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Chinas politische Führung
Verplante Hilflosigkeit in der Krise

Die politische Führung in Peking hat mit Kontrollverlust zu kämpfen. Die chinesische Regierung schafft es nicht, das Vertrauen der Anleger an den Börsen wieder zu gewinnen. Zudem stocken die wirtschaftlichen Reformen. Chinas Führung spricht von einer "neuen Normalität". Kritiker sagen hingegen: Die Führung hat die Lage nicht im Griff.

Von Axel Dorloff | 28.01.2016
    Ein Händler blickt auf eine elektronische Anzeigetafel. Der Aktienhandel in China wurde für den Rest des Tages wegen der fallenden Kurse gestoppt.
    Anleger haben derzeit kein Vertrauen in den Markt. (doa/MAXPPP)
    Frühstückszeit im Qingfeng-Restaurant in Peking. Ab 6.30 Uhr wird hier das Menü nach Art des Vorsitzenden serviert. Baozi: Das sind Teigtaschen, mit Gemüse oder Gehacktem gefüllt. Dazu geschmorte Schweineleber in dicker brauner Soße und kaltes Gemüse. Die Lieblingsspeise des Präsidenten: Staats- und Parteichef Xi Jinping stand hier vor zwei Jahren höchstpersönlich am Tresen.
    "Das Restaurant ist berühmt, weil Präsident Xi hier war, um zu frühstücken. Ich bin gekommen, um es deshalb auszuprobieren."
    Ye Shujun kommt aus Fujian – arbeitet in der Medizintechnik und ist auf Geschäftsreise in Peking. Sie vertraut dem Frühstücks-Geschmack ihres Präsidenten. Fragt man sie aber nach der aktuellen wirtschaftlichen und politischen Lage in China, wird sie vorsichtig skeptisch.
    "Ich mache mir Sorgen über die derzeitige Situation. Das Auf und Ab an den Börsen, die Unsicherheit der Märkte. Das hat ja auch Auswirkungen auf die Geschäfte der Wirtschaft. Ich glaube, dass die Wirtschaftskrise früher oder später kommt. Und die Regierung wird damit umgehen."
    Aber wie - das fragen sich viele in China. Wenn auch meist hinter vorgehaltener Hand, weil offene Kritik an der chinesischen Führung nicht zum Alltag gehört. Einer der wenigen, die sich kritisch äußern, obwohl es sehr gefährlich sein kann, ist Zhang Lifan. Historiker, Politikwissenschaftler und ein bekannter politischer Kommentator.
    "Die regelmäßigen Beben an der Börse lassen die Menschen zweifeln, ob die regierende Klasse überhaupt genug von Wirtschaft versteht. Und welche Empfehlungen die politischen Berater eigentlich abgeben, dass die Führer in Peking solche Entscheidungen treffen. Wenn die Wirtschaft aufhört zu wachsen oder sich weiter abschwächt, sind soziale Unruhen durchaus möglich."
    Chinas Steuermänner machen sich angreifbar
    Die erfolglosen und dazu kopflos wirkenden Reaktionen auf die Börsenbeben lassen an der Weisheit der Technokraten in Peking zweifeln. Chinas Steuermänner machen sich angreifbar: ein Schutzmechanismus für die Börse, der nach wenigen Tagen wieder abgeschafft wird. Ein Verkaufsverbot für Großinvestoren, das eingeführt, abgeschafft und dann wieder eingeführt wird. Wichtige Wirtschaftsindikatoren, die Monat für Monat nach unten zeigen. Chinas Führung wirkt unsicher, sagt Zhang Lifan.
    "Wenn ich mir die derzeitige Lage angucke, scheint die Regierung das immer weniger im Griff zu haben. Es werden viele Fehler gemacht und falsche Entscheidungen getroffen. Wenn es so weiter geht, kommandiert unsere Führung die Wirtschaft in eine unüberschaubare Lage. Das Jahr 2016 kann sehr schwierig werden. Es ist möglich, dass eine Wirtschaftskrise auch eine politische Krise auslöst."
    China hat 30 Jahre auch nach dem Prinzip funktioniert: Die Partei sorgt für wachsenden Wohlstand - dafür verzichten die Menschen auf politische Freiheiten. Wenn die Partei ihr Wohlstandsversprechen aber nicht mehr einhalten kann - dann kann das Konsequenzen haben. In China ist Vertrauen in die politische Führung verloren gegangen, gestärkt hat das die Machtbasis der Kommunistischen Partei nicht. Auch wenn viele noch mit Gleichmut nehmen, wie Lu Hui. Er kommt jeden Morgen in den Frühstücksladen Qingfeng, bestellt Hirsebrei und Teigtaschen mit Rinderhack. Nicht das Menü nach Art des Vorsitzenden.
    "Es ist alles so la la. Ich kann nicht sagen zufriedenstellend oder nicht zufriedenstellend. Weil wir in diese Gesellschaft geboren sind, ist es halt so. Wie haben keine Wahl."