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Chile
Präsidentin will Amnestiegesetze abschaffen

Mehr als 3.200 Tote, über 38.000 Folteropfer - die Diktatur des Pinochet-Regimes in Chile zählt zu den blutigsten in Südamerika. Und noch immer sind zahlreiche Täter auf freiem Fuß. Grund dafür sind die Amnestiegesetze. Präsidentin Michelle Bachelet will das ändern.

Von Julio Segador | 19.09.2014
    Michelle Bachelet steht nach ihrem Sieg bei der Präsidentschaftswahl am Rednerpult und winkt ihren Anhängern zu.
    Michelle Bachelet will die Verbrechen der Pinochet-Diktatur aufarbeiten. (dpa picture alliance / Sebastian Silva)
    Die Pinochet-Diktatur in Chile zählte zu den blutigsten in Südamerika. Fachleute schätzen, dass rund 3.200 Regimegegner getötet und fast 40.000 von den Schergen der Junta gefoltert und misshandelt wurden. Von vielen Opfern fehlt bis heute jede Spur. Präsidentin Michelle Bachelet setzt darauf, Licht in diese dunkle Epoche des Landes zu bringen.
    "Das ist der Moment, wo wir wie Brüder um die Wahrheit ringen müssen. Dafür ist es fundamental wichtig, dass diejenigen - Privatleute oder Militärs, die irgendwelche Informationen haben, diese weitergeben."
    Seit gut sechs Monaten steht Michelle Bachelet als Präsidentin an der Spitze Chiles. Ihr Vorgänger, der konservative Politiker Sebastián Piñera, hatte erkennbar nur wenig Lust, die Diktatur und deren Folgen aufzuarbeiten. Unter Bachelet ist dies erkennbar anders. Unterstützt wird die Sozialistin dabei von Isabel Allende, der Tochter, des früheren Präsidenten und aktuellen Präsidentin des Senats.
    "Noch immer suchen wir nach der Wahrheit. Bis heute ist es uns nicht gelungen herauszufinden, wo viele exekutiert und wo sie verscharrt wurden. Wir müssen die Wahrheit herausfinden."
    Alte Seilschaften funktionieren noch
    Doch es gibt nicht wenige in Chile, die genau das verhindern wollen. Bis heute funktionieren die alten Seilschaften im Land. Sie stehen bis heute ganz vorne in Politik und Wirtschaft. Sergio Melnick etwa: Der 63-jährige Unternehmensberater war unter Pinochet Planungsminister, stand danach an der Spitze zahlreicher Unternehmen. Von der Aufarbeitung der Diktatur hält Melnick nichts.
    "Wieder wird Hass geschürt, nichts anderes macht Bachelet. Hass und Ressentiments werden geschürt, und zwar bei dem Teil der Menschen im Land, für die Allende eine unheilvolle linke Politik machte. Da gibt es viel Hass, bis heute. Das Land hat ein Problem, das niemals gelöst wurde und das durch den Extremismus der Präsidentin auch nicht gelöst werden wird."
    Doch die Präsidentin lässt davon nicht beirren. Erst vor wenigen Tagen wurde im Parlament in Santiago ein Gesetzgebungsverfahren in Gang gesetzt: Das Ziel: Die Täter während der Diktatur sollen endlich zur Rechenschaft gezogen werden. Bisher wird dies durch Amnestiegesetze aus der Pinochet-Zeit, die weitgehend Straffreiheit garantieren, verhindert. Justizminister José Antonio Gómez rechnet mit Widerstand der Konservativen:
    "Es wird im Parlament sicher zu einer sehr kontroversen Diskussion kommen darüber, wie man mit den Amnestiegesetzen umgehen soll. Was die Regierung aber erreichen will ist, dass die Amnestiegesetze gekippt werden und die chilenische Gesetzgebung sich damit endlich an der Maßgabe der internationalen Gesetzgebung orientiert."
    Nur einige Dutzend besonders grausame Schergen der Diktatur sitzen bisher im Gefängnis. Viele hohe Ex-Junta-Mitglieder sind dagegen immer noch auf freiem Fuß, geschützt durch die Amnestiegesetze. Das soll nach dem Willen der Regierung bald anders werden.