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CIA-Folterbericht
London unter Druck

Britische Parlamentarier fordern Klarheit darüber, inwieweit Großbritannien an den Folterpraktiken amerikanischer Geheimdienste beteiligt war. Der Ton der Debatte immer schärfer, besonders seit öffentlich wurde, dass die britische Regierung die USA gebeten hatte, kritische Passagen aus dem Folterbericht zu schwärzen.

Von Martin Alioth | 19.12.2014
    Schiffe fahren auf der Themse vor dem Parlament in London
    Das britische Parlament tagt im Westminster-Palast in London. (AFP/ Max Nash)
    Im Kampf gegen Terrorgruppen ohne jegliche Werte der Menschlichkeit müssen wir weißer als weiß sein, mit ethischen Regeln, die beweisen, dass wir anders sind.
    So spricht Lord West, einst Leiter der militärischen Geheimdienste und später politisch verantwortlich für die britische Terrorabwehr unter Premierminister Gordon Brown.
    Die amtierende britische Innenministerin, Theresa May, wurde diese Woche vor einen Unterhaus-Ausschuss zitiert. Ob sie denn von den Amerikanern verlangt habe, Hinweise auf eine britische Beteiligung an den Folterpraktiken zu zensurieren?
    In einem Schachtelsatz, der Thomas von Aquin alle Ehre gemacht hätte, verneinte sie: Auslassungen seien lediglich zur Wahrung der nationalen Sicherheit erforderlich gewesen. Der Labour-Abgeordnete Paul Flynn blieb skeptisch. Er spielte auf eine lange Tradition der Vertuschung und der Informations-Verweigerung an.
    Britische Komplizenschaft
    Zwei notorische Fälle belegen die britische Komplizenschaft: Der in Großbritannien niedergelassene Äthiopier Binyam Mohammed wurde in Afghanistan, Marokko und Guantánamo gefoltert. Er ertrotzte vor britischen Gerichten die Veröffentlichung amerikanischer Geheimdienstquellen. Daraus ging hervor, dass die Briten ihren amerikanischen Vettern konkrete Fragen unterbreitet hatten, die dem Häftling gestellt werden sollten – mit den bekannten Methoden.
    In einem weiteren Fall sollen die Briten selbst aktiv geworden sein, vermutet Sir Malcom Rifkind, der den parlamentarischen Ausschuss für die Nachrichtendienste leitet.
    Hier werde das Vereinigte Königreich beschuldigt, im Dienste der USA zwei libysche Dissidente nach Libyen überstellt zu haben, direkt in die Gefängnisse Gaddafis.
    Für Rifkind, den ehemaligen britischen Außenminister, ist die Rechtslage klar.
    Falls britische Agenten bei der Folterung zugegen gewesen wären, dann wären sie Komplizen gewesen.
    Darauf gibt es Hinweise: Im Januar 2002 riet der britische Geheimdienst MI6 seinen Agenten in Afghanistan, sie seien nicht genötigt, einzugreifen, wenn Häftlinge schlecht behandelt würden. Trotzdem bestritt Innenministerin May direkte britische Verwicklungen.
    Keine Beweise, aber Indizien
    Dafür kenne sie keine Beweise. Das wohl nicht, aber Indizien schon. Hinzu kommt der dringende Verdacht, dass im amerikanischen Flottenstützpunkt Diego Garcia, der auf gepachtetem britischen Hoheitsgebiet im Indischen Ozean liegt, mindestens Überstellungen stattfanden, wenn nicht gar Schlimmeres.
    Immer mehr britische Abgeordnete wollen nun Aufschluss über die Wahrheit. Die Regierung lehnt indessen eine richterliche Untersuchung ab und verweist auf die laufenden Ermittlungen von Malcolm Rifkinds Ausschuss. Doch dieses Gremium gilt trotz zusätzlichen Vollmachten als staatstreu und zahnlos; es hatte sich in der Vergangenheit mit Lügen abspeisen lassen. Und seine Erkenntnisse müssen vom Premierminister abgesegnet werden, bevor sie veröffentlicht werden. Trotzdem versichert Rifkind Klarheit.
    Erstaunliches hohes Vertrauen
    Falls die Komplizenschaft nachgewiesen werden könne, werde er das sagen.
    So oder so: Rifkind wird nicht vor der nächsten Parlamentswahl berichten. In der britischen Öffentlichkeit wirft das nur geringe Wellen. Das Vertrauen in die lichtscheuen Elemente des britischen Staatsapparates bleibt verblüffend hoch.