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CIA-Folterbericht
"Beteiligung deutscher Dienste muss untersucht werden"

In Deutschland müsse ermittelt werden, ob deutsche Institutionen oder Dienste an den Folterpraktiken des US-Geheimdienstes CIA beteiligt waren, sagte die ehemalige Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) im DLF. Auch der Bundestag sollte sich mit dem Thema beschäftigen.

Herta Däubler-Gmelin im Gespräch mit Jasper Barenberg |
    Die ehemalige Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin
    Die ehemalige Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (dpa / pa / Anspach)
    Jasper Barenberg: Es ist im Grundsatz, im Prinzip schon seit Jahren bekannt, dass US-Präsident im Schatten der Anschläge vom 11. September ein geheimes Verhörprogramm entworfen hat und darin auch Folter gegen Verdächtige autorisiert hat. Das berüchtigte Waterboarding gehört dazu oder Schlafentzug. Als Nachfolger im Weißen Haus hat Barack Obama das Programm der CIA umgehend gestoppt. Umfassend und genau dargestellt sind die Methoden aber erst, seit die Demokraten im US-Senat ihren Bericht veröffentlicht haben, gegen den Widerstand der Republikaner. Was soll, was muss aus dem Bericht folgen in den USA, aber auch möglicherweise hier in Europa? Darüber können wir in den nächsten Minuten mit der Sozialdemokratin Herta Däubler-Gmelin sprechen, von 1998 bis 2002 Bundesjustizministerin. Heute lehrt sie an den Universitäten in Berlin und Aachen. Guten Morgen!
    Herta Däubler-Gmelin: Guten Morgen!
    Barenberg: Das Entsetzen ist groß, die Empörung ist groß. Kritiker der USA fühlen sich ja in vielem bestätigt. Muss man all dem gegenüber doch auch sagen, es ehrt ein Land, das einen solchen Bericht öffentlich macht und darüber streitet?
    Däubler-Gmelin: Na ja, halb schon. Ich finde es gut, dass Präsident Obama das gemacht hat, aber wir dürfen natürlich nicht vergessen, erstens, der Bericht ist nicht vollständig, sondern es ist alles geschwärzt und ausgelassen, was eigentlich noch nicht so richtig bekannt war. Da komme ich gleich drauf zurück. Und zum Zweiten: Richtig ehrenhaft ist es erst dann, wenn Konsequenzen folgen.
    Aber bekannt ist das eigentlich schon seit dem Bericht der Parlamentarischen Versammlung des Europarats aus den Jahren 2006 und 2007, den sogenannten Marty-Berichten, also des Kollegen Dick Marty aus jener Zeit, der akribisch nachgewiesen hat, dass hier illegal verschleppt wurde, Leute, die zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort waren. Dass es illegale/schwarze Geheimgefängnisse in Polen, Litauen, Rumänien und anderen Ländern gegeben hat. Und damals ist die Information relativ stark unterschlagen worden, alles zurückgedrängt. Und jetzt müssen wir natürlich aufpassen, dass das diesmal nicht wieder passiert.
    Zeitpunkt der Veröffentlichung gut gewählt
    Barenberg: Jedenfalls hat die Information damals, hat dieser Bericht nicht so viel Aufsehen erregt und auch keine Konsequenzen hier in Europa nach sich gezogen. Warum, glauben Sie, war das damals so und ist jetzt möglicherweise anders?
    Däubler-Gmelin: Im Moment wissen wir ja noch nicht, ob es sehr viel anders ist, weil der Zeitpunkt der Veröffentlichung mag ja politisch gut gewählt sein, weil wir jeden Tag von den Gräueltaten der IS hören. Außerdem kämpfen die Amerikaner und bombardieren die im Nahen Osten. Und wir sehen, was in Afghanistan los ist, und hören natürlich auch, was in der Ukraine los ist. Da gibt es dann manche, die sagen, ach, lasst uns das mal ruhig niedriger hängen.
    Aber das Problem ist natürlich, dass man sich auch mit einem Freund nicht anlegen will und nicht sagen will, hör mal, jetzt kommt es nicht nur darauf an, dass vollständig zu veröffentlichen, sondern auch, das für alle Zeiten abzustellen. Und das ist ja noch nicht erfolgt.
    Barenberg: Und Sie haben da Ihre Zweifel?
    Däubler-Gmelin: Ja gut, was heißt Zweifel? Sagen wir mal so: Ich hab die Zweifel dann nicht mehr, wenn nicht mit Umfragen in den USA Politik gemacht wird, dass die Mehrheit der Amerikaner das gar nicht so schlimm findet und das eigentlich auch gar nicht wissen will. Und wenn der US-Kongress ein Gesetz verabschiedet hat, das die Strafbarkeit von Leuten, die foltern und die Folter anordnen, weil darum geht es ja, dass das auch alles durchgesetzt wird. Dann hätte ich ein sehr viel besseres Gefühl, dass wir in Europa sehen, dass der polnische Generalstaatsanwalt ermittelt, weil dort auch möglicherweise Geld geflossen ist bei der Errichtung dieser wirklich üblen Geheimgefängnisse, und dass auch der deutsche Generalbundesanwalt jetzt ermitteln muss, weil Ramstein, und wo andere, sagen wir mal, Teile der Infrastruktur Deutschlands benutzt worden sein könnten und auch Beteiligung sonst nicht ausgeschlossen ist, das ist klar. Das geht auch in Großbritannien so, aber das darf dann nicht wieder alles im Sand verlaufen, sondern es muss klar sein, das war eine schlimme Ära. Das wollen wir nicht mehr, das gehört eben nicht zu den westlichen Werten.
    US-Menschenrechtsorganisationen müssen gestärkt werden
    Barenberg: Lassen Sie uns gleich noch etwas genauer über das sprechen, was hier in Europa geschehen muss, möglicherweise auch Berlin, und eine Frage noch, was die USA selbst angeht. Man hat ja im Moment den Eindruck, dass es geradezu unvorstellbar ist, auch angesichts der Spaltung, die dieser Bericht in dem Land noch mal bestätigt hat sozusagen, dass es so etwas wie Strafverfolgung der Täter überhaupt geben könnte. Was halten Sie davon?
    Däubler-Gmelin: Ja, das ist eine der großen Fragen. Ich meine, dass Leute wie Herr Bush oder Herr Cheney, die ja nun wahlweise sagen, es war keine Folter oder das war berechtigt, und was wollt ihr eigentlich – dass die sich so äußern, das kann einen nicht wundern. Dass sie immer noch oder schon wieder Gehör finden, das schon mehr. Und das Zweite, was man aber wissen muss, das ist eigentlich in den USA alles hoch strafbar. Und wir haben in den USA auch eine ganze Reihe von Leuten, die anders denken, die anders reden, und einige der wirklich guten Menschenrechtsorganisationen sind dort auch sehr stark.
    Es kommt also jetzt darauf an, dass man deren Stimmen sehr viel stärker bringt, und das könnte natürlich für Europa auch wichtig sein, weil bei uns werden dann immer nur Leute wie Herr Bush oder Herr Cheney oder CIA-Leute gehört, während die anderen, die sagen, wir müssen selbst daraus Konsequenzen ziehen, die haben hier keine so laute Stimme.
    Infrastruktur der NATO ist genutzt worden
    Barenberg: Nun hat Gregor Gysi, Fraktionschef der Linkspartei im Bundestag, Strafanzeige gegen Ex-Präsident George Bush gestellt. Er verlangt vom Generalbundesanwalt, von Harald Range, Ermittlungen auch zum Beispiel gegen den früheren Vizepräsidenten Dick Cheney aufzunehmen. Ist das sinnvoll?
    Däubler-Gmelin: Das weiß ich nicht. Ich kenne ja nun, sagen wir mal, diese ganzen unmittelbaren, also persönlichen Verwicklungen nicht. Es geht ja bei Herrn Bush und Herrn Cheney um mehrere Dinge, also um die politische Verantwortlichkeit nicht nur für den durch Lügen begonnenen Irak-Krieg, der ja auch völkerrechtswidrig war, sondern um die politische Verantwortlichkeit für das alles. Weil das ja angeordnet wurde. Da ist ja nicht gefoltert worden, weil da ein paar Verrückte ausgerastet sind, sondern das waren Befehle, und die Anweisungen waren wissenschaftlich ausgeklügelt. Schändlicherweise auch mithilfe von medizinischem Personal, das muss man ja alles wissen. Die politische Verantwortlichkeit ist klar. Die persönliche – da kann man schauen.
    Aber mir geht es hauptsächlich auch darum, dass wir wissen müssen, da ist die Infrastruktur der NATO und auch Infrastruktur Deutschlands benutzt worden. Und es muss klargestellt werden, ob zum Beispiel deutsche Institutionen, auch deutsche Dienste beteiligt waren. Das alles gehört zu dem Ermittlungsauftrag. Zu dem Juristischen: Ich denke, dass der Generalbundesanwalt da sehr sorgfältig reinschauen muss. Und zum Zweiten auch zum Politischen: Da muss der Bundestag reinschauen.
    Europa hat US-Strategie zugelassen
    Barenberg: Gerade, was den politischen Teil der Schlussfolgerungen angeht: Sie haben den Marty-Bericht erwähnt und dass er eigentlich folgenlos geblieben ist. Halten Sie der Bundesregierung vor, dass sie nicht genug getan hat, um die eigene Beteiligung an diesen Geschehnissen aufzuklären?
    Däubler-Gmelin: Nein, nein. Ich halte der Bundesregierung, und zwar den Bundesregierungen, seitdem das ja nun alles im Raume schwebt, vor, dass sie nicht nur geschaut haben, wie die eigene Beteiligung, also durch irgendwelche Leute, die unserer Verantwortlichkeit unterlegen haben, ermittelt hat, sondern auch, dass sie es einfach zulässt, dass ein großes Land, mit dem wir doch die westlichen Werte teilen sollen, dass hier nicht mit denen ganz klar geredet wird, dass so was nicht mehr vorkommen darf, und dass die entsprechenden gesetzlichen Sicherungen eingebaut werden müssen. Und das halte ich nicht nur der deutschen Regierung vor, sondern ich halte es auch Europa vor, weil Europa mit dem Partner USA eine ganze Menge gemeinsam machen will. Und da muss endlich wieder eine Rückbesinnung, und zwar eine selbstbewusste Rückbesinnung auf europäische Werte, die Teil der westlichen Werte sein müssen, erfolgen.
    Keine Werte, sondern Macht geht hier vor Recht
    Barenberg: Wenn wir das einmal zusammendenken, den CIA-Folterbericht und die Enthüllungen rund um die NSA und die globale Überwachung – zeigt sich da doch am Ende, dass diese Rede von der Wertegemeinschaft ganz neu verhandelt werden muss?
    Däubler-Gmelin: Sie muss auf jeden Fall neu verhandelt werden. Und ich verstehe eigentlich auch die Bundeskanzlerin nicht. Die hat nun eine Erfahrung in ihrem Lebensbereich, die ihr eigentlich klar machen müsste, dass man nicht nur sonntags über Werte reden darf, und dann kommt raus, dass die CIA macht, was sie will, dass sie Studien anfertigen lässt, ob es vorteilhaft sein könnte, einfach Leute zu erschießen. Das ist ja die neue CIA-Studie, die wir jetzt gerade noch gar nicht erwähnt haben. Und es kommen die Nachweise durch den Kontrollausschuss des Senats, das muss man sagen, das ist deren Geheimdienstkontrollausschuss, mit allen Einzelheiten, dass da nichts von Werten da ist, sondern Macht vor Recht geht. Und das geht nicht. Darüber muss man reden, und da muss man die richtigen Leute in den USA unterstützen. Und da muss man auch im Gespräch mit dem jetzigen Präsidenten, der das veröffentlicht hat oder teilweise veröffentlicht hat, darüber reden, wie man es hinbekommt, dass so was nie wieder passiert, und zwar juristisch abgesichert.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.