Archiv


Chef des UN-Umweltprogramms warnt vor globaler Wasserkrise

Der Direktor des UNO-Umweltprogramms, Achim Steiner, hat vor Beginn des heutigen Weltwasserforums in Istanbul die Industriestaaten aufgerufen, sich für eine bessere Wasserversorgung in den Entwicklungsländern einzusetzen. Ein effizientes Wassermanagement sei notwendig, um neun Milliarden Menschen auf dem Planeten ausreichend mit Wasser versorgen zu können.

Achim Steiner im Gespräch mit Stefan Heinlein |
    Stefan Heinlein: : Hahn auf und das Wasser läuft. Trinken, Duschen, Waschen, für uns alle nicht nur an diesem Morgen eine Selbstverständlichkeit. Rund 130 Liter Wasser werden wir als Deutsche an diesem Tag pro Kopf verbrauchen. Nicht überall ist dies so simpel. Mehr als eine Milliarde Menschen haben schon jetzt tagtäglich keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Der Klimawandel und der ungebremste Anstieg der Weltbevölkerung wird dieses Problem in den kommenden Jahren und Jahrzehnten deutlich verschärfen. Experten warnen vor den Folgen einer globalen Wasserkrise. In Istanbul beginnt heute das fünfte Weltwasserforum, ein Mammuttreffen mit mehr als 20.000 Teilnehmern aus Politik und Wissenschaft, über das ich jetzt sprechen möchte mit dem Chef des UN-Umweltprogramms UNEP, Achim Steiner. Guten Morgen nach Nairobi!

    Achim Steiner: Guten Morgen!

    Heinlein: : Herr Steiner, haben Sie heute Morgen schon geduscht?

    Steiner: Das habe ich in der Tat und das Wasser war da.

    Heinlein: : Ist es bei Ihnen in Kenia und anderen Ländern Afrikas ein Privileg, jeden Tag ausreichend sauberes Trinkwasser zum Trinken und zum Duschen zu bekommen?

    Steiner: Sie haben absolut Recht und selbst das Privileg einer Dusche ist bei uns auch auf Kosten vieler anderer Möglichkeiten, das Wasser zu nutzen, und wir haben ja gerade in Kenia bereits dieses Jahr wieder eine Trockenheit und wie so oft in vielen Teilen der Welt ist dies inzwischen zu einer alltäglichen Herausforderung für Millionen von Menschen geworden.

    Heinlein: : Warum ist der Zugang zu sauberem Trinkwasser in vielen Ländern so schwierig? Gibt es einfach zu wenig Wasser, oder ist die Verteilung nur ungerecht geregelt?

    Steiner: Es ist wie bei so vielen Dingen in unserer Weltwirtschaft. Im Grunde hätten wir heute genug Wasser für sechs, sieben, acht Milliarden Menschen. Nur die Verteilung der Wasserhaushalte ist geographisch einmal sehr unterschiedlich; das ist natürlich die eine Herausforderung. Zweitens gehen wir halt mit dem Wasser viel zu verschwenderisch um. In vielen Teilen der Welt ist der Preis für das Wasser noch so niedrig, dass es im Grunde sich nicht lohnt, Wasser wirtschaftlich zu nutzen, das heißt auch damit sparsam umzugehen. Aber es ist auch eine Frage, wie wir unsere Ökosysteme managen, und wir haben natürlich in dem letzten Jahrhundert ein Großteil der ökologischen Möglichkeiten, Wasserhaushalte zu führen und auch Wasser zu erhalten für den Zugang für Menschen, verloren durch die Zerstörung von Feuchtgebieten, von Auen weltweit, und dazu kommt natürlich noch der Klimawandel mit seinen klimatischen Veränderungen, der natürlich diese Situation für viele Menschen noch weiter verschärft.

    Heinlein: : In welcher Hinsicht? Können Sie das erläutern?

    Steiner: Sie erleben zum Beispiel in Regionen wie Afrika heutzutage die abwechselnden Rhythmen zwischen Trockenheit und Überschwemmung in einer immer stärkeren und extremeren Form. Das heißt, ein Land wie Kenia kann in einem Jahr der Dürre 3, 4, 5 Prozent seines Bruttosozialprodukts verlieren und umgekehrt drei Jahre später mit Überschwemmungen wieder sehr schwer betroffen werden. Das heißt, wir sind einer größeren Schwankung von Klimaveränderungen ausgesetzt, die sich auch in anderen Teilen der Welt darstellen.

    Zweites Beispiel ist: Durch die Schmelze der Gletscher weltweit wird natürlich der Wasserabfluss in die Flüsse, die ja die ganze Landwirtschaft und letztlich auch alle Siedlungsgebiete der Welt mit Wasser versorgen, immer unsicherer. Wir erwarten ja, dass in den nächsten 20 bis 30 Jahren durch die globale Erwärmung ein Großteil zum Beispiel der Gletscher im Himalaja schmelzen wird. Das wird Hunderte von Millionen Menschen betreffen, die sich ja über Hunderte von Jahren dort angesiedelt haben, ihre Landwirtschaft, ihre Wasserversorgung nach diesem natürlichen Rhythmus organisiert haben, und der wird nicht mehr halten.

    Heinlein: : Das Problem, Herr Steiner, wird sich also verschärfen. Nicht nur Sie warnen vor einer globalen Wasserkrise. Wird es Kriege um Wasser geben?

    Steiner: Ich glaube, die Menschheit hat es meistens geschafft, wenn es ums Wasser geht, sich miteinander zusammenzutun, ob wir das in dem Indusfluss zum Beispiel beobachten, Indien, Pakistan, oder auch in anderen Teilen der Welt. Ich glaube, als Menschen wissen wir, dass wir letztlich voneinander abhängen und miteinander arbeiten müssen, wenn es um Wasser geht. Ich bin nicht ein großer Freund der Theorie, dass wir sozusagen den nächsten Weltkrieg über Wasser führen werden, aber was natürlich geschieht ist, dass auf lokaler Ebene der Konflikt sehr schnell natürlich auch mit Wasser hochgespielt werden kann, und dann kommen ethnische Dimensionen dazu, politische Ungleichgewichte, und das schafft natürlich ein höheres Potenzial für Konflikt. Von daher müssen wir davon ausgehen, dass mit dem immer wachsenden Wassermangel auch Menschen letztlich verdrängt werden müssen.

    Ein anderes Beispiel wiederum bei Klimawandel. Wenn Sie den Anstieg des Meeresspiegels betrachten und ein Land wie Bangladesch nehmen, dann können in den nächsten 30, 40, 50 Jahren bis zu 10 Millionen Menschen gezwungen werden, das Delta zu verlassen. Wo sollen sie hin? Wo können sie sich ansiedeln? Und das hat natürlich großes Konfliktpotenzial.

    Heinlein: : Wie sehr, Herr Steiner, behindert denn dieser akute Trinkwassermangel in vielen Ländern die wirtschaftliche Entwicklung dieser Regionen?

    Steiner: Er ist zu einem absoluten Hindernis geworden und das ist ja auch ein Grund, warum wir gerade in den letzten Monaten im Rahmen der Weltwirtschaftskrise immer wieder aufgerufen haben, im Rahmen eines "global green new Deals" auch für diese Konjunkturprogramme und die internationalen Wirtschaftsmaßnahmen und die Finanzmärkte zu stabilisieren, auch in die Frage Wasser zu investieren. Es ist eine historische Möglichkeit, Entwicklungsländern dabei behilflich zu sein, auch für sie selber, aktiv zu werden, um in ein effizienteres Wassermanagement zu investieren, auch im Sinne einer grenzübergreifenden Anzahl von Ansätzen, was ja auch gerade bei dem Weltwasserforum, das ja diese Woche in der Türkei beginnt, ein zentrales Thema ist. Also ich glaube, wirtschaftliche Signale und auch Investitionen in effizienteres Wassermanagement, intelligenteres Wassermanagement ist eine absolute Voraussetzung, um mit neun Milliarden Menschen auf diesem Planeten genug Wasser zu haben.

    Heinlein: : Heute Morgen im Deutschlandfunk der Chef des UN-Umweltprogramms, Achim Steiner. Ich danke, Herr Steiner, für das Gespräch und auf Wiederhören nach Nairobi.