Christoph Heinemann Am Sonntag wird dies voraussichtlich auch noch einmal zur Sprache kommen, wenn die Staats- und Regierungschefs Großbritanniens, Frankreichs, Italiens, der Niederlande, Spaniens, Tschechiens und Luxemburg das G20-Gipfeltreffen am 2. April in London vorbereiten werden. Die Gastgeber heißen Angela Merkel und Peer Steinbrück und nach G7 und vor G20 haben wir mit Christine Lagarde gesprochen, ich habe die französische Wirtschafts- und Finanzministerin gefragt, ob sich bereits Regeln für den internationalen Finanzmarkt nach der Krise abzeichnen.
Christine Lagarde: Mich hat während des G7-Treffens ermutigt, dass alle Teilnehmer zweierlei für notwendig halten: Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft und eine Reform des internationalen Finanzmarktes, zwei Wege, die parallel beschritten werden müssen, um das Vertrauen wieder herzustellen und das Wachstum zu beleben. Dafür müssen wir klare Signale aussenden, wir benötigen Regeln für den Finanzmarkt und Transparenz, so dass die Handelnden wieder vertrauensvoll arbeiten können, ohne unsere Wirtschaft Risiken auszusetzen.
Christoph Heinemann Aber die Briten widersetzen sich strengen Regeln. Riskiert Europa einmal mehr, keine gemeinsame Antwort finden zu können?
Lagarde: Ich hoffe, dass wir so solidarisch sein werden, dass wir eine gemeinsame Antwort finden können. Solche gemeinsamen Antworten sind immer das Ergebnis von Kompromissen. Ich hoffe, dass vor allem bei den spekulativen Fonds, den Hedgefonds, bei den Bewertungsagenturen und der Art und Weise, wie sie Finanzakteure und Finanzprodukte bewerten, bei den Vergütungen der Börsenhändler, die nicht prozyklisch sein sollten, so dass auf Börsentrends spekuliert wird und nicht so gewährt werden, dass sie Krisen beschleunigen, dass wir also in diesen Punkten Fortschritte erzielen. Und dann gibt es noch die sogenannten unkooperativen Zentren mit ihren Steuer- oder Bankgeheimnissen, die gefährliche schwarze Löcher in der Finanzwelt bilden. Auch in diesem Punkt müssen wir weiterkommen und einen Weg aufzeigen, der es ermöglicht, dass diese schwarzen Löcher nicht weiter existieren.
Christoph Heinemann Und Sie sind optimistisch, dass eine Übereinkunft innerhalb der Europäischen Union gefunden werden kann?
Lagarde: Um eine Übereinkunft der 27 geht es zunächst am 22. Februar in Berlin bei der Bundeskanzlerin mit den europäischen G20-Staaten, und dann wird am 1. März beim Treffen mit der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft ein Konsens angestrebt. Ich halte es für ausgesprochen wichtig, dass wir in den Themenfeldern, die ich eben genannt habe, die Entschiedenheit der Staaten signalisieren, die für Disziplin zwischen den Finanzakteuren sorgen wollen.
Christoph Heinemann Informationen am Morgen im Deutschlandfunk, ein Interview mit der französischen Wirtschafts- und Finanzministerin Christine Lagarde.
Frau Ministerin, die französische Regierung wird zurzeit wegen ihres Hilfsplans für die Automobilindustrie kritisiert, mehrere EU-Staaten sehen darin eine Beeinträchtigung des freien Wettbewerbs. Ist Protektionismus eine Antwort auf die gegenwärtige Wirtschaftskrise?
Lagarde: Nein, Protektionismus ist keine Antwort auf die gegenwärtige Krise, das ist klar. Wir müssen aufpassen, dass nicht Einzelne oder wir alle zusammen die für die Wirtschaft schädlichen Fehler des Jahres 1930 wiederholen. Beim französischen Hilfsplan für die Automobilbranche gibt es keine diskriminierenden Maßnahmen, keine Einschränkung des Handelns. Dieser Plan ist offen. So wird etwa Volvo, welches kein französisches Unternehmen ist, von diesem Hilfsplan profitieren können. Bei Ersatzteilen, bei der Ein- und Ausfuhr von Fahrzeugen gibt es keinerlei Forderungen. Die französischen Hersteller sind selbst ausgesprochen international aufgestellt mit Fabriken in vielen europäischen Staaten. Diese Anschuldigungen halte ich für grundlos, vor allem, weil es sich bei den Hilfen um Darlehen zum Vorzugszinssatz handelt, die mit den Vorschriften der Europäischen Kommission übereinstimmen. Dieser Plan hat keinen protektionistischen Charakter.
Christoph Heinemann Frau Lagarde, Sie kennen die Kritik der Europäischen Kommission, vor allem die Kommissare Kroes und Verheugen haben sich ja entsprechend geäußert. Wie erklären Sie sich diese Kritik?
Lagarde: Wir stehen mit der Europäischen Kommission in einem ständigen Dialog. Der Austausch mit der Kommission ist in diesem Bereich hervorragend.
Christoph Heinemann Produktionsverlagerungen, ob sie einem gefallen oder nicht, die freie Wahl von Zulieferern – das sind Entscheidungen der Unternehmensführung. Bestimmt in Frankreich der Staat die Bedingungen für die Führung der Unternehmen Renault und Peugeot-Citroen?
Lagarde: Nein, überhaupt nicht. Die Automobilunternehmen legen ihre Strategien fest und stellen diese ihren Aktionären vor. Wir haben die Hersteller und die Zulieferer ermuntert, besser zusammenzuarbeiten.
Christoph Heinemann Der Zeitung "Le Figaro" zufolge hat sich Carlos Ghosn, der Chef von Renault, über die Bedingungen, die der Staat stellt, beklagt und hinzugefügt, man ließe ihm keine Wahl.
Lagarde: Man hat immer die Wahl. Im Rahmen einer solchen Verbindung zwischen dem Staat und den Herstellern, wo Liquidität zur Verfügung gestellt wird, müssen Gegenleistungen erbracht werden. So ist das zwischen zwei Vertragspartnern. Es gibt ein Darlehen, einen Zinssatz und vollständig legitime Verpflichtungen, die die Darlehensnehmer eingehen müssen.
Christoph Heinemann Gegenleistungen, die, Ihrer Meinung nach, vollständig mit dem Europäischen Gemeinschaftsrecht übereinstimmen?
Lagarde: Wir arbeiten zusammen mit der Kommission, um sicherzustellen, dass alles richtig ist.
Christoph Heinemann Frau Lagarde, heißt "zusammenarbeiten" auch, dass die französische Regierung ihre Entscheidung gegebenenfalls noch einmal ändern könnte?
Lagarde: Nein, überhaupt nicht. Wir arbeiten die gesamten Maßnahmen in einem engen Dialog mit der Kommission durch. Das ist doch ganz normal. Aber es geht nicht darum, den Entschluss zu ändern.
Christoph Heinemann Frau Lagarde, Staatspräsident Nicolas Sarkozy hat mehrfach die Gründung einer europäischen Wirtschaftsregierung gefordert. Was bedeutet das, und über welche Kompetenzen sollte diese Regierung verfügen?
Lagarde: Wir benötigen heute eindeutig eine bessere Koordinierung. Wir können nur gewinnen, wenn wir zusammenarbeiten und uns miteinander abstimmen. Die Maßnahmen, die in einem Land ergriffen werden, haben Auswirkungen in einem anderen. Gerade in Krisenzeiten ist eine engere Koordinierung nötig. Das stellt die Rolle, die die Europäische Zentralbank gegenwärtig im Rahmen ihrer notwendigen Unabhängigkeit spielt, nicht in Frage.
Christoph Heinemann Erwarten Sie die Rückkehr der Inflation nach Europa?
Lagarde: Gegenwärtig ist die Inflation sehr gering, aber wir machen mit unseren Konjunkturprogrammen gerade Schulden in nennenswertem Umfang. Wir müssen wegen des Inflationsrisikos sehr wachsam sein. Aber gegenwärtig habe ich innerhalb der Europäischen Union keine Furcht vor Inflation.
Christoph Heinemann Die französische Wirtschafts- und Finanzministerin Christine Lagarde in den Informationen am Morgen im Deutschlandfunk.
Christine Lagarde: Mich hat während des G7-Treffens ermutigt, dass alle Teilnehmer zweierlei für notwendig halten: Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft und eine Reform des internationalen Finanzmarktes, zwei Wege, die parallel beschritten werden müssen, um das Vertrauen wieder herzustellen und das Wachstum zu beleben. Dafür müssen wir klare Signale aussenden, wir benötigen Regeln für den Finanzmarkt und Transparenz, so dass die Handelnden wieder vertrauensvoll arbeiten können, ohne unsere Wirtschaft Risiken auszusetzen.
Christoph Heinemann Aber die Briten widersetzen sich strengen Regeln. Riskiert Europa einmal mehr, keine gemeinsame Antwort finden zu können?
Lagarde: Ich hoffe, dass wir so solidarisch sein werden, dass wir eine gemeinsame Antwort finden können. Solche gemeinsamen Antworten sind immer das Ergebnis von Kompromissen. Ich hoffe, dass vor allem bei den spekulativen Fonds, den Hedgefonds, bei den Bewertungsagenturen und der Art und Weise, wie sie Finanzakteure und Finanzprodukte bewerten, bei den Vergütungen der Börsenhändler, die nicht prozyklisch sein sollten, so dass auf Börsentrends spekuliert wird und nicht so gewährt werden, dass sie Krisen beschleunigen, dass wir also in diesen Punkten Fortschritte erzielen. Und dann gibt es noch die sogenannten unkooperativen Zentren mit ihren Steuer- oder Bankgeheimnissen, die gefährliche schwarze Löcher in der Finanzwelt bilden. Auch in diesem Punkt müssen wir weiterkommen und einen Weg aufzeigen, der es ermöglicht, dass diese schwarzen Löcher nicht weiter existieren.
Christoph Heinemann Und Sie sind optimistisch, dass eine Übereinkunft innerhalb der Europäischen Union gefunden werden kann?
Lagarde: Um eine Übereinkunft der 27 geht es zunächst am 22. Februar in Berlin bei der Bundeskanzlerin mit den europäischen G20-Staaten, und dann wird am 1. März beim Treffen mit der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft ein Konsens angestrebt. Ich halte es für ausgesprochen wichtig, dass wir in den Themenfeldern, die ich eben genannt habe, die Entschiedenheit der Staaten signalisieren, die für Disziplin zwischen den Finanzakteuren sorgen wollen.
Christoph Heinemann Informationen am Morgen im Deutschlandfunk, ein Interview mit der französischen Wirtschafts- und Finanzministerin Christine Lagarde.
Frau Ministerin, die französische Regierung wird zurzeit wegen ihres Hilfsplans für die Automobilindustrie kritisiert, mehrere EU-Staaten sehen darin eine Beeinträchtigung des freien Wettbewerbs. Ist Protektionismus eine Antwort auf die gegenwärtige Wirtschaftskrise?
Lagarde: Nein, Protektionismus ist keine Antwort auf die gegenwärtige Krise, das ist klar. Wir müssen aufpassen, dass nicht Einzelne oder wir alle zusammen die für die Wirtschaft schädlichen Fehler des Jahres 1930 wiederholen. Beim französischen Hilfsplan für die Automobilbranche gibt es keine diskriminierenden Maßnahmen, keine Einschränkung des Handelns. Dieser Plan ist offen. So wird etwa Volvo, welches kein französisches Unternehmen ist, von diesem Hilfsplan profitieren können. Bei Ersatzteilen, bei der Ein- und Ausfuhr von Fahrzeugen gibt es keinerlei Forderungen. Die französischen Hersteller sind selbst ausgesprochen international aufgestellt mit Fabriken in vielen europäischen Staaten. Diese Anschuldigungen halte ich für grundlos, vor allem, weil es sich bei den Hilfen um Darlehen zum Vorzugszinssatz handelt, die mit den Vorschriften der Europäischen Kommission übereinstimmen. Dieser Plan hat keinen protektionistischen Charakter.
Christoph Heinemann Frau Lagarde, Sie kennen die Kritik der Europäischen Kommission, vor allem die Kommissare Kroes und Verheugen haben sich ja entsprechend geäußert. Wie erklären Sie sich diese Kritik?
Lagarde: Wir stehen mit der Europäischen Kommission in einem ständigen Dialog. Der Austausch mit der Kommission ist in diesem Bereich hervorragend.
Christoph Heinemann Produktionsverlagerungen, ob sie einem gefallen oder nicht, die freie Wahl von Zulieferern – das sind Entscheidungen der Unternehmensführung. Bestimmt in Frankreich der Staat die Bedingungen für die Führung der Unternehmen Renault und Peugeot-Citroen?
Lagarde: Nein, überhaupt nicht. Die Automobilunternehmen legen ihre Strategien fest und stellen diese ihren Aktionären vor. Wir haben die Hersteller und die Zulieferer ermuntert, besser zusammenzuarbeiten.
Christoph Heinemann Der Zeitung "Le Figaro" zufolge hat sich Carlos Ghosn, der Chef von Renault, über die Bedingungen, die der Staat stellt, beklagt und hinzugefügt, man ließe ihm keine Wahl.
Lagarde: Man hat immer die Wahl. Im Rahmen einer solchen Verbindung zwischen dem Staat und den Herstellern, wo Liquidität zur Verfügung gestellt wird, müssen Gegenleistungen erbracht werden. So ist das zwischen zwei Vertragspartnern. Es gibt ein Darlehen, einen Zinssatz und vollständig legitime Verpflichtungen, die die Darlehensnehmer eingehen müssen.
Christoph Heinemann Gegenleistungen, die, Ihrer Meinung nach, vollständig mit dem Europäischen Gemeinschaftsrecht übereinstimmen?
Lagarde: Wir arbeiten zusammen mit der Kommission, um sicherzustellen, dass alles richtig ist.
Christoph Heinemann Frau Lagarde, heißt "zusammenarbeiten" auch, dass die französische Regierung ihre Entscheidung gegebenenfalls noch einmal ändern könnte?
Lagarde: Nein, überhaupt nicht. Wir arbeiten die gesamten Maßnahmen in einem engen Dialog mit der Kommission durch. Das ist doch ganz normal. Aber es geht nicht darum, den Entschluss zu ändern.
Christoph Heinemann Frau Lagarde, Staatspräsident Nicolas Sarkozy hat mehrfach die Gründung einer europäischen Wirtschaftsregierung gefordert. Was bedeutet das, und über welche Kompetenzen sollte diese Regierung verfügen?
Lagarde: Wir benötigen heute eindeutig eine bessere Koordinierung. Wir können nur gewinnen, wenn wir zusammenarbeiten und uns miteinander abstimmen. Die Maßnahmen, die in einem Land ergriffen werden, haben Auswirkungen in einem anderen. Gerade in Krisenzeiten ist eine engere Koordinierung nötig. Das stellt die Rolle, die die Europäische Zentralbank gegenwärtig im Rahmen ihrer notwendigen Unabhängigkeit spielt, nicht in Frage.
Christoph Heinemann Erwarten Sie die Rückkehr der Inflation nach Europa?
Lagarde: Gegenwärtig ist die Inflation sehr gering, aber wir machen mit unseren Konjunkturprogrammen gerade Schulden in nennenswertem Umfang. Wir müssen wegen des Inflationsrisikos sehr wachsam sein. Aber gegenwärtig habe ich innerhalb der Europäischen Union keine Furcht vor Inflation.
Christoph Heinemann Die französische Wirtschafts- und Finanzministerin Christine Lagarde in den Informationen am Morgen im Deutschlandfunk.
