Günther Hetzke: Wir haben es gerade an der Börse bereits gehört: Der angekündigte Führungswechsel beim Spezialchemiekonzern Lanxess kam bei den Aktienhändlern ausgesprochen gut an. Und mit dieser Personalie wollen wir uns jetzt noch ein wenig intensiver beschäftigen. Dazu begrüße ich beim mir im Studio meinen Kollegen Andreas Kolbe aus unserer Wirtschaftsredaktion. Herr Kolbe, zunächst zum Konzern selbst, dessen Geschäftsfeld die Spezialchemie ist. Was genau verbirgt sich dahinter?
Andreas Kolbe: Spezialchemie ist hier eigentlich so eine Art Sammelbegriff für eine ganze Reihe von verschiedenen Produkten, die gar nicht mal so wahnsinnig viel mit einander zu tun haben: Da sind zum Beispiel spezielle Kunststoffe für die Autoindustrie. Gerbstoffe für die Lederherstellung oder auch Farbstoffe, die auf dem Bau verwendet werden zum Beispiel um Fassaden farbig zu gestalten. Und als größtes Geschäftsfeld natürlich synthetischer Kautschuk. Das ist einer der Grundstoffe für die Reifenindustrie.
All das war mal ein Teil Bayer, von dem großen Chemie- und Pharmakonzern aus Leverkusen. Der hat 2004 aussortiert und einen Großteil seines Chemie-Geschäfts in eine eigene Firma ausgegliedert. Die hat dann den Kunstnamen Lanxess bekommen und wurde an die Börse gebracht. Anfangs hat man da den Konzern auch verspottet als Bayers Resterampe. Aber man muss sagen: Lanxess hat sich gemacht. Seit 2012 ist das Unternehmen auch im DAX notiert, gehört also zu den 30 größten börsennotierten Konzernen des Landes. Insofern eigentlich eine Erfolgsgeschichte, die ganz eng mit dem Namen Axel Heitmann verbunden ist. Denn er war seit Anfang an dabei – einer der dienstältesten Vorstandschefs bei einem DAX-Konzern überhaupt.
Hetzke: Und warum nun muss der bisherige Chef, Axel Heitmann, seinen Stuhl frei machen? Was ist der Grund?
Kolbe: Offiziell wird da kein Grund explizit genannt. Es heißt nur, dass der Vertrag mit Heitmann einvernehmlich aufgelöst wird. Für mich macht es ein wenige den Eindruck, wie bei einer Trainer-Entlassung in der Fußball-Bundesliga. Da gibt es ja auch nicht immer den einen Grund – sondern der sportliche Erfolg fehlt. Und dann versucht man eben, mit einem neuen Trainer den Abstieg zu vermeiden.
So ist es etwa auch bei Lanxess. Der Konzern ist wirtschaftlich angeschlagen. Vor allem die wichtigste Ertragssäule, das Geschäft mit dem synthetischen Kautschuk läuft schlecht, so sehr, dass es den ganzen Konzern mit nach unten zieht. Hier kriegt Lanxess den Nachfrageeinbruch in der europäischen Autoindustrie zu spüren – weniger verkaufte Autos heißt auch weniger neue Reifen, heißt weniger Nachfrage nach Kautschuk. Die Gewinne sind hier deutlich zurückgegangen. Und eine Besserung ist nicht in Sicht.
Also versucht es Heitmann mit einem Sparprogramm. Das hat er im September angekündigt: 100 Millionen Euro will er einsparen, 1.000 Stellen sollen gestrichen werden bis Ende kommenden Jahres. Aber man hat nun den Eindruck: Entweder hat der Aufsichtsrat das Vertrauen verloren, dass Heitmann die Wende hinkriegt. Oder aber man kann sich nicht auf das Wie einigen – und geht so lieber jetzt getrennte Wege.
Hetzke: Die Nachfolge ist bereits geregelt. Wer soll Axel Heitmann folgen?
Kolbe: Das wird ein alter bekannter sein: Matthias Zachert, der ist auch ein Mann der ersten Stunde bei Lanxess. Er war 2004 bis 2011 Finanzvorstand des Konzerns. Dann ist er in gleicher Funktion zum Chemie- und Pharmakonzern Merck gewechselt. Nun kommt er zurück zu Lanxess als Vorstandschef. Spätestens im Mai soll es soweit sein.
Die Börsenreaktion auf die Personalie haben wir schon gerade eingefangen. Die Lanxess-Aktie im Höhenflug, während Merck förmlich abschmiert. Zachert wird also einiges zugetraut. Die Analysten hoffen, dass er entschiedener zupackt, als Axel Heitmann das zuletzt getan hat.
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