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Chemie
Die umweltfreundliche Herstellung von Carbonsäuren

Oktansäure ist häufig Ausgangsmaterial für Seifen, Farbstoffe und Arzneimittel. Sie gehört zur Klasse der Carbonsäuren und ist damit wichtiger Baustein für die Synthesechemie. Bei der Herstellung kommen allerdings bisher umweltschädliche Chemikalien zum Einsatz - Forscher haben nun eine ungiftige Alternative entwickelt.

Von Arndt Reuning | 30.03.2015
    Tabletten liegen in einem Glas. Verschreibungspflichtige Medikamente mit dem Wirkstoff Methylphenidat gehören zu den Arzneistoffen mit stimulierender Wirkung, die oft als "Studentendroge" bezeichnet werden.
    Tabletten: Für viele Arzneimittel wird Oktansäure verwendet. (dpa)
    Vom Alkohol zum Aldehyd zur Carbonsäure: Ein Dreiklang, den Studierende der Chemie bereits in den ersten Semestern kennenlernen. Entlang dieses Syntheseweges werden innerhalb eines organischen Moleküls immer mehr Bindungen zwischen Kohlenstoff und Sauerstoff geknüpft – die Substanz wird oxidiert. Und dadurch erschließt sich eine ganze Palette wertvoller Verbindungen. Die letzte Etappe auf diesem Weg hat sich nun der Chemieprofessor Chao-Jun Li von der kanadischen McGill University näher angeschaut.
    "Die Oxidation von Aldehyden zu Carbonsäuren gehört zu den grundlegenden Reaktionen in der Chemie. Sie wird häufig genutzt, um zum Beispiel Arzneimittel oder Agrochemikalien herzustellen."
    Umwandlung bisher sehr umweltschädlich
    Allerdings: Dafür benötigen die Chemiker einen Reaktionspartner, der mit seiner Oxidationskraft die Aldehyde umwandelt – üblicherweise das Jones-Reagenz: eine Mischung aus giftigem, krebserregendem Chromoxid und konzentrierter Schwefelsäure, meist mit einem Schuss Aceton versehen. Chao-Jun Li hat sich nach ungiftigen Alternative umgesehen und sich daran erinnert, dass auch bestimmte Salze des Edelmetalls Silber gerne Aldehyde oxidieren.
    "Das war in der Tat das erste Reagenz, mit dem sich solch eine Umwandlung durchführen ließ. Das Tollens-Reagenz. Das Silbersalz muss dabei im Überschuss verwendet werden, es verwandelt sich in metallisches Silber. Historisch ist diese Reaktion bedeutsam. Denn sie wurde jahrzehntelang genutzt, um Silberspiegel herzustellen, wie sie einst täglich verwendet wurden."
    Zur Oxidation von Aldehyden wäre das natürlich zu teuer. Daher hat der kanadische Chemiker das Silbersalz so verändert, dass es nicht mehr verbraucht wird. Es aktiviert vielmehr den Sauerstoff aus der Luft, dessen Oxidationswirkung dann das Aldehyd zur Carbonsäure umwandelt. Die Silberverbindung übernimmt also die Funktion eines Katalysators und liegt nach der Reaktion unverändert vor.
    "Wir benötigen nur eine Prise der Silberverbindung. Zwei Milligramm genügen, um damit Reaktionen im Grammbereich zu ermöglichen. Das heißt, diese Reaktion ist zum einen äußerst preiswert."
    Grüne Chemie als Leitbild
    Und zum anderen benötigt sie keine gesundheitsschädlichen Lösungsmittel. Sie läuft problemlos in Wasser ab. Und damit erfüllt sie einige Anforderungen der sogenannten grünen Chemie.
    "Das Gebiet der grünen Chemie existiert nun schon seit ungefähr 20 Jahren, Anfang der 1990er-Jahre wurde es begründet. Die Chemiker Paul Anastas und John Warner haben damals zwölf Prinzipien für eine umweltfreundliche Chemie formuliert. Das grundlegende Konzept dahinter lautet: Finde einen Weg, wie sich die potenziellen schädlichen Auswirkungen eines chemischen Herstellungsprozesses minimieren lassen."
    Sauerstoff ersetzt giftige Chromverbindungen, einfaches Wasser dient als Lösungsmittel. Und ein Katalysator sorgt für eine hohe Ausbeute der Zielverbindung. Von daher ist mit dem Silbersalz aus Kanada die Chemie gerade wieder ein Stückchen grüner geworden.