
Christfluencer erreichen ein großes Publikum über Social Media und Podcasts. Ihnen folgen Hunderttausende. Sie vertreten konservative Werte wie traditionelle Geschlechterrollen und sprechen sich gegen Abtreibung oder LGBTQ-Rechte aus. Zunehmend entsteht dabei eine Verbindung zu rechtspopulistischen Strömungen, teils auch mit Nähe zur AfD.
Inhalt
- Was sind Christfluencer und welche Botschaften vertreten sie?
- Welche Strategien nutzen Christfluencer auf Social Media?
- Gibt es Verbindungen zwischen Christfluencern und rechtspopulistischen Akteuren in Deutschland?
- Wen sprechen Christfluencer an und was macht die Bewegung für junge Menschen so attraktiv?
- Wie reagiert die Evangelische Kirche auf diesen Trend?
Was sind Christfluencer und welche Botschaften vertreten sie?
Christfluencer sind Influencer, die über soziale Medien ihren christlichen Glauben inszenieren, verbreiten und vermarkten. In Deutschland gehören Jasmin Friesen mit ihrem Account "Liebe zur Bibel" und Jana Highholder zu den bekanntesten Vertreterinnen. Sie kombinieren evangelikal geprägten Glauben mit einem streng konservativen Weltbild. Sie propagieren Keuschheit vor der Ehe, klare Geschlechterrollen, die Unterordnung der Frau und lehnen Sex vor der Ehe, LGBTQ-Rechte, Feminismus und Abtreibung strikt ab.
Sie zitieren selektiv Bibelstellen, um ihre Positionen zu begründen, und stellen ein patriarchales Familienmodell als gottgewollt dar. Theologin Claudia Jetter von der Humboldt-Universität in Berlin ordnet das als Teil der "Purity Culture" ein. Diese Bewegung stammt aus den USA und erhebt Keuschheit und heteronormative Ehe zum Kern der christlichen Identität.
Auf Deutschlandfunk-Anfrage schreibt Jasmin Friesen, sie lege nicht jeden Bibelvers wörtlich aus. Sie glaube jedoch, dass die Bibel das von Gott inspirierte Wort sei und das Gottes Wahrheit nicht veralte. Wie bei anderen Influencern gehe es auch bei Christfluencern auch um das Geschäft, erklärt Religionssoziologe Gert Pickel von der Universität Leipzig:
Jana Highholder betrieb von 2018 bis 2020 im Auftrag der Evangelischen Kirche einen YouTube-Kanal über ihren Glauben, bis die Zusammenarbeit beendet wurde - offiziell aus finanziellen Gründen. Heute vermarktet die Ärztin eigene Bücher, einen Online-Kurs und bietet in ihrer Praxis Schönheitsbehandlungen an.
Jasmin Friesen verkauft in ihrem Onlineshop Bibeln für bis zu 90 Euro, christlichen Schmuck und eigene Kinderbücher.
Welche Strategien nutzen Christfluencer auf Social Media?
Die Christfluencerinnen verpacken ihre Botschaften geschickt: Sie beginnen mit Alltagsszenen, Stylingtipps oder emotionalen Einblicken in ihr persönliches Leben und gleiten fast unmerklich in politische oder religiöse Positionierung über. Religionssoziologe Gert Pickel von der Universität Leipzig nennt diese Mischung aus Identifikation und Ideologisierung "subtil und manipulativ".
Sie schaffen vermeintliche Nähe, vermitteln damit das Gefühl "Ich bin wie ihr", und präsentieren sich gleichzeitig als moralische Instanz. Zwischen Alltag und Make-up-Tipps sprechen sie über Bibeltreue, "Verführung durch den Teufel", äußern Kritik an liberaleren Christen und präsentieren ein enges Regelwerk aus Gehorsam, Reinheit und Ausgrenzung - verkauft mit Lippenstift, Bibelvers und Insta-Ästhetik.
Durch diese Mischung wirken sie authentisch und erzielen hohe Reichweiten. Die Inhalte sind häufig emotional verfasst, vereinfachend und dogmatisch. Dieser Stil funktioniert gut in sozialen Netzwerken.
Gibt es Verbindungen zwischen Christfluencern und rechtspopulistischen Akteuren in Deutschland?
Die Nähe zu politischen Rechten zeigt sich nicht nur Inhalten, sondern auch in konkreten Allianzen. Jasmin Friesen etwa veröffentlichte ein Interview mit AfD-Politikerin Alice Weidel, geführt vom rechten YouTuber Leonard Jäger ("Ketzer der Neuzeit"), der auch Beatrix von Storch oder Hans-Georg Maaßen interviewt hat.
Jäger präsentiert sich als neubekehrter Christ und betreibt einen Mix aus Antifeminismus, Anti-Woke-Aktivismus und Bibelposting. Gemeinsam mit Friesen betreibt er sogar eine "christliche" Modemarke. Theologe Martin Fritz warnt: Es wird dann rechtspopulistisch, wenn solche Familienwerte normativ absolut gesetzt und aggressiv vertreten werden. Genau das passiert auf vielen dieser Kanäle.
Friesen hält die Kooperation für unproblematisch und betont, sie sei unpolitisch. In einem Posting, in dem sie Fragen des Deutschlandfunks auf ihrem Kanal öffentlich beantwortet, zieht sie sich auf ihren christlichen Glauben zurück. „Ich werde mich nicht von parteipolitischen Etiketten oder medialen Erwartungshaltungen davon abhalten lassen, mit Menschen zu reden.“
In ihrer Argumentation nutzen Christfluencer nicht selten rechtspopulistische Muster, inszenieren sich als Opfer oder Märtyrer, argumentieren polemisch gegen Geschlechtervielfalt und queere Lebensformen. Religionssoziologe Gert Pickel von der Universität Leipzig sieht darin eine gefährliche Verbindung von "fundamentalistischem Christentum" mit "rechts bis rechtsextrem ausgerichteten politischen Haltungen".
Besonders problematisch sei die aggressive Abgrenzung gegenüber allen, die nicht in dieses Weltbild passen, warnt Theologe Martin Fritz. Diese Inhalte seien nicht nur konservativ, sondern in ihrer Absolutheit und Emotionalisierung deutlich rechtspopulistisch geprägt. Highholder verwende immer wieder Strategien, die für Rechtspopulismus kennzeichnend seien, dies präge aber ihr Auftreten in den sozialen Medien nicht durchgängig.
Wen sprechen Christfluencer an und was macht die Bewegung für junge Menschen so attraktiv?
Ihre Inhalte sind vor allem für junge Menschen zwischen 20 und 30 Jahren und insbesondere Frauen attraktiv, die nicht nur in Glaubensfragen nach Orientierung suchen. Christfluencer kombinieren konservative Inhalte mit moderner Ästhetik. Sie sprechen über Reinheit, Keuschheit, klare Geschlechterrollen und damit über Themen, die Sicherheit und Identität versprechen. Gleichzeitig grenzen sie Andersdenkende aus und bedienen sich einer Endzeit-Rhetorik.
Vor allem junge Menschen auf der Suche nach Sinn und Zugehörigkeitsgefühl können durch die emotionale Aufladung und klare Weltbilder stark beeinflusst werden. Die Mischung aus Glauben, Konsum, Aktivismus und Ideologie birgt laut Experten erhebliche gesellschaftliche Sprengkraft.
Wie reagiert die Evangelische Kirche auf diesen Trend?
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) zeigt sich besorgt über die zunehmende Radikalisierung und die engen Verbindungen von Christfluencern zum rechten Spektrum. Dennoch vermeidet sie eine offene Konfrontation: Man wolle den Dialog mit evangelikalen Gruppen nicht abbrechen. Laut Gert Pickel wolle die EKD "ein weites Spektrum halten" und bleibe darum oft auffallend leise.
Zwar fördert sie eigene liberale Influencer wie Pastorin Theresa Brückner ("Gott diskriminiert nicht"), die sich für ein offeneres, inklusives Gottesbild einsetzt. Doch der Zweifel bleibt, ob diese Strategie dem Zulauf und dem Einfluss der rechts-konservativen Szene gewachsen ist.
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