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China
Militärisch mit den USA gleichziehen

China will militärisch aufrüsten - vor allem im Bereich High-Tech-Waffen. Das erklärte Premierminister Li Keqiang auf dem Volkskongress in Peking. Denn die Volksrepublik will sich nicht mehr mit einer Nebenrolle im militärischen Kräftemessen zufriedengeben.

Von Ruth Kirchner | 07.03.2015
    Der chinesische Regierungschef Li Keqiang im Volkskongress (5. März 2015)
    Der chinesische Regierungschef Li Keqiang will die Militärausgaben erhöhen. (dpa / picture-alliance / Wu Hong)
    China macht sein Militär fit für das Informationszeitalter. Als Premierminister Li Keqiang am Donnerstag in der großen Halle des Volkes die Regierungspolitik für das laufende Jahr skizzierte, machte er ohne Umschweif deutlich, warum China seinen Militärhaushalt auf rund 130 Milliarden Euro aufstockt:
    "Wir werden unsere moderne Militär-Logistik umfassend stärken und die Forschung und Entwicklung von neuen High-Tech-Waffen vorantreiben sowie die entsprechenden Industrien fördern."
    Seit zwei Jahrzehnten pumpt China Milliarden in die Volksbefreiungsarmee - und steht damit weltweit auf Platz zwei bei den Rüstungsausgaben - hinter den USA, aber noch vor Russland. Die Modernisierung der Streitkräfte konzentrierte sich eine Zeit lang vor allem auf die Marine. China baute sein Militär von einer landgestützten Armee zu einer Seestreitkraft um. Doch längst gehe es um mehr, sagt Sam Perlo-Freeman vom Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri, nämlich um Vernetzung und Informationstechnologie:
    "Es geht um die Plattformen, die intelligente Technologien nutzen können, hoch-entwickelte Sensoren, smarte Waffen, Präzisionswaffensysteme. Aber es geht auch um die Netzwerke, integrierte Befehls- und Kontrollsysteme, die alles miteinander verbinden können. Das Ziel ist es, örtliche Kriege zu gewinnen - unter den Bedingungen des Informationszeitalters."
    Auf Augenhöhe mitmischen
    Immer mehr dieser Technologie kommt aus China selbst. Kaufte die Volksrepublik früher ihre Waffen überwiegend im Ausland ein - vor allem in Russland - bleibt das Geld heute eher im eigenen Land. Einiges an Hardware kommt immer noch aus Moskau, doch haben die Chinesen den Titel des weltgrößten Waffenimporteurs mittlerweile an die Inder abgegeben. Nicht weil die mehr Geld ausgeben, sondern weil China seine Waffen jetzt selbst baut. Fu Ying, Sprecherin des Volkskongresses, warb für Verständnis für Chinas Vorgehen:
    "Im Vergleich mit anderen großen Mächten ist der Weg für Chinas militärische Modernisierung viel schwieriger. Wir sind bei der meisten Ausrüstung und bei der Forschung und Entwicklung auf uns selbst gestellt, manchmal von Grund auf."
    In der Tat verhindern das Waffenembargo der Europäischen Union und andere Restriktionen, dass sich China ungehindert auf dem internationalen Markt bedienen kann. Zugleich will China unbedingt technologisch aufholen - vor allem gegenüber den USA, die dem Reich der Mitte immer noch weit voraus sind. China will sich nicht mehr mit einer Nebenrolle im militärischen Kräftemessen zufriedengeben. Zu einer Wirtschaftsgroßmacht gehöre auch eine starke, schlagkräftige Armee, heißt es in Peking. China wolle auf Augenhöhe mitmischen und stelle daher den Status quo infrage, sagt Perlo-Freeman - zumindest im asiatisch-pazifischen Raum:
    "Der Ausgangspunkt für die militärische Modernisierung Chinas war die Erkenntnis, dass sie gegenüber der amerikanischen Dominanz extrem schwach waren - in den 90er-Jahren und Anfang des 21. Jahrhunderts. Im Falle eines Konflikts hätten die USA sie einfach herum schubsen können. Jetzt, da sie neue Fähigkeiten entwickelt haben, sind sie deutlich selbstbewusster geworden und haben auch begonnen, ihr Gewicht stärker einzusetzen - etwa im Südchinesischen und im Ostchinesischen Meer."
    China will keine militärischen Konflikte
    In der Folge dieses neuen Auftrumpfens und Kräftemessens ist die gesamte Region unsicherer geworden, flammen Spannungen und Territorialstreitigkeiten mit Vietnam, den Philippinen und anderen im südchinesischen Meer und mit Japan im ostchinesischen Meer regelmäßig auf. Doch unbeirrt baut China gerade im südchinesischen Meer seine Präsenz kontinuierlich aus, hat im letzten Sommer damit begonnen umstrittene unbewohnte Inseln hunderte Kilometer vom chinesischen Festland entfernt aufzuschütten und auszubauen und setzt damit die Anrainer unter Druck. Und auch sonst tue China wenig, um regionale Spannungen abzubauen, sagt Sipri-Mann Perlo-Freeman.
    "Es geht nicht nur um die Höhe der Militärausgaben, da ist China seinen Nachbarn mittlerweile weit voraus. Es geht auch um die Fähigkeit, Mechanismen der Sicherheitszusammenarbeit zu entwickeln, vertrauensbildende Maßnahmen und friedliche Wege der Konfliktlösung - und in diesen Bereichen sind die Fortschritte bislang eher begrenzt."
    China will keinen Krieg, keine militärischen Konflikte. Aber Peking will auch keine Zweifel mehr daran lassen, wer in der Region jetzt das Sagen hat - nicht nur wirtschaftlich, auch militärisch. Einen globalen sicherheitspolitischen Führungsanspruch leitet China daraus nicht ab - noch nicht. Noch fährt Peking gut damit, diese Rolle den USA zu überlassen. Aber die Falken in der Volksbefreiungsarmee haben bereits deutlich gemacht, dass aus ihrer Sicht die jährlichen zweistelligen Erhöhungen des Militäretats viel zu gering ausfallen. Drei- bis viermal so viel müsse es sein, sagen sie, um mit den USA endlich gleichziehen zu können.