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Chef der polnischen PiS-Partei
Tonbänder gefährden Kaczynskis Saubermann-Image

Ein asketisches Leben für Polen: Dem polnischen PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski wird kaum Habgier unterstellt. So sieht man ihn, so will er wohl gesehen werden. Nun wecken Gesprächsmitschnitte des Politikers mit einem österreichischen Immobilien-Magnaten Zweifel. Es geht um ein gescheitertes Bauprojekt.

Von Jan Pallokat | 08.02.2019
    Der polnische Politiker Jarosław Kaczyński blickt skeptisch nach oben
    Bislang galt er als Asket: Jaroslaw Kaczynski (imago stock&people)
    Nicht einmal seine Gegner unterstellen Jaroslaw Kaczynski Habgier. Seine Lebensweise sei asketisch; es heißt, er lebe allein für sein geliebtes Polen, mit seinen Katzen als einzigem Luxus. Und wenn wie bei einer Bonusaffäre seiner Minister der Eindruck entsteht, die PiS-Partei bediene sich selbst, greift der Vorsitzende persönlich ein und erklärt stellvertretend für alle den Gehaltsverzicht.
    Doch von der oppositionellen Gazeta Wyborcza veröffentlichte Tonaufnahmen bringen nun einen Kaczynski mit bislang verborgenen Interessen zu Gehör: einen Geschäftsmann mit Ambition. In den heimlich mitgeschnittenen Gesprächen ging es um ein letztlich gescheitertes Hochhausprojekt in Warschau; zwei Türme 190 Meter hoch, laut Zeitung angedachter Sitz einer Stiftung, die den Namen seines Zwillingsbruder Lech trägt. Zwillingstürme also wohl nicht von ungefähr – so jedenfalls auch die Darstellung des Anwalts jenes österreichischen Geschäftspartners, der Kaczynskis Hochhaus-Traum verwirklichen sollte:
    "Ein Denkmal, das über Warschau hinausragen sollte. Zwei wunderschöne Türme, ihm und seinem Bruder gewidmet: ein Denkmal fürs ganze Leben."
    "Ich will doch niemanden betrügen"
    Ein Traum aber, der nach Kaczynskis Darstellung laut Tonband unter anderem an der fehlenden Baugenehmigung zerbrach: PiS hatte gerade die Warschauer Bürgermeisterwahl verloren. Von alledem hätte die Öffentlichkeit nie erfahren ohne den Streit, der bald entbrannte: Bauunternehmer Birgfellner aus Österreich, pikanterweise Schwiegersohn eines Kaczynski-Cousins, verlangte nämlich Geld für Vorleistungen. Kaczynski im Mitschnitt:
    Kaczynski: "Aber ich will doch niemanden betrügen. Ich weiß, dass das für uns gemacht wurde. Aber es muss dafür schriftliche Unterlagen geben, Rechnungen, was das gekostet hat."
    Birgfellner: "Das ist ein Vertrag"
    Unternehmer Birgfellner dagegen besteht in der Aufnahme darauf, dass alles vertraglich geregelt sei. Ein Streit also, wie er vorkommt unter Geschäftsleuten, und der nun vor Gericht geregelt werden soll. Nur, und hier kommt die Politik ins Spiel: ist die polnische Justiz noch unabhängig, sogar dann, wenn Jaroslaw Kaczynski ins Spiel kommt? Zweifel daran sind bislang wegen der Justizreform eher auf politischer Ebene geäußert worden. Der Anwalt Birgfellners bringt das Thema ins Spiel – öffentlich.
    Der "Anti-Held" der ganzen Geschichte
    "Mein Mandant hat die Staatsanwaltschaft eingeschaltet, in der Hoffnung, dass das geklärt wird. Nun gibt es aber die Struktur des Staates. An der Spitze der Premier, der den Ministerrat leitet, in dem der Justizminister Chef-Staatsanwalt ist. Der Premier, der nichts zu tun hat mit dem Vorgang, entscheidet - vorab. Das erweckt Zweifel.
    Premier Morawiecki hatte in dem Streit nämlich öffentlich Partei ergriffen, den Österreicher zum "Anti-Helden" der ganzen Geschichte erklärt, der sich "merkwürdig" benehme. Schon forderte die Opposition, im Lichte der Tonbänder Kaczynskis Vermögenserklärung nochmals zu überprüfen, zu der er als einfacher Abgeordneter verpflichtet ist. Die Antikorruptionsbehörde lehnte ab – ihr Leiter aber war früher selbst für die PiS-nahe Firma tätig, die für das Hochhausprojekt vorgesehen war, heißt es in nicht dementierten Medienberichten. Unabhängig von rechtlichen Fragen und der, inwieweit diese Firma eine Rolle bei der Parteienfinanzierung eine Rolle spielt, ist politisch vor allem eines entscheidend, sagen Demoskopen – ob und wie stark Kaczynskis Saubermann-Image unter der verworrenen Geschichte aus dem Warschauer Immobiliensumpf leidet, und was all das für die Europa- und Parlamentswahlen bedeutet, die dieses Jahr in Polen stattfinden.