Mittwoch, 24. April 2024

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Chefwechsel bei der Deutschen Bank
Bankenexperte: Sewing hat das Format

Die krisengeschüttelte Deutsche Bank benötige jetzt vor allem einen Motivator, sagte der Finanzexperte Wolfgang Gerke im Dlf. Das traue er dem frisch ernannten Vorstandschef Christian Sewing zu. Um das Potenzial der Bank zu nutzen, müsse Sewing die Belegschaft aber auch auf "schmerzhafte" Veränderungen einstellen.

Wolfgang Gerke im Gespräch mit Jasper Barenberg | 09.04.2018
    Christian Sewing, neuer Chef der Deutschen Bank, bei der Hautpversammlung des Geldhauses im Februar 2018
    Christian Sewing, neuer Chef der Deutschen Bank (imago stock&people)
    Jasper Barenberg: Drei Jahre in Folge hatte die Deutsche Bank zuletzt Verluste eingefahren. Der Aktienkurs hat sich mehr als halbiert. Schon die Zahlen dokumentieren, dass das Geldinstitut auch zehn Jahre nach der Finanzkrise kein Geschäftsmodell gefunden hat, das funktioniert und erfolgreich ist. Das ist auch John Cryan in den letzten drei Jahren nicht gelungen. Schon seit Wochen wurde über seine Ablösung gemutmaßt. Seit gestern Abend steht nun fest: Mit Christian Sewing übernimmt der bisherige Vorstand für das Privat- und Firmenkunden-Geschäft jetzt den Chefsessel. Am Telefon mitgehört hat der Finanzwissenschaftler Wolfgang Gerke, der unter anderem in Passau, in Mannheim und in Erlangen gelehrt und geforscht hat und heute einer der beiden Präsidenten am Bayerischen Finanzzentrum ist. Herr Gerke, es wird im Moment viel darüber gerätselt, ob Sewing das Format hat, diesen Chefsessel auszufüllen. Was sagen Sie?
    Wolfgang Gerke: Doch, ich traue ihm das zu. Ich glaube, er hat das Format. Das will er auch gleich am ersten Tag demonstrieren. Was jetzt ganz wichtig ist: Die Deutsche Bank braucht jemanden, der auch den Mitarbeitern zeigt, wir sind ein großes Institut, das hat ein Problem, dieses Problem wollen wir gemeinsam lösen. Das heißt, wir wollen ertragreicher werden, wir wollen die Kosten senken, und dann wollen wir am Markt auch sehen, dass andere wieder auf uns schauen und nicht auf uns herunterschauen. Das ist John Cryan nicht gelungen. Er mag ein guter Banker auch gewesen sein, aber vom ersten Tag an hat er es nicht verstanden, der Mannschaft zu sagen, wir werden wieder klasse sein, sondern er hat wir gesagt, wir sind schlecht und wir müssen uns bessern.
    Aber das motiviert nicht und jetzt braucht die Bank jemanden, der zeigt, wir haben Potenzial, wir werden dieses Potenzial nutzen. Das kann schmerzhaft sein und wird auch schmerzhaft sein, aber wir kommen da durch. Von daher bedauere ich, dass es dem Aufsichtsrat nicht gelungen ist, Herrn Sewing sofort zu berufen, ohne Beschädigung, denn dass im Markt andere Namen kursierten, bevor seiner dann in die Waagschale geworfen wurde, das ist natürlich für die Bank wieder ein Armutszeugnis. So darf man nicht vorgehen.
    Wolfgang Gerke, Bankenexperte, Präsident Bayerisches Finanz Zentrum, aufgenommen am 07.04.2016 während der ZDF-Talksendung "Maybrit Illner" zum Thema "Die dunkle Welt der Super-Reichen - Vermögen verschleiert und versteckt?" im ZDF-Hauptstadtstudio im Berliner Zollernhof Unter den Linden.
    Wolfgang Gerke, Bankenexperte und einer der beiden Präsidenten am Bayerischen Finanzzentrum (picture alliance / dpa / Karlheinz Schindler)
    Barenberg: Sie haben jetzt mehrfach gesagt, wie wichtig es jetzt ist, mit den Mitarbeitern zu sprechen und mit der Mannschaft zu sprechen. Das überrascht ja im ersten Augenblick, weil alle immer darüber sprechen, die Deutsche Bank braucht endlich eine richtige Strategie. Es geht immer um die großen Fragen, wie sich das Haus nach außen präsentiert, und weniger um die eigene Mannschaft. Warum ist das aus Ihrer Sicht jetzt so besonders wichtig in dieser Situation?
    Gerke: Ja, ich halte es für so wichtig, dass ich sage, das ist sogar die Strategie, die die Bank braucht. Wenn man in andere Institute hineinschaut, dann ist das gemeinsame Ziel, im Markt erfolgreich zu sein, in den Mitarbeitern viel mehr drinnen, und das fehlt im Moment der Deutschen Bank. Ich kenne viele, das sind hervorragende Banker, aber die haben so ein Gefühl, ach, unser Institut, das gefällt mir nicht mehr, ich selbst werde nicht ernst genommen und wenn ich kann, verabschiede ich mich, und innerlich hat man sich zum Teil schon verabschiedet. Dies wieder umzudrehen, ich glaube, das ist die wichtigste Strategie, die man fahren kann.
    Ich würde gar nicht das Investmentbanking zurückfahren und sagen, das ist unsere große Strategie, weniger Investmentbanking zu machen, sondern ich würde sagen, wir brauchen wieder die besten Investmentbanker, die dann auch ihren Bonus wert sind, dass wir nicht wieder Situationen haben, wo die Bank Geld verliert und große Boni ausgezahlt werden. Das schafft auch innerhalb der Mannschaft Unzufriedenheit, denn andere, die den Bonus so nicht sehen, die sagen dann, das ist doch nicht ein gemeinsames Werkeln hier.
    "Viele Mitarbeiter passen mit ihrem Profil dann nicht mehr hinein"
    Barenberg: Wenn der neue Chef jetzt von der Jäger-Mentalität spricht, wie wir eben gehört haben, die jetzt wieder kommen müsse, und davon, dass Solide für den Ruf der Deutschen Bank und die Geschichte des Instituts nicht gut genug ist, dann trifft er schon in Ihren Ohren den richtigen Ton und das klingt schon nach einem guten Aufbruch?
    Gerke: Das klingt nach einem guten Aufbruch und ist in meinen Augen schon der Beginn einer Strategie, wobei man dann leider der Mannschaft auch mitteilen muss, dass man im Rahmen insbesondere der Postbank viel schärfer noch eingreifen muss. Angesichts der Digitalisierung ist die traurige Botschaft, dass viele Mitarbeiter mit ihrem Profil dann doch in die Bank nicht mehr hinein passen. Das ist extrem schmerzhaft, aber da muss Sewing durch und da muss die ganze Mannschaft durch. Aber jetzt hinzugehen und zu sagen, wir trennen uns von den Bereichen, die sich nicht rechnen, und die anderen machen wir noch besser, das ist, glaube ich, auch schon Strategie, wahrscheinlich eine bessere Strategie als zu sagen, wir fahren 20 Prozent vom Investmentbanking zurück, oder eine ähnliche primitive Strategie zu machen.
    Insofern sollten wir im Moment mehr schauen, ob es ihm gelingt, auch möglichst schnell gelingt, diese Ziele in der Bank dann auch bei den einzelnen Köpfen umzusetzen. Das wird eine schwierige Aufgabe sein, nach so vielen Jahren des Leidens.
    Barenberg: Nun hat die Bank vor einigen Jahren, vor zwei Jahren, genau genommen, ja eine Strategie beschlossen. Die heißt, die Deutsche Bank soll als globale Universalbank mit großem Investmentbanking fortgeführt werden. Ist das im Grundsatz bis heute und auch für die Zukunft richtig?
    Gerke: Ich halte das weiterhin für richtig, mit der Einschränkung, dass man sagen muss - aber die gilt immer unter Ökonomen -, dass man sagt: Wenn wir in einem Bereich weniger erfolgreich sind als andere und nicht auf Augenhöhe es zu denen hoch schaffen, dann werden wir den Bereich verkaufen oder kappen. Das gilt dann für alles, was man anfasst. Aber ich halte es schon für richtig zu sagen, wir sind eine so große Bank, wir können in vielen Bereichen erfolgreich sein. Das ist dann eine Frage des Managements, die Profitcenter richtig zu steuern. Das ist der Deutschen Bank in den letzten Jahren absolut nicht gelungen. Was man mit der Postbank gemacht hat war stümperhaft. Andere haben in diesem Feld viel, viel Geld verdient, die DKB, die ING Diba und andere Banken, und der Deutschen Bank ist es nicht gelungen, weil man nicht in der Lage war, sich in die Kundschaft der Postbank richtig hineinzudenken. Das muss gelingen. Das ist eine schwierige Aufgabe, aber daran wird Herr Sewing gemessen werden und jetzt nicht, ob er strategisch sagt, wir machen von irgendeinem Bankgeschäft X Prozent mehr oder fahren den Typ Universalbank zurück. Ich glaube, das ist gar nicht das Problem.
    "Zwei Alphatiere verträgt eine Bank oftmals nicht"
    Barenberg: Umso mehr mutet dann ja merkwürdig an, dass so viel immer darüber gesprochen wird, etwa, dass Marcus Schenck jetzt der Vorstand des Investmentbankings das Nachsehen hat bei dieser Entscheidung und mit Christian Sewing ein Eigengewächs kommt, jemand, der im Privat- und Firmenkunden-Geschäft ist und von dem jetzt erwartet wird, dass auch die Hinwendung und die Orientierung zur deutschen Wirtschaft stärker wieder in den Vordergrund rückt. Ist das gar nicht so wichtig aus Ihrer Sicht?
    Gerke: Ja, doch. Nur da menschelt es natürlich. Wenn man zwei - und der Schenck ist ja auch ein hervorragender Mann, der große Erfolge in der Vergangenheit gehabt hat und bei der Deutschen Bank sich schwer getan hat jetzt. Aber er stand ja auch immer zur Diskussion mit und das ist klar, zwei Alphatiere erträgt eine Bank oftmals nicht, dass seine Zukunft in dem Institut möglicherweise doch sehr begrenzt ist. Das ist schade! Ich glaube, er hätte dort weiterhin einen guten Job machen können. Aber sein Rückzug ist menschlich verständlich und sicherlich verkraftbar auch für die Bank, wenn sie hier dann unabhängig von den Personen eine vernünftige Politik fährt.
    Barenberg: Sollte die Deutsche Bank vor allem und in erster Linie eine Bank sein, die Ansprechpartner für die großen und kleineren deutschen Unternehmen ist?
    Gerke: Nein! Da sollte sie der erste Ansprechpartner sein für diese Unternehmen. Aber gerade diese größeren und auch die exportorientierten mittelständischen Unternehmen sind international aufgestellt und dann braucht man auch eine Bank, die international aufgestellt ist. Sonst würde man ja sagen, warum die Deutsche Bank. Wir sind dann sehr schnell bei anderen großen internationalen Instituten. Für mich heißt das, die Deutsche Bank ist extrem wichtig für die deutsche Industrie, aber sie wird dann am wichtigsten sein, wenn sie eine internationale Adresse ist, die von allen ernst genommen wird und die genauso Kunden aus den USA, aus China oder aus Taiwan oder aus Italien anzieht.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.