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China und Indien
Partner oder Rivalen?

Sie regieren über 2,5 Milliarden Menschen – Indiens Premierminister Modi und Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping. Die Oberhäupter der beiden aufstrebenden asiatischen Giganten wollen heute in Peking ihre Beziehungen verbessern. Keine einfache Aufgabe, denn in vielen Bereichen rivalisieren die beiden Länder.

Von Ruth Kirchner | 15.05.2015
    Indian Prime Minister Narendra Modi (L) shakes hands with Chinese Premier Li Keqiang (R) during a news conference at the Great Hall of the People in Beijing, China, 15 May 2015. The Indian leader is on an official visit, and is expected to meet with Chinese top officials to boost bilateral relations in economic and political matters.
    Indiens Premierminister Narendra Modi (l.) und Chinas Premier Li Kequiang bei einer Pressekonferenz in Peking. (picture alliance / dpa / Kenzaburo Fukuhara)
    Großer Bahnhof für Narendra Modi. Bei seiner Ankunft in der alten Kaiserstadt Xi'an wurde der indische Premier von Drachentänzern begrüßt. Der Abstecher in Xi Jinpings Heimatprovinz noch vor den offiziellen Gesprächen in Peking sollte die Bedeutung seines dreitägigen China-Besuchs unterstreichen. Denn Peking und Delhi wollten sicherstellen, dass Modis Besuch ein Erfolg wird, sagt der frühere indische Botschafter T.C.A. Rangachari.
    "Man will alles vermeiden, was Probleme verursachen und den generellen Tenor der Beziehungen beeinflussen könnte."
    Modi hofft auf chinesische Investitionen, will damit die indische Infrastruktur verbessern und seine Wahlversprechen erfüllen. Zugleich drängt er auf eine Öffnung des chinesischen Marktes. China wiederum sucht für seine Unternehmen neue Aufträge im Ausland und will sich als vertrauenswürdigen Kooperationspartner präsentieren. Doch über all dem schweben tiefgreifende Differenzen – etwa um die indische Himalaya-Region Arunachal Pradesh, die einige in China Südtibet nennen. 1962 haben beide Länder wegen Grenzstreitigkeiten im Himalaya Krieg geführt – geklärt sind die Konflikte bis heute nicht. Auch jetzt rechnet niemand mit einem Durchbruch:
    "Es geht dabei nicht nur um die Grenzen und die Gebietsstreitigkeiten, sondern auch um die Beziehungen zu den Tibetern, sagt Wang Yiwei von der Volksuniversität Peking. Schließlich lebt der Dalai Lama ja immer noch in Indien. Das sind komplexe Themen – aber China liegt viel daran, sie über kurz oder lang zu lösen."
    Doch einvernehmliche Lösungen sind nicht in Sicht. Kurz vor der Ankunft Modis forderte eine chinesische Zeitung Indien auf, dem Dalai Lama die Unterstützung zu entziehen. Peking sieht den religiösen Führer der Tibeter als Separatisten. Das Blatt warf Modi zudem Tricksereien bei den Grenzkonflikten vor und beschimpfte das indische Volk als "minderwertig." Vertrauen schaffen solche Kommentare nicht.
    "Das Vertrauen, da sind sich beide Seiten einig, muss gestärkt werden, sagt Ex-Botschafter Rangachari. Da müssen beide Seiten dran arbeiten."
    Denn auch in der Außenpolitik sitzt das Misstrauen tief. Indien pflegt enge Beziehungen zu den USA, zu Australien und Japan – was Peking missfällt. China wiederum ist mit Pakistan verbündet, dem Erzrivalen der Inder. China versucht außerdem seinen Einfluss in Südasien und im Indischen Ozean auszubauen. Dennoch sei das historisch schwierige Verhältnis unter Xi und Modi in Bewegung, sagt China-Stratege Andrew Leung in Hongkong.
    "Es ist eine Art Neu-Ausrichtung, es gibt Rivalitäten, Konkurrenz und Meinungsverschiedenheiten, aber es gibt auch viele Bereiche für die Zusammenarbeit in einer Welt, die zunehmend ein globales Dorf wird."
    Doch zunächst geht es darum, den Modi-Besuch in China spannungsfrei über die Bühne zu bekommen - ohne Brüskierungen wie letztes Jahr. Denn ausgerechnet als Xi Jinping 2014 zu seinem Antrittsbesuch in Indien war, drangen chinesische Soldaten an der umstrittenen Grenze im Himalaya auf indisches Territorium vor. Ein ähnliches "Missgeschick" soll sich diesmal auf keinen Fall wiederholen.