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China ist "eine Machtwirtschaft"

Die chinesische Exil-Dichterin Xu Pei hält wenig von den deutsch-chinesischen Wirtschaftsgesprächen, die heute in Berlin stattfinden. Davon würde die Bevölkerung Chinas "überhaupt nicht" profitieren, weil China keine Markt- sondern eine Machtwirtschaft sei, sagte Xu.

Xu Pei im Gespräch mit Bettina Klein | 29.01.2009
    Bettina Klein: China und die Menschenrechte, Menschenrechte und die Wirtschaftsbeziehungen – ein Spannungsfeld, das immer wieder thematisiert werden muss und das auch heute auf die Agenda drängt, wenn der chinesische Ministerpräsident in Berlin empfangen wird, mit militärischen Ehren und der Absicht, umfangreiche Wirtschaftsverträge unterzeichnen zu lassen. Ich habe darüber mit der Chinesin und Exil-Dichterin Xu Pei gesprochen. Sie ist promovierte Germanistin und lebt seit 20 Jahren hier in Deutschland als Exilantin. Helfen diese Besuche und helfen diese Verträge den Chinesen in ihrem täglichen Leben?

    Xu Pei: Wenn Sie mich fragen, kann ich sagen nein, auf keinen Fall. Der Bevölkerung in China wird dadurch überhaupt nicht geholfen. Im Gegenteil: die Wirtschaftsverträge dienen dem Regime nur dazu, die Legitimation weiter zu erhalten für ihre Herrschaft, für die kommunistische Diktatur. Deshalb hilft es der Bevölkerung überhaupt nicht.

    Klein: Man spricht davon, wir schaffen Wandel durch Handel, und versucht auf diese Weise Wirtschaftsbeziehungen zu legitimieren. Können Sie das, was Sie gerade beschrieben haben, genauer erklären?

    Pei: Die Wirtschaft in der VR China ist keine Marktwirtschaft wie in Deutschland, sondern eine Machtwirtschaft. Der Markt wird von dem Regime gelenkt, genauso wie Justiz und die Presse. Deshalb: Das Regime macht alles wie es ihm passt, um seine Macht, alleinige Herrschaft zu erhalten. Vor 30 Jahren hat ja diese so genannte Wirtschaftsreform begonnen und vorher wurden die Chinesen zur Armut gezwungen. Nach 30 Jahren sind 0,4 Prozent der Familien diejenigen, die 70 Prozent vom Vermögen in China besitzen, und die sind alle KP-Funktionäre oder –Mitglieder.

    Klein: Aber viele Chinesen sagen, im Vergleich zu vor Jahrzehnten hat sich die Lebenssituation sehr deutlich gebessert und das Regime ist offener geworden im Vergleich zu vor 50 Jahren etwa. Weshalb würden Sie das nicht bestätigen?

    Pei: Das Regime hat ja den Menschen die Möglichkeit, die Freiheit geraubt, selber reich zu werden, und nachdem sich die Bevölkerung so gegen das Regime gewehrt hat, dass das Regime die Bandage locker gelassen hat, da bucht man die Erfolge wieder auf das Regime. Das Regime hat nicht dazu beigetragen, dass die Wirtschaft besser wird, sondern ich kann nur wiederholen: Die Menschen leiden unter dem Regime. Wenn das Regime nichts machen würde, würde es den Chinesen viel besser gehen. Denken Sie mal an Hongkong, denken Sie mal an Macao, an Taiwan. Überall können die Chinesen viel besser leben als in China unter der kommunistischen Führung.

    Klein: Viel ist ja auch im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen über die Menschenrechte gesprochen worden. Die Optimisten waren der Überzeugung, dass die Spiele gerade der Öffnung des Landes dienen würden und auch den Menschenrechten. Ist es so gekommen?

    Pei: Auf keinen Fall! Es ist unmöglich! Denken Sie mal an die Nazi-Zeit. Die Berliner Olympischen Spiele haben ja auch dem Nazi-Regime dazu gedient, die Weltöffentlichkeit zu betrügen, und das gleiche hat die kommunistische Führung in China auch gemacht. Die Olympischen Spiele haben es nur dazu gebracht, dass Millionen von Menschen zwangsumgesiedelt werden, und die Menschen, die gegen die Zwangsumsiedlung sind, werden auch verfolgt wie die Menschen, wie der diesjährige Sacharow-Preisträger Hu Jia. Er hat sich auch gegen den Missbrauch der Olympischen Spiele ausgesprochen, er ist auch im Gefängnis gelandet.

    Klein: Sie selbst, Xu Pei, äußern sich sehr viel kritischer, als wir das immer wieder von anderen Menschen, die aus China stammen, hier gewohnt sind – in den Medien. Wie erklären Sie sich das?

    Pei: Ich muss auch einen hohen Preis dafür bezahlen, dass ich die Wahrheit sage, dass ich die Dinge beim Namen nenne, dass ich die Gauner nenne, und das Regime versucht sowieso, die Menschen systematisch zu korrumpieren, damit sie nichts verraten, damit sie das Regime noch verteidigen, damit sie diese Staatsterroristen verteidigen.

    Klein: Sie meinen, wer verfolgt wird, auch wer im Ausland lebt. Inwieweit haben den Exil-Chinesen hierzulande die Verfolgung durch das Regime in Peking zu fürchten?

    Pei: Erstens: sie dürfen dann nicht mehr nach China einreisen und die Familienangehörigen leben ja auch noch in China. Sie werden dort verfolgt.

    Klein: Das heißt, die Angst, dass das Visum nicht verlängert wird, dass sie nicht mehr zurück können, glauben Sie, lässt Kritiker hier verstummen?

    Pei: Ja, leider.

    Klein: Wenn Sie das Bild, das in den Medien von China wiedergegeben wird, verfolgen, heißt das dann auch, dass es eben verzerrt dargestellt wird, sofern Exil-Chinesen befragt werden?

    Pei: Es kommt immer darauf an. Ich kann nur sagen, es gibt viele Chinesen, die meine Meinung teilen, aber es gibt wenige, die sich trauen wie ich, diese Meinung auch öffentlich zu vertreten.

    Klein: Die chinesische Exil-Dichterin Xu Pei im Gespräch mit dem Deutschlandfunk.