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China und Russland
"Wir werden damit leben müssen"

Russland verkauft Gas an China. Beide Länder haben einen Liefervertrag für Erdgas in dreistelliger Milliardenhöhe abgeschlossen. Das Geschäft sei für Russland vermutlich wichtiger als für China, sagte Moritz Rudolf vom Berliner Mercator-Institut für China-Studien im Deutschlandfunk.

Moritz Rudolf im Gespräch mit Dirk Müller |
    Miller und Zhou posieren mit den Verträgen in roten Mappen in Händen für die Kameras, vor ihnen zwei kleine Flaggen Russlands und Chinas, links hinter ihnen der applaudierende Putin
    Russlands Präsident Wladimir Putin, CEO-Chef Alexei Miller und CNPC-Chef Zhou Jiping nach der Unterzeichnung des Gasvertrags (picture alliance / dpa / Alexei Druzhinin)
    30 Jahre lang soll der russische Konzern Gazprom bis zu 38 Milliarden Kubikmeter Erdgas jährlich ins Nachbarland leiten - im Wert von umgerechnet 290 Milliarden Euro.
    Dirk Müller: Fundiert belegen können das viele westliche Beobachter gar nicht so richtig, aber es ist irgendwie ein mulmiges Gefühl, was sich da einstellt, wenn Wladimir Putin nach China reist, wenn der russische Präsident auf den chinesischen Präsidenten trifft, wenn beide Seiten enger zusammenarbeiten wollen, politisch und wirtschaftlich, eine neue Allianz vielleicht in Zeiten der Ukraine-Krise, in Zeiten der Syrien-Krise, vor allem auch in Zeiten der Energiekrise.
    China und Russland wollen enger zusammenarbeiten, wollen enger zusammenrücken. Das Gasgeschäft ist unter Dach und Fach. Zehn Jahre haben beide Seiten darüber verhandelt, nun steht es. Darüber sprechen wollen wir mit Moritz Rudolf vom Mercator Institut für China-Studien. Guten Tag.
    Moritz Rudolf: Guten Tag.
    Müller: Herr Rudolf, kann uns das recht sein, was da jetzt alles passiert?
    Rudolf: Wir werden damit leben müssen. Es gibt keinen Einfluss, den Europa auf den Deal zwischen Russland und China hätte nehmen können. Mit dieser Situation, die wir dort haben: Es ist für Russland auf der einen Seite eine komfortable Situation. Sie haben es geschafft, nicht weiter isoliert zu werden. Und für die chinesische Seite ist es natürlich gut, jetzt sehr wahrscheinlich einen besseren Preis bekommen zu haben.
    Müller: Das steht für Sie fest, Wladimir Putin ist dort hingereist und hat diesen Preisnachlass, diesen Discount-Gaspreis im Gepäck gehabt?
    Rudolf: Ich würde in die Richtung tendieren.
    Russland kann China Energie und Rohstoffe bieten
    Müller: Was er gegenüber der Ukraine nicht tut?
    Rudolf: Nein.
    Müller: Reden wir über die chinesische Position, über die chinesischen Erwartungen. Was kann Russland China bieten?
    Rudolf: Russland kann China vor allem Energie und Rohstoffe bieten.
    Müller: In welcher Dimension? Erklären Sie uns das ein bisschen, bitte.
    Rudolf: China hat auf der einen Seite sehr große Interessen an Kohle und auf der anderen Seite auch an Öl und an Erdgas. Das sind Gebiete, die vor allem im Osten von Eurasien von Russland an China geliefert werden können, und für China ist das natürlich eine sehr gute Situation, davon sehr viel zu bekommen, da es nämlich einen sehr großen wirtschaftlichen Aufschwung in China gibt und der auch durch Energie gedeckt werden muss.
    Müller: Ich habe gefragt, was kann Russland bieten. Heißt das, dass China Russland braucht?
    Rudolf: Ich würde sagen, dass mittlerweile Russland China eher braucht als China Russland, weil China noch Alternativen hat in Zentralasien oder auch in Myanmar.
    Müller: Wer könnte denn China da noch weiterhelfen?
    Rudolf: Auf der einen Seite Zentralasien, wenn es gerade um Energie geht, und auf der anderen Seite Myanmar.
    Kein Vertrauen zwischen China und Russland
    Müller: Haben Sie gerade gesagt. Aber etwas genauer: Zentralasien, was heißt das? Wer kommt da in Frage? Wer hat so viel Energie zu verkaufen, dass er damit China versorgen kann?
    Rudolf: Am ehesten ist da die Pipeline von Turkmenistan, die über Kasachstan nach China geht, zu nennen. Turkmenistan.
    Müller: Sonst noch jemand?
    Rudolf: Kasachstan, aber bei Kasachstan wird es natürlich relativ schwierig sein, weil da die russischen und die chinesischen Interessen aufeinanderstoßen.
    Müller: Zentralasien – ist das eine politische Region, die von der Führung in Peking rational und vor allen Dingen planbar eingestuft werden kann?
    Rudolf: Ich denke, dass man es zumindest versucht, dass man es mittlerweile auch schafft, einer der größten Handelspartner in der Region zu sein, dass man in einer Region, die früher von Russland dominiert wurde, den Fuß in die Tür setzen konnte, und ich gehe davon aus, dass die Chinesen es schaffen werden, dort sich zu positionieren, auch gegenüber Russland.
    Müller: Herr Rudolf, schauen wir auch mal auf die Sicherheitskonferenz. Wir haben das eben schon mit Ruth Kirchner in Peking thematisiert. Das Ganze findet statt in Schanghai, und dort hat der chinesische Präsident, um das noch mal zu wiederholen, gesagt, wir brauchen eine neue Architektur in der Sicherheitskonfiguration in Asien. Der Iran kann da dabei sein, Russland kann dabei sein, viele andere Staaten auch, aber alles ohne die Vereinigten Staaten. Ist das der Weg, der die Zukunft skizzieren soll?
    Rudolf: Ich würde diese Konferenz nicht überbewerten. Ich würde auch das Papier nicht überbewerten. Ich denke, dass es wichtig ist, dass Vertrauen zwischen den Ländern bestehen sollte, und gerade zwischen China und Russland gehe ich nicht davon aus, dass dieses Vertrauen besteht. Auf der anderen Seite handelt es sich natürlich auch um einen Fingerzeig gegen die USA, dass China die eigenen Konflikte, die sie betreffen, ohne die USA lösen möchte.
    Den Amerikanern werden die Konflikte langfristig zu teuer
    Müller: Und kann China ohne Washington weiter vorankommen?
    Rudolf: In Asien mittel- und langfristig, würde ich sagen, ja.
    Müller: Wie kommen Sie darauf?
    Rudolf: Weil wir nämlich schon sehen durch die Teilnahme von den verschiedenen Staaten aus dieser Region – und bisher kam von der amerikanischen Seite noch keine große Kritik -, gehe ich davon aus, dass es für die Amerikaner langfristig zu teuer sein wird, sich bei jedem einzelnen Konflikt dort einzumischen.
    Müller: Helfen Sie uns da noch einmal weiter. Wo sind die größten Einflusssphären der Amerikaner in Südostasien, in Asien? Was ist da noch geblieben?
    Rudolf: Die Philippinen, auf der anderen Seite noch Japan. Der Besuch von Obama kürzlich zeigte ja, dass man auch dort mehr Militärpräsenz zeigen möchte. Auf der anderen Seite ist in der amerikanischen Basis in Guam eine Zentralisierung auch nicht in ihrem Interesse. Aber ich würde aufzählen Japan und die Philippinen vor allem.
    Müller: Wie passt das denn alles damit zusammen, dass ja auch der amerikanische Präsident Barack Obama noch vor kurzer Zeit seine Arme geöffnet hat in Richtung China, sehr stark an diesen Beziehungen zu Peking interessiert ist? Politisch haben beide daran gearbeitet, die Situation zu entspannen. Auch in vielen internationalen Konflikten haben sie versucht, zunehmend zusammenzuarbeiten, wie beispielsweise auch im Weltsicherheitsrat in New York. Ist das ein Widerspruch oder ist das die andere Seite der Medaille?
    Rudolf: Ich würde sagen, es ist die andere Seite der Medaille. China versucht, in jeder Situation so pragmatisch wie möglich vorzugehen. Es schließt es auf gar keinen Fall aus, mit den USA zu verhandeln. Auf der anderen Seite möchte man auch ganz pragmatisch die eigenen territorialen Interessen in Asien durchführen und wird sich da auch nicht hineinreden lassen wollen.
    Müller: Ist China politisch gesehen immer noch expansiv orientiert?
    Proteste gegen zu starke Annäherung in Taiwan
    Rudolf: Ich würde sagen, dass es primär ökonomisch expansiv orientiert ist.
    Müller: Auch mit Blick auf Taiwan?
    Rudolf: Ich denke, das mit Blick auf Taiwan ist eine sehr, sehr schwierige Frage. Ich denke, dass sich China und Taiwan in der letzten Zeit weiter angenähert haben, aber, wie die Proteste in Taiwan auch gezeigt haben, es gibt nicht eine hundertprozentige Übereinstimmung.
    Müller: Und das, was wir offiziell aus Peking hören, das, was wir jetzt von dieser Sicherheitskonferenz gehört haben - wir haben darüber gesprochen -, ist das innerhalb der Führungselite in Peking unumstritten?
    Rudolf: Ich würde sagen, dass man die chinesische Außenpolitik nicht als einen einheitlichen Block auffassen kann. Wie die einzelnen Meinungsgruppen verteilt sind, das ist sehr schwierig zu beurteilen, weil es nicht besonders transparent ist.
    Müller: Aber es gibt noch andere Kräfte, die andere Interessen haben?
    Rudolf: Ich denke, dass es in jeder Partei, in jeder Gruppe immer unterschiedliche Strömungen gibt. In China wird das nicht anders sein.
    Müller: Danke nach Berlin - Moritz Rudolf vom Mercator Institut für China-Studien. Einen schönen Tag!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.