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"Chinesen bewegen sich sicherlich mehr, als das viele vorher erwartet haben"

Im Hinblick auf das Tauziehen bei der Klimakonferenz auf Bali hat Sven Harmeling, Klimaexperte der Umweltschutzorganisation Germanwatch, darauf hingewiesen, dass die Schwellenländer eine "konstruktive Rolle" spielen. Insbesondere China, Mexiko und Südafrika gehörten neben der EU zu den "dynamischsten Akteuren" bei den Verhandlungen.

Moderation: Christoph Heinemann |
    Christoph Heinemann: Die Zähigkeit, mit der auf der Insel Bali um Semantik, Syntax und Interpunktion gerungen wird, lässt für das Klima nichts Gutes erwarten. Die Teilnehmer der Weltklimakonferenz feilen an einem Kompromiss, der unterschiedliche Vorstellungen unter einen Hut bringen muss. Bildlich gesprochen und hinsichtlich der Emissionen auch im wörtlichen Sinne treten die einen aufs Gas, während die anderen bremsen. Diesen Fahrstil wollen sich einige an Ort und Stelle nicht bieten lassen. Am Telefon ist Sven Harmeling, Klimaexperte der Umweltschutzorganisation Germanwatch. Guten Tag!

    Sven Harmeling: Guten Abend hätte ich fast gesagt; hier ist es nämlich schon dunkel.

    Heinemann: Wir erreichen Sie nämlich auf Bali und dort werde wie üblich geschachert, getrickst, verhandelt und gedroht, aber diesmal sei es wirklich ernst. Das schreibt zumindest heute die "Süddeutsche Zeitung". Können Sie das bestätigen? Sind alle ernsthaft dabei?

    Harmeling: Es sind schon alle ernsthaft dabei, aber natürlich unterschiedlich ernsthaft. Die USA und Russland spielen so ein bisschen ihre Rolle, die sie sonst auch spielen, wobei die USA heute doch deutliche Signale gemacht haben, dass sie bereit sind, sich zu bewegen. Ganz wichtig ist, dass die Schwellenländer, insbesondere China, Mexiko und Südafrika, hier eine ganz konstruktive Rolle spielen. Da wurde ja immer viel gefragt: Was machen die denn und wollen die überhaupt etwas beitragen? Die gehören aber wirklich neben der EU zu den dynamischsten Akteuren hier bei den ganzen Verhandlungen.

    Heinemann: Wohin bewegen sich die USA?

    Harmeling: Das sind bisher aber alles nur Gerüchte, weil es noch keine neuen offiziellen Texte gibt. Heute sickerte durch, dass die USA mittlerweile bereit sein sollen, das Ziel zu akzeptieren, dass bis Mitte des Jahrhunderts die globalen Emissionen deutlich mehr als 50 Prozent gegenüber dem Jahr 2000 verringert werden sollten. Das ist natürlich ein ganz wichtiges Langfristziel. Dem hatten die USA bei dem G8-Gipfel in diesem Jahr nur ganz wage zugestimmt, dass sie das mal in Betracht ziehen. Das alleine wäre nicht ausreichend. Wir müssen natürlich noch mehr schaffen, müssen aber auch realistisch anerkennen, dass die USA einfach immer noch eine Bush-Regierung sind und noch nicht die großen Klimaschützer sind, auch wenn sie das manchmal gerne behaupten.

    Heinemann: Denn gemessen an dem EU-Vorschlag ist das nicht viel. Der sieht ja vor, bis 2020 25 bis 40 Prozent weniger Treibhausgase in die Atmosphäre entweichen zu lassen.

    Harmeling: Das ist vollkommen richtig. Es wird momentan noch verhandelt, ob man diese Zielmarke von 25 bis 40 Prozent zumindest noch in den entscheidenden Dokumenten der Kyoto-Verhandlungsrunde drin hat. Da sind die USA ja nicht dabei. Man geht im Grunde davon aus, oder es ist durchaus sehr wahrscheinlich, dass selbst wenn man es jetzt nicht drin hat, dann bei einer neuen US-Regierung das Ganze doch sehr viel anders diskutiert werden könnte. Bei den anderen Industrieländern merkt man schon ganz stark - Neuseeland, die EU sowieso -, dass die 25 bis 40 Prozent zum großen Teil schon akzeptiert sind. Selbst wenn sie nachher nicht im Papier auftauchen würden, ist das noch nicht Konsens, aber spielt ganz stark mit und daran werden sich auch die Verhandlungen in den nächsten zwei Jahren auf jeden Fall orientieren. Aber je mehr wir das jetzt rein kriegen, desto besser und da hoffe ich, dass die EU auch so standhaft wie möglich bleibt.

    Heinemann: Herr Harmeling, ab wann wäre ein Kompromiss für Sie noch akzeptabel, bis wohin, und ab welchem Punkt röche er für Sie faul?

    Harmeling: Das ist natürlich immer schwer zu sagen, weil man muss am Ende das ganze Dokument sehen. Wenn jetzt überhaupt nichts von Zielen darin stehen würde, wenn dieses Langfristziel 2050 nicht darin stehen würde, gar nichts bis 2020 und auch keine Diskussion über wirklich quantitative Reduktionsverpflichtungen für die Industrieländer, dann wäre es ganz schwach. Die USA hatten heute Nacht einen Textvorschlag vorgelegt, der wirklich unakzeptabel war. Das wird es aber nicht sein. Wenn ich es mit heute Morgen vergleiche, dann bewegen wir uns schon in die richtige Richtung. Was wie gesagt ganz wichtig ist, auch über das hinaus, was letztlich auf dem Papier stehen wird: die Grundstimmung hier, die doch in eine sehr gute Richtung geht. Wir stehen halt am Anfang von einem Prozess, der hoffentlich höchstens zwei Jahre dauern wird, und wir müssen dann wirklich mal das Schlussdokument komplett vorliegen haben und unsere Bewertung vornehmen. Wir gehen aber nicht davon aus, dass es hier zum großen Eklat kommt, den man vollkommen ablehnen muss.

    Heinemann: Herr Harmeling, Sie sprachen eben von den Schwellenländern, also den jungen Industriestaaten. China zeige sich durchaus verhandlungswillig, wird gesagt und aus Bali gemeldet. Wie beurteilen Sie das? Sind die Chinesen berechnend konstruktiv, wohl wissend, dass die Bush-Regierung sich nicht wesentlich bewegen wird?

    Harmeling: Nein. Ich würde es schon als ernsthaft einschätzen, in dem Rahmen, in dem sie sich zum jetzigen Zeitpunkt auch vorbewegen können. Eben war schon mal angesprochen worden, dass es gestern diese Einigung zum Technologietransfer gab, und das war für die Chinesen wirklich ein ganz, ganz wichtiges Thema. Danach hat man gemerkt: Sie sind jetzt auch viel offener, über deutlichere Zusagen zu verhandeln. Sie wissen natürlich auch, dass die USA unter Zugzwang kommen. Wenn die Chinesen etwas auf den Tisch legen, Südafrika und andere Länder, dann müssen die USA sich natürlich auch bewegen, weil die USA immer argumentiert haben, solange China nichts macht, machen wir auch nichts. Das ist jetzt schon in die Dynamik hinein gekommen und von daher muss man wirklich sagen, die Chinesen bewegen sich sicherlich mehr als das viele vorher erwartet haben. Wir haben es erhofft, aber nicht unbedingt erwartet.

    Heinemann: Frage zum Schluss an den Klimaexperten. Welche sind die drei wichtigsten Klimaschutzmaßnahmen, die jeder einzelne Bürger ergreifen sollte und könnte?

    Harmeling: Die erste, die ich nennen würde, wäre der Wechsel zu einem guten unabhängigen Ökostromanbieter. Das ist auch eine der leichtesten Maßnahmen, die man machen kann. Da muss man in der Regel nur ein DIN-A4-Blatt ausfüllen. Ein zweiter Punkt ist der: Wenn sie sich entscheiden, in Urlaub zu fliegen, oder auch eine Dienstreise mit dem Flugzeug machen, dann sollten sie zumindest diese Emissionen mit einem guten Anbieter - und da empfehlen wir immer "Atmosfair" - kompensieren, weil Fliegen doch extrem klimaschädlich ist im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln. Das dritte, vielleicht eine eher langfristige Maßnahme: Im Gebäudebereich können wir in Deutschland noch ganz, ganz viel CO2 und auch Energie sparen. Wenn jemand zum Beispiel sein Haus saniert, dann sollte er es wirklich auf einen sehr guten Energiestandard bringen und das rechnet sich auch über einen längeren Zeitraum.

    Heinemann: Sven Harmeling, Klimaexperte der Umweltschutzorganisation Germanwatch. Danke schön Richtung Bali für das Gespräch und auf Wiederhören.