen und ein LKW hat nun mal einen Tank dran, mit dem man 3500 Kilometer weit fahren kann, ohne zu tanken. Also brauchen wir die Nutzerfinanzierung im Hinblick darauf, dass grenzüberschreitende Verkehre sehr stark anwachsen werden. Wenn wir nicht alleine diese Zeche bezahlen wollen - im Übrigen ist ja auch vorgesehen, wenn Brüssel zustimmt, dass im nächsten Jahr die Maut noch mal erhöht wird - dann all den Unternehmen, die in Deutschland tanken, Deutschen wie auch Ausländern, eine entsprechende Mautermäßigung zuteil wird. Unter diesen Bedingungen kommen wir wirklich zu einer fairen Wege-Kosten-Anlastung und deshalb waren wir die ersten, die damals zusammen mit Kanzleramtsminister Steinmeier die LKW-Maut sehr stark begrüßt haben und wir stehen auch zum Konzept der Maut. Es darf nur nicht durch zu viel Optimismus und einen verpatzten Mautstart endgültig an die Wand gefahren werden. Denn wenn wir diesmal scheitern, dauert es mindestens drei Jahre, bis wir uns mit einem neuen Mautsystem aufstellen können.

    Meurer: Wie sehr werden LKW-Fahrer auf Bundesstraßen ausweichen?

    Schmidt: Das erwarten wir eigentlich weniger von Unternehmen, die sehr teures Fahrpersonal auf dem Bock sitzen haben. Denn wenn sie heute auf Bundesstraßen ausweichen, erreichen Sie nur noch ein Drittel der Geschwindigkeit, die wir sonst zurücklegen und dann würde man sehr schnell feststellen, dass man zwar zehn Euro Mautgebühr gespart hat in der Stunde, dass man aber 30 Euro Betriebskosten mehr hat durch Fahrerlohn und entsprechende Fahrzeugkosten. Das macht kein vernünftiger Mensch. Wenn man aber einen Fahrer hat, der in der Stunde ein Euro und weniger verdient, aus Osteuropa kommt und sowieso viel Zeit hat, dann können wir uns für diese Fahrzeuge durchaus den ein oder anderen Umweg über eine Bundesstraße vorstellen.